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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Herr von Hülsen
und die Zukunft des Berliner Schauspielhauses.

Mann, den wir Montag den 4. Oktober zu Grabe geleitet
haben, durfte mit einigem Rechte von sich sagen, daß er eine der
meistgehaßten Persönlichkeiten Deutschlands gewesen sei. Er ver-
tiefe Ehre nicht gerade hohen,, beimuidcruiM'würdigen
oder einer nur ans das Ideale gerichteten Kunst-
anschauung; aber sie wäre ihm doch keinesfalls in dem auszeichnenden Grade
zuteil geworden, wenn er nicht etwas gewesen wäre, was in der Welt immer
selten ist: ein Charakter, eine festbestimmte, zielbewußt einhergehende Persönlich¬
keit. Man mochte den Mann bekämpfen, hassen, verhöhnen -- aber man
mußte zugleich anerkennen, daß er ein Mann war, über den man nicht hinweg¬
schreiten konnte, wie über den ersten besten Theaterleiter. Mit einem Worte:
er bedeutete etwas in der Kunstwelt, und diese Bedeutung wird ihm einen
Namen in dieser Welt sichern.

Die Stimmen des Hasses waren übrigens allmählich schwächer und schwächer
geworden; mir noch gelegentlich wurden sie in der Öffentlichkeit keine, und in
Berlin selbst genoß Herr von Hülsen, wie sein Theater, einen guten Ruf, der
ihm, wie dem Schauspielhause, von der Presse fast einstimmig bestätigt wurde. Vor
fünfunddreißig Jahren, als er mit der Leitung der "königlichen Schauspiele" be¬
traut wurde, war das ganz anders; ja vielleicht hat niemals ein Theaterinten¬
dant so sehr im Feuer gestanden, wie damals Herr von Hülsen. VarnhagenS
"Tagebücher" berichten darüber ziemlich ausführlich.

"Der neue Theaterintendant von Hülsen hat durch seine Bekanntmachung
sich schon arge Händel zugezogen. Er hat nur den Zeitungen seiner Partei
und den gleichgiltigem Blättern freie Plätze für ihre Berichterstatter zugestanden;
die "Konstitutionelle Zeitung" ist die letzte zugelassene. Diese jedoch hat, weil
er die "Nativnalzeitung" ausgeschlossen, auch ihrerseits den Freiplatz nicht an¬
genommen. Im Feuilleton bearbeitet Herr Kossack ihn schon aufs derbste.
Dafür hat er befohlen, daß die Logenschließer und Billeteinnehmer im Amte
eine Schleife auf der Achsel tragen sollen, von schwarz- und silbernem Band!
Der wird noch was erleben!" So heißt es am 4. Juni 1351; am 14. Juni:
"Der heutige "Kladderadatsch" macht sich über Herrn von Hülsen lustig. Unsre
Zeitungen haben aufgehört, über das königliche Theater zu berichten. Auch die
"Kreuzzeitung" und die "Vossische" haben ihre Freibillets zurückgeschickt"; und


Herr von Hülsen
und die Zukunft des Berliner Schauspielhauses.

Mann, den wir Montag den 4. Oktober zu Grabe geleitet
haben, durfte mit einigem Rechte von sich sagen, daß er eine der
meistgehaßten Persönlichkeiten Deutschlands gewesen sei. Er ver-
tiefe Ehre nicht gerade hohen,, beimuidcruiM'würdigen
oder einer nur ans das Ideale gerichteten Kunst-
anschauung; aber sie wäre ihm doch keinesfalls in dem auszeichnenden Grade
zuteil geworden, wenn er nicht etwas gewesen wäre, was in der Welt immer
selten ist: ein Charakter, eine festbestimmte, zielbewußt einhergehende Persönlich¬
keit. Man mochte den Mann bekämpfen, hassen, verhöhnen — aber man
mußte zugleich anerkennen, daß er ein Mann war, über den man nicht hinweg¬
schreiten konnte, wie über den ersten besten Theaterleiter. Mit einem Worte:
er bedeutete etwas in der Kunstwelt, und diese Bedeutung wird ihm einen
Namen in dieser Welt sichern.

