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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus Schwabe".

Schölleneu und über die Teufelsbrücke nach Andermatt, mit seiner doppelten
Abzweigung mich der Furka und über den Oberalppaß, wird wohl stets ein
vielbesuchter Tvuristcupfad bleiben. Möchte doch aber anch der Weg über die
Höhe des Gebirges um Hospiz vorüber nach Airolo nicht ganz der Verödung
anheimfallen! Denn der Gotthard mit seinem jähen Abstürze nach Italien war
und ist einer der schönsten Alpenpässe.




Aus Schwaben.

le schwäbische Tapferkeit hat ihren ruhmvollen Anteil an den
Kämpfen, durch welche Deutschlands Einheit und gegenwärtige
Machtstellung errungen worden ist. Auch sind es zwei Würten-
berger gewesen, Paul Pfizer und D. Fr. Strauß, welche schon
in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts klarer und bestimmter
als irgend ein andrer Politiker damaliger Zeit ans deu Weg hingewiesen haben,
der die nationale Entwicklung allein zum Ziele führen könne. Mit patriotischer
Herzeuswärme haben sie lant und vernehmlich dem preußischen Staate die
Mahnung zugerufen, seiner deutscheu Mission eingedenk zu sein. Auch seitdem
hat der Gedanke an Kaiser und Reich immer wieder die Glut vaterländischer
Begeisterung in den schwäbischen Herzen entzündet. Als aber der Gedanke in
die Wirklichkeit trat, als die Idee zur That wurde, da war die Form, unter
welcher sich die Verwirklichung darbot, für die Süddeutschen eine bereits fertige,
so ziemlich ohne ihr Zuthun zu stände gekommene. Dankbaren und freudigen
Sinnes haben wir die Begründung des neuen Reiches ausgenommen, aber die
Gestaltung ist uns eben doch nur entgegengebracht worden, nicht wir selbst haben
sie gemacht. Hieraus ergiebt sich für die Freunde der nationalen Sache gegen¬
über der schwäbische,! Eigenart in mancher Hinsicht eine schwierige Stellung.
Der Schwabe gilt dafür, daß er gern seinen eignen Kopf habe, und die ge¬
schichtliche Erfahrung erweist mit zahlreichen Belegen, daß der schwäbische Stamm
eine Idee tiefer zu erfassen, zäher und treuer festzuhalten pflegt, als mancher
andre, aber immer mit der Bedingung, daß der schwäbische Geist sie durch¬
drungen, sie nach seiner Weise zurechtgelegt, ihr sein besondres Gepräge ver¬
liehe" habe. Von alters her charakterisirte den Schwaben der Geist der
Initiative, wenn auch eines mehr besonnenen, als raschen Zugreifens. Der
innewohnende geistige Trieb ist dann noch verstärkt worden durch deu Geist


Aus Schwabe».

Schölleneu und über die Teufelsbrücke nach Andermatt, mit seiner doppelten
Abzweigung mich der Furka und über den Oberalppaß, wird wohl stets ein
vielbesuchter Tvuristcupfad bleiben. Möchte doch aber anch der Weg über die
Höhe des Gebirges um Hospiz vorüber nach Airolo nicht ganz der Verödung
anheimfallen! Denn der Gotthard mit seinem jähen Abstürze nach Italien war
und ist einer der schönsten Alpenpässe.




Aus Schwaben.

