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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Deutsche und englische Politik in Bulgarien.

le letzten Berichte, welche aus Bulgarien eintrafen, lauteten nicht
befriedigend. Die Führer der Partei, welche den Fürsten Alexander
nach seiner Wegführung ins Land zurückrief, setzen, nachdem der¬
selbe sich unter Verzicht auf die Negierung freiwillig entfernt hat,
dessen Politik nach Möglichkeit fort. Sie suchen Bulgarien, so¬
weit es die Umstände zulassen, dem Einflüsse Rußlands zu entziehen, und sie
unterhalten die Unruhe, indem sie auf Maßregeln bestehen, welche zunächst Ver¬
gangenes rächen und strafen sollen, während ihnen die Versöhnung für die Zu¬
kunft notwendiger erscheinen sollte. Die jetzigen Gewalthaber sind eine Partei¬
regierung mit allen Fehlern einer solchen. Sie begreifen die wirkliche Lage der
Dinge nicht. Sie überschätzen ihre eigne Bedeutung und die der bulgarische"
Nation überhaupt, sie geben sich falschen Hoffnungen hin, sie beeilen sich, durch
die Volksvertretung Thatsachen schaffen zu lassen, von denen sie meinen, sie
würden vollendete Thatsachen sein, während sie doch nnr den mäßigen Wert von
Kundgebungen dessen haben können, was die jetzt am Ruder befindliche Partei
erstrebt. Alles das verheißt für die nächste Zeit nichts Gutes. Aber zum
Glück kommt es im großen und ganzen schließlich nicht auf die Interessen, den
Willen und den Verstand dieser Politiker an, fondern auf die Stellung, welche
die zunächst beteiligten Großmächte zu der Frage einnehmen, und hier sind die
Aussichten trotz allem, was in den letzten Wochen in Leitartikeln und Korre¬
spondenzen behauptet und befürchtet worden ist, durchaus nicht entmutigender
Art. Eine Verständigung Österreich-Ungarns und Rußlands über eine Wahrung
ihrer beiderseitigen Interessen auf der Balkanhalbinsel war immer eine Mög¬
lichkeit, wenn der gute Wille, die eignen Ansprüche unter Anerkennung der Rechte


Grenzboten IV- 18S6, 1


Deutsche und englische Politik in Bulgarien.

le letzten Berichte, welche aus Bulgarien eintrafen, lauteten nicht
befriedigend. Die Führer der Partei, welche den Fürsten Alexander
nach seiner Wegführung ins Land zurückrief, setzen, nachdem der¬
selbe sich unter Verzicht auf die Negierung freiwillig entfernt hat,
dessen Politik nach Möglichkeit fort. Sie suchen Bulgarien, so¬
weit es die Umstände zulassen, dem Einflüsse Rußlands zu entziehen, und sie
unterhalten die Unruhe, indem sie auf Maßregeln bestehen, welche zunächst Ver¬
gangenes rächen und strafen sollen, während ihnen die Versöhnung für die Zu¬
kunft notwendiger erscheinen sollte. Die jetzigen Gewalthaber sind eine Partei¬
regierung mit allen Fehlern einer solchen. Sie begreifen die wirkliche Lage der
Dinge nicht. Sie überschätzen ihre eigne Bedeutung und die der bulgarische»
Nation überhaupt, sie geben sich falschen Hoffnungen hin, sie beeilen sich, durch
die Volksvertretung Thatsachen schaffen zu lassen, von denen sie meinen, sie
würden vollendete Thatsachen sein, während sie doch nnr den mäßigen Wert von
Kundgebungen dessen haben können, was die jetzt am Ruder befindliche Partei
erstrebt. Alles das verheißt für die nächste Zeit nichts Gutes. Aber zum
Glück kommt es im großen und ganzen schließlich nicht auf die Interessen, den
Willen und den Verstand dieser Politiker an, fondern auf die Stellung, welche
die zunächst beteiligten Großmächte zu der Frage einnehmen, und hier sind die
Aussichten trotz allem, was in den letzten Wochen in Leitartikeln und Korre¬
spondenzen behauptet und befürchtet worden ist, durchaus nicht entmutigender
Art. Eine Verständigung Österreich-Ungarns und Rußlands über eine Wahrung
ihrer beiderseitigen Interessen auf der Balkanhalbinsel war immer eine Mög¬
lichkeit, wenn der gute Wille, die eignen Ansprüche unter Anerkennung der Rechte


Grenzboten IV- 18S6, 1
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[0009] [Abbildung] Deutsche und englische Politik in Bulgarien. le letzten Berichte, welche aus Bulgarien eintrafen, lauteten nicht befriedigend. Die Führer der Partei, welche den Fürsten Alexander nach seiner Wegführung ins Land zurückrief, setzen, nachdem der¬ selbe sich unter Verzicht auf die Negierung freiwillig entfernt hat, dessen Politik nach Möglichkeit fort. Sie suchen Bulgarien, so¬ weit es die Umstände zulassen, dem Einflüsse Rußlands zu entziehen, und sie unterhalten die Unruhe, indem sie auf Maßregeln bestehen, welche zunächst Ver¬ gangenes rächen und strafen sollen, während ihnen die Versöhnung für die Zu¬ kunft notwendiger erscheinen sollte. Die jetzigen Gewalthaber sind eine Partei¬ regierung mit allen Fehlern einer solchen. Sie begreifen die wirkliche Lage der Dinge nicht. Sie überschätzen ihre eigne Bedeutung und die der bulgarische» Nation überhaupt, sie geben sich falschen Hoffnungen hin, sie beeilen sich, durch die Volksvertretung Thatsachen schaffen zu lassen, von denen sie meinen, sie würden vollendete Thatsachen sein, während sie doch nnr den mäßigen Wert von Kundgebungen dessen haben können, was die jetzt am Ruder befindliche Partei erstrebt. Alles das verheißt für die nächste Zeit nichts Gutes. Aber zum Glück kommt es im großen und ganzen schließlich nicht auf die Interessen, den Willen und den Verstand dieser Politiker an, fondern auf die Stellung, welche die zunächst beteiligten Großmächte zu der Frage einnehmen, und hier sind die Aussichten trotz allem, was in den letzten Wochen in Leitartikeln und Korre¬ spondenzen behauptet und befürchtet worden ist, durchaus nicht entmutigender Art. Eine Verständigung Österreich-Ungarns und Rußlands über eine Wahrung ihrer beiderseitigen Interessen auf der Balkanhalbinsel war immer eine Mög¬ lichkeit, wenn der gute Wille, die eignen Ansprüche unter Anerkennung der Rechte Grenzboten IV- 18S6, 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/9>, abgerufen am 29.04.2024.