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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die Geschichte der Gotthardbahn.

Sprachgebietes mit allen gesetzlichen Mitteln und "Besserung der wirtschaftlichen
Zustände in dem Sinne, daß bei gleichzeitiger Entlastung des Mittelstandes und
ausgiebiger Heranziehung des beweglichen Kapitals zur Steuerleistung durch
umfassende Reformen nach dem Vorbilde der Bismarckschen den produzirenden
Klassen der Ertrag ihres Fleißes gewährleistet und jedem ehrlich arbeitenden
Staatsbürger ein menschenwürdiges Dasein bis an sein Lebensende gesichert
werde." Der Schluß lautet: "Das deutschnationale Bekenntnis ist ein frei¬
sinniges; es schließt jedoch den doktrinären Liberalismus aus, welcher sich als
Selbstzweck hinstellt, als eine internationale Macht gelten will und den natio¬
nalen Gedanken in ein untergeordnetes Verhältnis bringt."

Wir halten die angeführten Ansichten und Absichten für gesund und, wenn
sie im deutschösterreichischen Volke Gehör finden, für wohlgeeignet, mit einigen
Ergänzungen, welche die Wege und Mittel zur Verwirklichung anzugeben Hütten,
zu befriedigender Auseinandersetzung der Nationalitäten und zu einer Befestigung
der Deutschen zu führen oder doch die Bahn hierzu vorzubereiten. Jedenfalls
aber begegnen wir hier erwachender Selbsterkenntnis und ehrlichem Willen, der
Unterstützung verdient. Selbstverständlich gilt letzteres von allen Aktionen, mit
denen die alte Partei aufrichtig und ohne Hintergedanken gleichfalls für deutsche
Ziele eintreten wollte. Denn es handelt sich hier nicht um einzelne Parteien,
sondern um das, worin alle einig sind, und was nur von deu einen vor allem,
von den andern erst an zweiter Stelle erstrebt wird.




Die Geschichte der Gotthardbahn.
(Schluß.)

ur Vorbereitung des Tunnelbaues hatte das Komitee der Gott-
hardvereinigung schon umfassende Vorarbeiten machen lassen. Diese
bildeten die Grundlage, auf welcher am 5. April 1872 die
Direktion der Gotthardbahn eine Konkurrenz aufschrieb für die
Übernahme dieses Werkes. Von den sieben Bewerbern blieben
schließlich nur zwei annehmbare übrig, eine italienische Gesellschaft und der
Bauunternehmer Louis Favre in Genf. Letzterer erhielt den Vorzug, uicht allein
weil sein Gebot das billigere war, sondern auch weil er persönlich eines seltenen
Zutrauens, namentlich bei seinen Genfer Mitbürgern, sich erfreute. Diese
hatten ihn auch in den Stand gesetzt, die geforderte große Kaution von acht
Millionen Franken zu stellen.


Die Geschichte der Gotthardbahn.

Sprachgebietes mit allen gesetzlichen Mitteln und „Besserung der wirtschaftlichen
Zustände in dem Sinne, daß bei gleichzeitiger Entlastung des Mittelstandes und
ausgiebiger Heranziehung des beweglichen Kapitals zur Steuerleistung durch
umfassende Reformen nach dem Vorbilde der Bismarckschen den produzirenden
Klassen der Ertrag ihres Fleißes gewährleistet und jedem ehrlich arbeitenden
Staatsbürger ein menschenwürdiges Dasein bis an sein Lebensende gesichert
werde." Der Schluß lautet: „Das deutschnationale Bekenntnis ist ein frei¬
sinniges; es schließt jedoch den doktrinären Liberalismus aus, welcher sich als
Selbstzweck hinstellt, als eine internationale Macht gelten will und den natio¬
nalen Gedanken in ein untergeordnetes Verhältnis bringt."

