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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Toynbos-l?all.

Schlüsse kommen, daß -- abgesehen von allem andern -- die spanische Kolonial-
politik in den Rahmen unsrer Zeit nicht paßt. Die englische Kolonialpolitik
dagegen bietet manchen Zug, der uns als Beispiel zur Nachahmung oder
als Warnung dienen kaun. Wir glauben, die wichtigste Lehre, welche uns die
Entstehungsgeschichte des englischen Kolonialreiches erteilt hat, ist "die Lehre
vom raschen Zugreifen." Das ist der Weg, auf welchem England zu seiner
heutigen kolonialen Machtstellung gelangt ist. Nicht Theoretiker, sondern Kauf¬
leute und Soldaten waren es, welche jene ausgedehnten Landstriche, aus denen
England seinen Reichtum und den größten Teil seiner Macht zieht, in Besitz
genommen haben. Was an organisatorischer Arbeit geleistet worden ist, ist
aus den Eingebungen der Situation entstanden. Wer daran zweifelt, der fasse
nur den Charakter derjenigen Männer ins Ange, welche in der neuesten Ge¬
schichte Englands sich auf dem Gebiete der Kolonialpolitik großen Namen erworben
haben. General Gordon ist bekannt als ein Mann, welcher nach Eingebungen,
um nicht zu sagen aus Offenbarung, zu handeln pflegte. Daß er bei einer
so entstandenen Unternehmung zu Grunde gegangen ist, wenn auch mit Ruhm
bedeckt, spricht nicht gegen ihn. In zahllosen andern Fällen ist der Erfolg nicht
ausgeblieben. Wir glauben in der That, daß es sich für uus Deutsche im
gegenwärtigen Augenblick nicht so sehr um die Frage handelt, wie wir unser"
Kolonialbesitz einrichten und behandeln sollen, sondern wie wir ihn vermehren
können. Der Erwerb von Kolonien ist die Hauptsache, das übrige wird sich
daun vou selbst ergeben. Die Geschichte Englands rechtfertigt diese Ansicht
F. M. durchaus.




Toynbee-Hall.
von Gerhart Schulze.
1.

ur den Fremden, der England besucht, beginnt London im Ostci.
gewöhnlich mit der City, während er nach Westen hin die ent¬
ferntesten Ausläufer jenes Hciuscrmccrcs, Richmond und Hampten-
court, zu besuchen Pflegt. Daß sich die Stadt um dieselbe Eut-
fernung vom Mansion-House, dem Mittelpunkte der City, auch
uach Osten hin erstreckt, wird er sich oft genug nicht einmal zum Bewußtsein
bringen. Der Glanz des Hydcpark und der umliegenden Quartiere, die Ab¬
wechslungen und Vergnügungen des großstädtischen Lebens, die Schätze der


Toynbos-l?all.

Schlüsse kommen, daß — abgesehen von allem andern — die spanische Kolonial-
politik in den Rahmen unsrer Zeit nicht paßt. Die englische Kolonialpolitik
dagegen bietet manchen Zug, der uns als Beispiel zur Nachahmung oder
als Warnung dienen kaun. Wir glauben, die wichtigste Lehre, welche uns die
Entstehungsgeschichte des englischen Kolonialreiches erteilt hat, ist „die Lehre
vom raschen Zugreifen." Das ist der Weg, auf welchem England zu seiner
heutigen kolonialen Machtstellung gelangt ist. Nicht Theoretiker, sondern Kauf¬
leute und Soldaten waren es, welche jene ausgedehnten Landstriche, aus denen
England seinen Reichtum und den größten Teil seiner Macht zieht, in Besitz
genommen haben. Was an organisatorischer Arbeit geleistet worden ist, ist
aus den Eingebungen der Situation entstanden. Wer daran zweifelt, der fasse
nur den Charakter derjenigen Männer ins Ange, welche in der neuesten Ge¬
schichte Englands sich auf dem Gebiete der Kolonialpolitik großen Namen erworben
haben. General Gordon ist bekannt als ein Mann, welcher nach Eingebungen,
um nicht zu sagen aus Offenbarung, zu handeln pflegte. Daß er bei einer
so entstandenen Unternehmung zu Grunde gegangen ist, wenn auch mit Ruhm
bedeckt, spricht nicht gegen ihn. In zahllosen andern Fällen ist der Erfolg nicht
ausgeblieben. Wir glauben in der That, daß es sich für uus Deutsche im
gegenwärtigen Augenblick nicht so sehr um die Frage handelt, wie wir unser»
Kolonialbesitz einrichten und behandeln sollen, sondern wie wir ihn vermehren
können. Der Erwerb von Kolonien ist die Hauptsache, das übrige wird sich
daun vou selbst ergeben. Die Geschichte Englands rechtfertigt diese Ansicht
F. M. durchaus.