Die Stimmen des Hasses waren übrigens allmählich schwächer und schwächer
geworden; mir noch gelegentlich wurden sie in der Öffentlichkeit keine, und in
Berlin selbst genoß Herr von Hülsen, wie sein Theater, einen guten Ruf, der
ihm, wie dem Schauspielhause, von der Presse fast einstimmig bestätigt wurde. Vor
fünfunddreißig Jahren, als er mit der Leitung der „königlichen Schauspiele" be¬
traut wurde, war das ganz anders; ja vielleicht hat niemals ein Theaterinten¬
dant so sehr im Feuer gestanden, wie damals Herr von Hülsen. VarnhagenS
„Tagebücher" berichten darüber ziemlich ausführlich.

„Der neue Theaterintendant von Hülsen hat durch seine Bekanntmachung
sich schon arge Händel zugezogen. Er hat nur den Zeitungen seiner Partei
und den gleichgiltigem Blättern freie Plätze für ihre Berichterstatter zugestanden;
die »Konstitutionelle Zeitung« ist die letzte zugelassene. Diese jedoch hat, weil
er die »Nativnalzeitung« ausgeschlossen, auch ihrerseits den Freiplatz nicht an¬
genommen. Im Feuilleton bearbeitet Herr Kossack ihn schon aufs derbste.
Dafür hat er befohlen, daß die Logenschließer und Billeteinnehmer im Amte
eine Schleife auf der Achsel tragen sollen, von schwarz- und silbernem Band!
Der wird noch was erleben!" So heißt es am 4. Juni 1351; am 14. Juni:
„Der heutige »Kladderadatsch« macht sich über Herrn von Hülsen lustig. Unsre
Zeitungen haben aufgehört, über das königliche Theater zu berichten. Auch die
»Kreuzzeitung« und die »Vossische« haben ihre Freibillets zurückgeschickt"; und


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[0091] Herr von Hülsen und die Zukunft des Berliner Schauspielhauses. Mann, den wir Montag den 4. Oktober zu Grabe geleitet haben, durfte mit einigem Rechte von sich sagen, daß er eine der meistgehaßten Persönlichkeiten Deutschlands gewesen sei. Er ver- tiefe Ehre nicht gerade hohen,, beimuidcruiM'würdigen oder einer nur ans das Ideale gerichteten Kunst- anschauung; aber sie wäre ihm doch keinesfalls in dem auszeichnenden Grade zuteil geworden, wenn er nicht etwas gewesen wäre, was in der Welt immer selten ist: ein Charakter, eine festbestimmte, zielbewußt einhergehende Persönlich¬ keit. Man mochte den Mann bekämpfen, hassen, verhöhnen — aber man mußte zugleich anerkennen, daß er ein Mann war, über den man nicht hinweg¬ schreiten konnte, wie über den ersten besten Theaterleiter. Mit einem Worte: er bedeutete etwas in der Kunstwelt, und diese Bedeutung wird ihm einen Namen in dieser Welt sichern. Die Stimmen des Hasses waren übrigens allmählich schwächer und schwächer geworden; mir noch gelegentlich wurden sie in der Öffentlichkeit keine, und in Berlin selbst genoß Herr von Hülsen, wie sein Theater, einen guten Ruf, der ihm, wie dem Schauspielhause, von der Presse fast einstimmig bestätigt wurde. Vor fünfunddreißig Jahren, als er mit der Leitung der „königlichen Schauspiele" be¬ traut wurde, war das ganz anders; ja vielleicht hat niemals ein Theaterinten¬ dant so sehr im Feuer gestanden, wie damals Herr von Hülsen. VarnhagenS „Tagebücher" berichten darüber ziemlich ausführlich. „Der neue Theaterintendant von Hülsen hat durch seine Bekanntmachung sich schon arge Händel zugezogen. Er hat nur den Zeitungen seiner Partei und den gleichgiltigem Blättern freie Plätze für ihre Berichterstatter zugestanden; die »Konstitutionelle Zeitung« ist die letzte zugelassene. Diese jedoch hat, weil er die »Nativnalzeitung« ausgeschlossen, auch ihrerseits den Freiplatz nicht an¬ genommen. Im Feuilleton bearbeitet Herr Kossack ihn schon aufs derbste. Dafür hat er befohlen, daß die Logenschließer und Billeteinnehmer im Amte eine Schleife auf der Achsel tragen sollen, von schwarz- und silbernem Band! Der wird noch was erleben!" So heißt es am 4. Juni 1351; am 14. Juni: „Der heutige »Kladderadatsch« macht sich über Herrn von Hülsen lustig. Unsre Zeitungen haben aufgehört, über das königliche Theater zu berichten. Auch die »Kreuzzeitung« und die »Vossische« haben ihre Freibillets zurückgeschickt"; und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/91>, abgerufen am 29.04.2024.