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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Lhronik derer von Riffelshansen.

her bewegendes Pärchen; dort fingen ihrer ein Dutzend ans einmal zu tanzen
an, und dazwischen stolperte ein ungeschickter Springer über die Füße seiner
Schönen, sodaß beide auf der Diele herumkugelten.

Als Therese bemerkte, daß ihre Mädchen unter den verschiednen Gästen
des Saales sich ganz heimisch fühlten, that sie Herrn Tobias Schwarz in Bier
Bescheid, das er ihr eifrig herbeigetragen hatte, und erkundigte sich nach den Fa¬
milienangelegenheiten ihrer Bekannten. Auch mit der jungen Hegeln sprach sie einige
Worte; diese aber antwortete mürrisch und sagte gleich darauf ziemlich laut zu
Frau Günther: Euer Baron schickt seine Frau auf das Fest; er selbst hütet
sich aber, in die Schenke zu treten. Da ist unser Graf anders, der kommt auf
ein Stündchen oder zwei zu jedem Tanz, tritt in die Reihe und tanzt mit den
Burschen um die Wette.

Na ich dächte auch uoch! erwiederte die Günthern geärgert, mein Karl sagt
immer: Die Moosdorfcr haben auch gar keine Bosheit im Leibe; wir wollten
dem Baron schon heimleuchten, wenn er sich einfallen ließe, jedes Hans für sein
eignes zu halten.

Die Umstehenden lachten und warfen sich schlaue Blicke zu. Sie ergingen
sich auch in allerhand Witzen und Anspielungen, welche die Hegeln schlagfertig
und scharf parirte.

Die dicke Schützin bemerkte leise zu der Frau Lehrer Taub: Die Hegeln,
das hochnäsige Weib, sollte das Maul halten! und die "Frau Lehrer" stimmte
ihr bei; denn sie war schon lange ergrimmt darüber, daß die Frau des Klein¬
bauern eine weit schönere Schürze trug als sie.




Sechsundzroanzigstes Aapitcl.

Die Hitze in dem niedrigen Raume nahm zu, und die Fiedler ließen manchen
phantastischen Ton mit einfließen, der Therese durch den Kopf schnitt. Das
Gespräch um sie her tönte mehr und mehr wie das Summen eines Bienen¬
schwarms an ihr Ohr, und nur mit Anstrengung gelang es ihr, die Gedanken
soweit zu ordnen, daß sie noch dann und wann ein Wort an ihre Umgebung
richtete. Die Gestalten, die sich am andern Ende des Saales bewegten, er¬
schienen ihr wie Geister, deren undeutliche Umrisse durch die auf und nieder
schwankenden Rauchwolken in unsichere Nebel gehüllt waren. Vor ihren fieber¬
heißen Augen drehte sich der Fußboden im Kreise, und zwischen den: Drehen,
Schwirren und Summen mußte sie einem feinen, langgezogenen Ton lauschen,
erst klang es in Pausen abbrechend und unbestimmt, dann immer deutlicher aus
dem Chaos hervor: Therese! Therese! Sie begann zu empfinden, daß das
Bewußtsein schwinden wollte, und sagte sich immer wieder mit Anstrengung vor,
daß sie sich in der Siebenhofer Schenke befinde.


Aus der Lhronik derer von Riffelshansen.

her bewegendes Pärchen; dort fingen ihrer ein Dutzend ans einmal zu tanzen
an, und dazwischen stolperte ein ungeschickter Springer über die Füße seiner
Schönen, sodaß beide auf der Diele herumkugelten.

Als Therese bemerkte, daß ihre Mädchen unter den verschiednen Gästen
des Saales sich ganz heimisch fühlten, that sie Herrn Tobias Schwarz in Bier
Bescheid, das er ihr eifrig herbeigetragen hatte, und erkundigte sich nach den Fa¬
milienangelegenheiten ihrer Bekannten. Auch mit der jungen Hegeln sprach sie einige
Worte; diese aber antwortete mürrisch und sagte gleich darauf ziemlich laut zu
Frau Günther: Euer Baron schickt seine Frau auf das Fest; er selbst hütet
sich aber, in die Schenke zu treten. Da ist unser Graf anders, der kommt auf
ein Stündchen oder zwei zu jedem Tanz, tritt in die Reihe und tanzt mit den
Burschen um die Wette.

Na ich dächte auch uoch! erwiederte die Günthern geärgert, mein Karl sagt
immer: Die Moosdorfcr haben auch gar keine Bosheit im Leibe; wir wollten
dem Baron schon heimleuchten, wenn er sich einfallen ließe, jedes Hans für sein
eignes zu halten.

Die Umstehenden lachten und warfen sich schlaue Blicke zu. Sie ergingen
sich auch in allerhand Witzen und Anspielungen, welche die Hegeln schlagfertig
und scharf parirte.

Die dicke Schützin bemerkte leise zu der Frau Lehrer Taub: Die Hegeln,
das hochnäsige Weib, sollte das Maul halten! und die „Frau Lehrer" stimmte
ihr bei; denn sie war schon lange ergrimmt darüber, daß die Frau des Klein¬
bauern eine weit schönere Schürze trug als sie.




Sechsundzroanzigstes Aapitcl.

Die Hitze in dem niedrigen Raume nahm zu, und die Fiedler ließen manchen
phantastischen Ton mit einfließen, der Therese durch den Kopf schnitt. Das
Gespräch um sie her tönte mehr und mehr wie das Summen eines Bienen¬
schwarms an ihr Ohr, und nur mit Anstrengung gelang es ihr, die Gedanken
soweit zu ordnen, daß sie noch dann und wann ein Wort an ihre Umgebung
richtete. Die Gestalten, die sich am andern Ende des Saales bewegten, er¬
schienen ihr wie Geister, deren undeutliche Umrisse durch die auf und nieder
schwankenden Rauchwolken in unsichere Nebel gehüllt waren. Vor ihren fieber¬
heißen Augen drehte sich der Fußboden im Kreise, und zwischen den: Drehen,
Schwirren und Summen mußte sie einem feinen, langgezogenen Ton lauschen,
erst klang es in Pausen abbrechend und unbestimmt, dann immer deutlicher aus
dem Chaos hervor: Therese! Therese! Sie begann zu empfinden, daß das
Bewußtsein schwinden wollte, und sagte sich immer wieder mit Anstrengung vor,
daß sie sich in der Siebenhofer Schenke befinde.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/99>, abgerufen am 29.04.2024.