Toynbee-Hall.
von Gerhart Schulze.
1.

ur den Fremden, der England besucht, beginnt London im Ostci.
gewöhnlich mit der City, während er nach Westen hin die ent¬
ferntesten Ausläufer jenes Hciuscrmccrcs, Richmond und Hampten-
court, zu besuchen Pflegt. Daß sich die Stadt um dieselbe Eut-
fernung vom Mansion-House, dem Mittelpunkte der City, auch
uach Osten hin erstreckt, wird er sich oft genug nicht einmal zum Bewußtsein
bringen. Der Glanz des Hydcpark und der umliegenden Quartiere, die Ab¬
wechslungen und Vergnügungen des großstädtischen Lebens, die Schätze der


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[0312] Toynbos-l?all. Schlüsse kommen, daß — abgesehen von allem andern — die spanische Kolonial- politik in den Rahmen unsrer Zeit nicht paßt. Die englische Kolonialpolitik dagegen bietet manchen Zug, der uns als Beispiel zur Nachahmung oder als Warnung dienen kaun. Wir glauben, die wichtigste Lehre, welche uns die Entstehungsgeschichte des englischen Kolonialreiches erteilt hat, ist „die Lehre vom raschen Zugreifen." Das ist der Weg, auf welchem England zu seiner heutigen kolonialen Machtstellung gelangt ist. Nicht Theoretiker, sondern Kauf¬ leute und Soldaten waren es, welche jene ausgedehnten Landstriche, aus denen England seinen Reichtum und den größten Teil seiner Macht zieht, in Besitz genommen haben. Was an organisatorischer Arbeit geleistet worden ist, ist aus den Eingebungen der Situation entstanden. Wer daran zweifelt, der fasse nur den Charakter derjenigen Männer ins Ange, welche in der neuesten Ge¬ schichte Englands sich auf dem Gebiete der Kolonialpolitik großen Namen erworben haben. General Gordon ist bekannt als ein Mann, welcher nach Eingebungen, um nicht zu sagen aus Offenbarung, zu handeln pflegte. Daß er bei einer so entstandenen Unternehmung zu Grunde gegangen ist, wenn auch mit Ruhm bedeckt, spricht nicht gegen ihn. In zahllosen andern Fällen ist der Erfolg nicht ausgeblieben. Wir glauben in der That, daß es sich für uus Deutsche im gegenwärtigen Augenblick nicht so sehr um die Frage handelt, wie wir unser» Kolonialbesitz einrichten und behandeln sollen, sondern wie wir ihn vermehren können. Der Erwerb von Kolonien ist die Hauptsache, das übrige wird sich daun vou selbst ergeben. Die Geschichte Englands rechtfertigt diese Ansicht F. M. durchaus. Toynbee-Hall. von Gerhart Schulze. 1. ur den Fremden, der England besucht, beginnt London im Ostci. gewöhnlich mit der City, während er nach Westen hin die ent¬ ferntesten Ausläufer jenes Hciuscrmccrcs, Richmond und Hampten- court, zu besuchen Pflegt. Daß sich die Stadt um dieselbe Eut- fernung vom Mansion-House, dem Mittelpunkte der City, auch uach Osten hin erstreckt, wird er sich oft genug nicht einmal zum Bewußtsein bringen. Der Glanz des Hydcpark und der umliegenden Quartiere, die Ab¬ wechslungen und Vergnügungen des großstädtischen Lebens, die Schätze der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/312>, abgerufen am 07.05.2024.