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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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mir für das Deutschtum des mittelalterlichen Böhmen, sondern für dessen ganzes
politisches und soziales Leben und Werden in diesen Jahrhunderten ist. Die
bei der Präger Burg der Prcmhsliden angesiedelten Deutschen wirkten in ihrer
Ausnahmestellung wohlthätig und segensreich, zuerst auf ihre unmittelbare Um¬
gebung, dann ans immer weitere Kreise des Landes ein, indem sie Handel und
Gewerbe teils schufen, teils hoben, die Anfänge zu neuem Wissen und Können
in geistiger Beziehung einführten und mitteilten und so allmählich die Gesamt¬
heit mit Einschluß ihrer slawischen Elemente zu höherer Gesittung brachten, die
ihre Früchte in Gestalt größern Wohlstandes und edlerer Lebensführung trug.
Dieses neue Element entwickelte sich unter dem Schutze der ihm zugesicherten
Rechte unter den rohen, unfreien, stumpfen Tschechen zu einem neuen Stande,
zu einem Bürgertume zwischen sklavischen Bauern und gewaltthätigen Adel.
Das Bürgertum aber rief nach und nach allenthalben, wo Deutsche sich nieder¬
gelassen hatten, freie Städte ius Leben, Mittelpunkte des Handels, des Hand¬
werkes, welches die Kunst erzeugte, der Schulbildung, welche zur Wissenschaft
führte, und der mehr oder minder unbeschränkten Selbstregierung. Schon in
dieser Periode begegnen wir in Böhmen städtischen Gemeinden der Art im Keim,
und in der nächsten finden wir den Samen vollständig aufgegangen und zu
einer Anzahl deutsch-böhmischer Städtewesen erwachsen, welche durch ihre Statt¬
lichkeit und das in ihnen pulsirende rege Leben den wohlthuendsten Eindruck
auf das Auge machen, das die vordem hier sich ausbreitende dunkle Wildnis
mit ihnen vergleichen kann.




Landwirtschaft und Vodenmonopol.
von I. G. weiß. (Schluß.)

s fragt sich nun, ob die Gesamtheit eine Veranlassung hat, dem
leidenden Gliede des sozialen Körpers helfend beizustehen.

Diese Frage kann aus zwei Gesichtspunkte" betrachtet werden.

Stellt sich die Gesamtheit auf den Standpunkt der Selbstsucht,
so wird sie den Gedanken einer Hilfeleistung zurückweisen, so
lange die Nachteile, welche aus dem Notstände der Landwirtschaft für die Ge¬
samtheit erwachsen, noch nicht so groß sind wie die Opfer, die zu einer wirk¬
samen Abhilfe gebracht werde" müßten. Vom Billigkeitsstandpunkte dagegen


mir für das Deutschtum des mittelalterlichen Böhmen, sondern für dessen ganzes
politisches und soziales Leben und Werden in diesen Jahrhunderten ist. Die
bei der Präger Burg der Prcmhsliden angesiedelten Deutschen wirkten in ihrer
Ausnahmestellung wohlthätig und segensreich, zuerst auf ihre unmittelbare Um¬
gebung, dann ans immer weitere Kreise des Landes ein, indem sie Handel und
Gewerbe teils schufen, teils hoben, die Anfänge zu neuem Wissen und Können
in geistiger Beziehung einführten und mitteilten und so allmählich die Gesamt¬
heit mit Einschluß ihrer slawischen Elemente zu höherer Gesittung brachten, die
ihre Früchte in Gestalt größern Wohlstandes und edlerer Lebensführung trug.
Dieses neue Element entwickelte sich unter dem Schutze der ihm zugesicherten
Rechte unter den rohen, unfreien, stumpfen Tschechen zu einem neuen Stande,
zu einem Bürgertume zwischen sklavischen Bauern und gewaltthätigen Adel.
Das Bürgertum aber rief nach und nach allenthalben, wo Deutsche sich nieder¬
gelassen hatten, freie Städte ius Leben, Mittelpunkte des Handels, des Hand¬
werkes, welches die Kunst erzeugte, der Schulbildung, welche zur Wissenschaft
führte, und der mehr oder minder unbeschränkten Selbstregierung. Schon in
dieser Periode begegnen wir in Böhmen städtischen Gemeinden der Art im Keim,
und in der nächsten finden wir den Samen vollständig aufgegangen und zu
einer Anzahl deutsch-böhmischer Städtewesen erwachsen, welche durch ihre Statt¬
lichkeit und das in ihnen pulsirende rege Leben den wohlthuendsten Eindruck
auf das Auge machen, das die vordem hier sich ausbreitende dunkle Wildnis
mit ihnen vergleichen kann.