Wir halten die angeführten Ansichten und Absichten für gesund und, wenn
sie im deutschösterreichischen Volke Gehör finden, für wohlgeeignet, mit einigen
Ergänzungen, welche die Wege und Mittel zur Verwirklichung anzugeben Hütten,
zu befriedigender Auseinandersetzung der Nationalitäten und zu einer Befestigung
der Deutschen zu führen oder doch die Bahn hierzu vorzubereiten. Jedenfalls
aber begegnen wir hier erwachender Selbsterkenntnis und ehrlichem Willen, der
Unterstützung verdient. Selbstverständlich gilt letzteres von allen Aktionen, mit
denen die alte Partei aufrichtig und ohne Hintergedanken gleichfalls für deutsche
Ziele eintreten wollte. Denn es handelt sich hier nicht um einzelne Parteien,
sondern um das, worin alle einig sind, und was nur von deu einen vor allem,
von den andern erst an zweiter Stelle erstrebt wird.




Die Geschichte der Gotthardbahn.
(Schluß.)

ur Vorbereitung des Tunnelbaues hatte das Komitee der Gott-
hardvereinigung schon umfassende Vorarbeiten machen lassen. Diese
bildeten die Grundlage, auf welcher am 5. April 1872 die
Direktion der Gotthardbahn eine Konkurrenz aufschrieb für die
Übernahme dieses Werkes. Von den sieben Bewerbern blieben
schließlich nur zwei annehmbare übrig, eine italienische Gesellschaft und der
Bauunternehmer Louis Favre in Genf. Letzterer erhielt den Vorzug, uicht allein
weil sein Gebot das billigere war, sondern auch weil er persönlich eines seltenen
Zutrauens, namentlich bei seinen Genfer Mitbürgern, sich erfreute. Diese
hatten ihn auch in den Stand gesetzt, die geforderte große Kaution von acht
Millionen Franken zu stellen.


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[0638] Die Geschichte der Gotthardbahn. Sprachgebietes mit allen gesetzlichen Mitteln und „Besserung der wirtschaftlichen Zustände in dem Sinne, daß bei gleichzeitiger Entlastung des Mittelstandes und ausgiebiger Heranziehung des beweglichen Kapitals zur Steuerleistung durch umfassende Reformen nach dem Vorbilde der Bismarckschen den produzirenden Klassen der Ertrag ihres Fleißes gewährleistet und jedem ehrlich arbeitenden Staatsbürger ein menschenwürdiges Dasein bis an sein Lebensende gesichert werde." Der Schluß lautet: „Das deutschnationale Bekenntnis ist ein frei¬ sinniges; es schließt jedoch den doktrinären Liberalismus aus, welcher sich als Selbstzweck hinstellt, als eine internationale Macht gelten will und den natio¬ nalen Gedanken in ein untergeordnetes Verhältnis bringt." Wir halten die angeführten Ansichten und Absichten für gesund und, wenn sie im deutschösterreichischen Volke Gehör finden, für wohlgeeignet, mit einigen Ergänzungen, welche die Wege und Mittel zur Verwirklichung anzugeben Hütten, zu befriedigender Auseinandersetzung der Nationalitäten und zu einer Befestigung der Deutschen zu führen oder doch die Bahn hierzu vorzubereiten. Jedenfalls aber begegnen wir hier erwachender Selbsterkenntnis und ehrlichem Willen, der Unterstützung verdient. Selbstverständlich gilt letzteres von allen Aktionen, mit denen die alte Partei aufrichtig und ohne Hintergedanken gleichfalls für deutsche Ziele eintreten wollte. Denn es handelt sich hier nicht um einzelne Parteien, sondern um das, worin alle einig sind, und was nur von deu einen vor allem, von den andern erst an zweiter Stelle erstrebt wird. Die Geschichte der Gotthardbahn. (Schluß.) ur Vorbereitung des Tunnelbaues hatte das Komitee der Gott- hardvereinigung schon umfassende Vorarbeiten machen lassen. Diese bildeten die Grundlage, auf welcher am 5. April 1872 die Direktion der Gotthardbahn eine Konkurrenz aufschrieb für die Übernahme dieses Werkes. Von den sieben Bewerbern blieben schließlich nur zwei annehmbare übrig, eine italienische Gesellschaft und der Bauunternehmer Louis Favre in Genf. Letzterer erhielt den Vorzug, uicht allein weil sein Gebot das billigere war, sondern auch weil er persönlich eines seltenen Zutrauens, namentlich bei seinen Genfer Mitbürgern, sich erfreute. Diese hatten ihn auch in den Stand gesetzt, die geforderte große Kaution von acht Millionen Franken zu stellen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/638>, abgerufen am 29.04.2024.