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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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^)ugenderinnerungen.
von Lrnst Willkomm. (Fortsetzung.)

es möchte hier eine kurze Charakteristik der Hausgenossen ein¬
schalten, mit denen ich damals als Knabe einige Wochen lang
in Berührung kam und von denen einige späterhin bestimmend
oder doch erziehend mehr oder weniger ans mich Einfluß ge¬
wannen.

Vor allen muß ich da meines Großvaters selbst gedenken, des Dr. für.
Christ. Gottfried Bergmann, der damals bereits nahezu achtzig Jahre zählte
und schon seit längerer Zeit als emeritirter Bürgermeister in völliger Zurück¬
gezogenheit von öffentlichen Geschäften lebte. Er ist mir erinnerlich als ein
breitschultriger Mann von mittlerer Größe, der mir stets durch die Würde
seines Auftretens und durch seinen ihm zur Gewohnheit gewordenen Gruß
Lvrvitsur! sehr imponirte. Diesen Gruß rief er mit seiner tiefen, wohllautenden
Stimme jedermann zu, was seinen Grund wohl in der Kurzsichtigkeit seiner
großen, weit vorstehenden Augen hatte, die einige Jahre später beinahe in völlige
Blindheit überging.

Originell war die Haustracht dieses alten Bürgermeisters, die immer dieselbe
blieb und ohne die wir Kinder uns den würdigen Herrn garnicht denken konnten.
Sie bestand aus einem weiten, faltigen grauen Talar, welcher die ganze Gestalt
bis ans die Füße verhüllte. Das vollkommen haarlose Haupt bedeckte eine hohe
Mütze von Grciuwerk, nicht unähnlich den Grenadiermützen, nur daß diese höher
und von schwarzem Pelzwerk waren. Diese wunderliche Kopfbedeckung, die ich
sonst bei keinem andern Menschen gesehen habe, trug der Großvater Sommer
und Winter, in seinem Zimmer wie bei Tisch, desgleichen, wenn er sich in seiner
Sänfte nach seinem in der Bcmtzener Vorstadt gelegene" Garten tragen ließ, der
eine Auswahl der seltensten Obstbäume und große Gemüsepflanzungen enthielt,




^)ugenderinnerungen.
von Lrnst Willkomm. (Fortsetzung.)

es möchte hier eine kurze Charakteristik der Hausgenossen ein¬
schalten, mit denen ich damals als Knabe einige Wochen lang
in Berührung kam und von denen einige späterhin bestimmend
oder doch erziehend mehr oder weniger ans mich Einfluß ge¬
wannen.

Vor allen muß ich da meines Großvaters selbst gedenken, des Dr. für.
Christ. Gottfried Bergmann, der damals bereits nahezu achtzig Jahre zählte
und schon seit längerer Zeit als emeritirter Bürgermeister in völliger Zurück¬
gezogenheit von öffentlichen Geschäften lebte. Er ist mir erinnerlich als ein
breitschultriger Mann von mittlerer Größe, der mir stets durch die Würde
seines Auftretens und durch seinen ihm zur Gewohnheit gewordenen Gruß
Lvrvitsur! sehr imponirte. Diesen Gruß rief er mit seiner tiefen, wohllautenden
Stimme jedermann zu, was seinen Grund wohl in der Kurzsichtigkeit seiner
großen, weit vorstehenden Augen hatte, die einige Jahre später beinahe in völlige
Blindheit überging.

Originell war die Haustracht dieses alten Bürgermeisters, die immer dieselbe
blieb und ohne die wir Kinder uns den würdigen Herrn garnicht denken konnten.
Sie bestand aus einem weiten, faltigen grauen Talar, welcher die ganze Gestalt
bis ans die Füße verhüllte. Das vollkommen haarlose Haupt bedeckte eine hohe
Mütze von Grciuwerk, nicht unähnlich den Grenadiermützen, nur daß diese höher
und von schwarzem Pelzwerk waren. Diese wunderliche Kopfbedeckung, die ich
sonst bei keinem andern Menschen gesehen habe, trug der Großvater Sommer
und Winter, in seinem Zimmer wie bei Tisch, desgleichen, wenn er sich in seiner
Sänfte nach seinem in der Bcmtzener Vorstadt gelegene» Garten tragen ließ, der
eine Auswahl der seltensten Obstbäume und große Gemüsepflanzungen enthielt,


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[0299] [Abbildung] ^)ugenderinnerungen. von Lrnst Willkomm. (Fortsetzung.) es möchte hier eine kurze Charakteristik der Hausgenossen ein¬ schalten, mit denen ich damals als Knabe einige Wochen lang in Berührung kam und von denen einige späterhin bestimmend oder doch erziehend mehr oder weniger ans mich Einfluß ge¬ wannen. Vor allen muß ich da meines Großvaters selbst gedenken, des Dr. für. Christ. Gottfried Bergmann, der damals bereits nahezu achtzig Jahre zählte und schon seit längerer Zeit als emeritirter Bürgermeister in völliger Zurück¬ gezogenheit von öffentlichen Geschäften lebte. Er ist mir erinnerlich als ein breitschultriger Mann von mittlerer Größe, der mir stets durch die Würde seines Auftretens und durch seinen ihm zur Gewohnheit gewordenen Gruß Lvrvitsur! sehr imponirte. Diesen Gruß rief er mit seiner tiefen, wohllautenden Stimme jedermann zu, was seinen Grund wohl in der Kurzsichtigkeit seiner großen, weit vorstehenden Augen hatte, die einige Jahre später beinahe in völlige Blindheit überging. Originell war die Haustracht dieses alten Bürgermeisters, die immer dieselbe blieb und ohne die wir Kinder uns den würdigen Herrn garnicht denken konnten. Sie bestand aus einem weiten, faltigen grauen Talar, welcher die ganze Gestalt bis ans die Füße verhüllte. Das vollkommen haarlose Haupt bedeckte eine hohe Mütze von Grciuwerk, nicht unähnlich den Grenadiermützen, nur daß diese höher und von schwarzem Pelzwerk waren. Diese wunderliche Kopfbedeckung, die ich sonst bei keinem andern Menschen gesehen habe, trug der Großvater Sommer und Winter, in seinem Zimmer wie bei Tisch, desgleichen, wenn er sich in seiner Sänfte nach seinem in der Bcmtzener Vorstadt gelegene» Garten tragen ließ, der eine Auswahl der seltensten Obstbäume und große Gemüsepflanzungen enthielt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/299>, abgerufen am 07.05.2024.