Landwirtschaft und Vodenmonopol.
von I. G. weiß. (Schluß.)

s fragt sich nun, ob die Gesamtheit eine Veranlassung hat, dem
leidenden Gliede des sozialen Körpers helfend beizustehen.

Diese Frage kann aus zwei Gesichtspunkte» betrachtet werden.

Stellt sich die Gesamtheit auf den Standpunkt der Selbstsucht,
so wird sie den Gedanken einer Hilfeleistung zurückweisen, so
lange die Nachteile, welche aus dem Notstände der Landwirtschaft für die Ge¬
samtheit erwachsen, noch nicht so groß sind wie die Opfer, die zu einer wirk¬
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[0160] mir für das Deutschtum des mittelalterlichen Böhmen, sondern für dessen ganzes politisches und soziales Leben und Werden in diesen Jahrhunderten ist. Die bei der Präger Burg der Prcmhsliden angesiedelten Deutschen wirkten in ihrer Ausnahmestellung wohlthätig und segensreich, zuerst auf ihre unmittelbare Um¬ gebung, dann ans immer weitere Kreise des Landes ein, indem sie Handel und Gewerbe teils schufen, teils hoben, die Anfänge zu neuem Wissen und Können in geistiger Beziehung einführten und mitteilten und so allmählich die Gesamt¬ heit mit Einschluß ihrer slawischen Elemente zu höherer Gesittung brachten, die ihre Früchte in Gestalt größern Wohlstandes und edlerer Lebensführung trug. Dieses neue Element entwickelte sich unter dem Schutze der ihm zugesicherten Rechte unter den rohen, unfreien, stumpfen Tschechen zu einem neuen Stande, zu einem Bürgertume zwischen sklavischen Bauern und gewaltthätigen Adel. Das Bürgertum aber rief nach und nach allenthalben, wo Deutsche sich nieder¬ gelassen hatten, freie Städte ius Leben, Mittelpunkte des Handels, des Hand¬ werkes, welches die Kunst erzeugte, der Schulbildung, welche zur Wissenschaft führte, und der mehr oder minder unbeschränkten Selbstregierung. Schon in dieser Periode begegnen wir in Böhmen städtischen Gemeinden der Art im Keim, und in der nächsten finden wir den Samen vollständig aufgegangen und zu einer Anzahl deutsch-böhmischer Städtewesen erwachsen, welche durch ihre Statt¬ lichkeit und das in ihnen pulsirende rege Leben den wohlthuendsten Eindruck auf das Auge machen, das die vordem hier sich ausbreitende dunkle Wildnis mit ihnen vergleichen kann. Landwirtschaft und Vodenmonopol. von I. G. weiß. (Schluß.) s fragt sich nun, ob die Gesamtheit eine Veranlassung hat, dem leidenden Gliede des sozialen Körpers helfend beizustehen. Diese Frage kann aus zwei Gesichtspunkte» betrachtet werden. Stellt sich die Gesamtheit auf den Standpunkt der Selbstsucht, so wird sie den Gedanken einer Hilfeleistung zurückweisen, so lange die Nachteile, welche aus dem Notstände der Landwirtschaft für die Ge¬ samtheit erwachsen, noch nicht so groß sind wie die Opfer, die zu einer wirk¬ samen Abhilfe gebracht werde» müßten. Vom Billigkeitsstandpunkte dagegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/160>, abgerufen am 06.05.2024.