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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Die heilige Magdalena von Witscht.
Von Benno Rüttenauer. (Schluß.)

osefHanim hieß er mit seinem bürgerlichen Namen. Ein Novellen-
schreiber hätte ihm keinen schönern gebe" können, er war in Wahr¬
heit Hahn im Korbe. Er wohnte mit der heiligen Magdcilena
nnter einem Dache, an seinem Arme ging sie täglich in die Messe,
in seiner Begleitung reiste sie. Wie man sie nur in Samt,
Seide und feinstem Rauchwerk sah, so sah man ihn nur in Schwarz, mit hohem
Hute von neuester Form. Vor seiner Beförderung zu dieser propädentischen
Würde im "tausendjährigen Reich" war Josef Harun ein Schmied. Sein
Namenspatron war Zimmermann, das ist kein allzugroßer Unterschied. Zur
Zeit seiner Erivühlung mochte er am Ausgange der Zwanziger sein. Er war,
was man einen schönen Mann nennt, eine Hünengestalt, aufs vorteilhafteste
proportionirt, mit glänzend schwarzem, sorgfältig gepflegtem Haar, mit kühnen
Augen von derselben Farbe. Die Bildung der Stirn aber und noch mehr der
Kiefer deutete nicht gerade auf eine feinere geistige Konstitution, auch sein Vor¬
leben thut dar, daß die praktische" Instinkte des Lebens in ihm vorherrschten,
und sein Nachleben thut dies noch mehr. Von einem Schwärmer war keine
Spur in ihm. Dafür war er ein geschickter Schmied, und das ist er noch.

Als die heilige Madlene starb, zeigte es sich, daß die Aureole des heiligen
Josefs mir ein hinfälliger Reflex von der ihrigen war, kein Sonnen-, sondern nur
ein Mondlicht, kein echter Heiligenschein, sondern nur ein Heiligen-Wiederschein,
der mit der Hinwegnahme des Ursonncnlichtes wie weggeblasen war. Der heilige
Josef war nur ein Trabant. Und hente steht er wieder in der Schmiede vor
seinem Ambos, rußig mit aufgestülpten Hemdärmeln und verdient im Schweiße
seines Angesichtes sein saures Brod. Er ist in Witscht nicht mehr der heilige




Die heilige Magdalena von Witscht.
Von Benno Rüttenauer. (Schluß.)

osefHanim hieß er mit seinem bürgerlichen Namen. Ein Novellen-
schreiber hätte ihm keinen schönern gebe» können, er war in Wahr¬
heit Hahn im Korbe. Er wohnte mit der heiligen Magdcilena
nnter einem Dache, an seinem Arme ging sie täglich in die Messe,
in seiner Begleitung reiste sie. Wie man sie nur in Samt,
Seide und feinstem Rauchwerk sah, so sah man ihn nur in Schwarz, mit hohem
Hute von neuester Form. Vor seiner Beförderung zu dieser propädentischen
Würde im „tausendjährigen Reich" war Josef Harun ein Schmied. Sein
Namenspatron war Zimmermann, das ist kein allzugroßer Unterschied. Zur
Zeit seiner Erivühlung mochte er am Ausgange der Zwanziger sein. Er war,
was man einen schönen Mann nennt, eine Hünengestalt, aufs vorteilhafteste
proportionirt, mit glänzend schwarzem, sorgfältig gepflegtem Haar, mit kühnen
Augen von derselben Farbe. Die Bildung der Stirn aber und noch mehr der
Kiefer deutete nicht gerade auf eine feinere geistige Konstitution, auch sein Vor¬
leben thut dar, daß die praktische» Instinkte des Lebens in ihm vorherrschten,
und sein Nachleben thut dies noch mehr. Von einem Schwärmer war keine
Spur in ihm. Dafür war er ein geschickter Schmied, und das ist er noch.

Als die heilige Madlene starb, zeigte es sich, daß die Aureole des heiligen
Josefs mir ein hinfälliger Reflex von der ihrigen war, kein Sonnen-, sondern nur
ein Mondlicht, kein echter Heiligenschein, sondern nur ein Heiligen-Wiederschein,
der mit der Hinwegnahme des Ursonncnlichtes wie weggeblasen war. Der heilige
Josef war nur ein Trabant. Und hente steht er wieder in der Schmiede vor
seinem Ambos, rußig mit aufgestülpten Hemdärmeln und verdient im Schweiße
seines Angesichtes sein saures Brod. Er ist in Witscht nicht mehr der heilige


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[0144] [Abbildung] Die heilige Magdalena von Witscht. Von Benno Rüttenauer. (Schluß.) osefHanim hieß er mit seinem bürgerlichen Namen. Ein Novellen- schreiber hätte ihm keinen schönern gebe» können, er war in Wahr¬ heit Hahn im Korbe. Er wohnte mit der heiligen Magdcilena nnter einem Dache, an seinem Arme ging sie täglich in die Messe, in seiner Begleitung reiste sie. Wie man sie nur in Samt, Seide und feinstem Rauchwerk sah, so sah man ihn nur in Schwarz, mit hohem Hute von neuester Form. Vor seiner Beförderung zu dieser propädentischen Würde im „tausendjährigen Reich" war Josef Harun ein Schmied. Sein Namenspatron war Zimmermann, das ist kein allzugroßer Unterschied. Zur Zeit seiner Erivühlung mochte er am Ausgange der Zwanziger sein. Er war, was man einen schönen Mann nennt, eine Hünengestalt, aufs vorteilhafteste proportionirt, mit glänzend schwarzem, sorgfältig gepflegtem Haar, mit kühnen Augen von derselben Farbe. Die Bildung der Stirn aber und noch mehr der Kiefer deutete nicht gerade auf eine feinere geistige Konstitution, auch sein Vor¬ leben thut dar, daß die praktische» Instinkte des Lebens in ihm vorherrschten, und sein Nachleben thut dies noch mehr. Von einem Schwärmer war keine Spur in ihm. Dafür war er ein geschickter Schmied, und das ist er noch. Als die heilige Madlene starb, zeigte es sich, daß die Aureole des heiligen Josefs mir ein hinfälliger Reflex von der ihrigen war, kein Sonnen-, sondern nur ein Mondlicht, kein echter Heiligenschein, sondern nur ein Heiligen-Wiederschein, der mit der Hinwegnahme des Ursonncnlichtes wie weggeblasen war. Der heilige Josef war nur ein Trabant. Und hente steht er wieder in der Schmiede vor seinem Ambos, rußig mit aufgestülpten Hemdärmeln und verdient im Schweiße seines Angesichtes sein saures Brod. Er ist in Witscht nicht mehr der heilige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/144>, abgerufen am 06.05.2024.