le schwäbische Tapferkeit hat ihren ruhmvollen Anteil an den
Kämpfen, durch welche Deutschlands Einheit und gegenwärtige
Machtstellung errungen worden ist. Auch sind es zwei Würten-
berger gewesen, Paul Pfizer und D. Fr. Strauß, welche schon
in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts klarer und bestimmter
als irgend ein andrer Politiker damaliger Zeit ans deu Weg hingewiesen haben,
der die nationale Entwicklung allein zum Ziele führen könne. Mit patriotischer
Herzeuswärme haben sie lant und vernehmlich dem preußischen Staate die
Mahnung zugerufen, seiner deutscheu Mission eingedenk zu sein. Auch seitdem
hat der Gedanke an Kaiser und Reich immer wieder die Glut vaterländischer
Begeisterung in den schwäbischen Herzen entzündet. Als aber der Gedanke in
die Wirklichkeit trat, als die Idee zur That wurde, da war die Form, unter
welcher sich die Verwirklichung darbot, für die Süddeutschen eine bereits fertige,
so ziemlich ohne ihr Zuthun zu stände gekommene. Dankbaren und freudigen
Sinnes haben wir die Begründung des neuen Reiches ausgenommen, aber die
Gestaltung ist uns eben doch nur entgegengebracht worden, nicht wir selbst haben
sie gemacht. Hieraus ergiebt sich für die Freunde der nationalen Sache gegen¬
über der schwäbische,! Eigenart in mancher Hinsicht eine schwierige Stellung.
Der Schwabe gilt dafür, daß er gern seinen eignen Kopf habe, und die ge¬
schichtliche Erfahrung erweist mit zahlreichen Belegen, daß der schwäbische Stamm
eine Idee tiefer zu erfassen, zäher und treuer festzuhalten pflegt, als mancher
andre, aber immer mit der Bedingung, daß der schwäbische Geist sie durch¬
drungen, sie nach seiner Weise zurechtgelegt, ihr sein besondres Gepräge ver¬
liehe» habe. Von alters her charakterisirte den Schwaben der Geist der
Initiative, wenn auch eines mehr besonnenen, als raschen Zugreifens. Der
innewohnende geistige Trieb ist dann noch verstärkt worden durch deu Geist


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[0647] Aus Schwabe». Schölleneu und über die Teufelsbrücke nach Andermatt, mit seiner doppelten Abzweigung mich der Furka und über den Oberalppaß, wird wohl stets ein vielbesuchter Tvuristcupfad bleiben. Möchte doch aber anch der Weg über die Höhe des Gebirges um Hospiz vorüber nach Airolo nicht ganz der Verödung anheimfallen! Denn der Gotthard mit seinem jähen Abstürze nach Italien war und ist einer der schönsten Alpenpässe. Aus Schwaben. le schwäbische Tapferkeit hat ihren ruhmvollen Anteil an den Kämpfen, durch welche Deutschlands Einheit und gegenwärtige Machtstellung errungen worden ist. Auch sind es zwei Würten- berger gewesen, Paul Pfizer und D. Fr. Strauß, welche schon in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts klarer und bestimmter als irgend ein andrer Politiker damaliger Zeit ans deu Weg hingewiesen haben, der die nationale Entwicklung allein zum Ziele führen könne. Mit patriotischer Herzeuswärme haben sie lant und vernehmlich dem preußischen Staate die Mahnung zugerufen, seiner deutscheu Mission eingedenk zu sein. Auch seitdem hat der Gedanke an Kaiser und Reich immer wieder die Glut vaterländischer Begeisterung in den schwäbischen Herzen entzündet. Als aber der Gedanke in die Wirklichkeit trat, als die Idee zur That wurde, da war die Form, unter welcher sich die Verwirklichung darbot, für die Süddeutschen eine bereits fertige, so ziemlich ohne ihr Zuthun zu stände gekommene. Dankbaren und freudigen Sinnes haben wir die Begründung des neuen Reiches ausgenommen, aber die Gestaltung ist uns eben doch nur entgegengebracht worden, nicht wir selbst haben sie gemacht. Hieraus ergiebt sich für die Freunde der nationalen Sache gegen¬ über der schwäbische,! Eigenart in mancher Hinsicht eine schwierige Stellung. Der Schwabe gilt dafür, daß er gern seinen eignen Kopf habe, und die ge¬ schichtliche Erfahrung erweist mit zahlreichen Belegen, daß der schwäbische Stamm eine Idee tiefer zu erfassen, zäher und treuer festzuhalten pflegt, als mancher andre, aber immer mit der Bedingung, daß der schwäbische Geist sie durch¬ drungen, sie nach seiner Weise zurechtgelegt, ihr sein besondres Gepräge ver¬ liehe» habe. Von alters her charakterisirte den Schwaben der Geist der Initiative, wenn auch eines mehr besonnenen, als raschen Zugreifens. Der innewohnende geistige Trieb ist dann noch verstärkt worden durch deu Geist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/647>, abgerufen am 29.04.2024.