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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Literatur.

Pläne im allgemeinen und besondern, über Kampfwcise der Infanterie, .Kavallerie
und Artillerie, über Repetirgewehre, Ferienkolonien, "Humanitätsdusel" u. s. w. Je
weniger Genaues der Verfasser über einen Gegenstand zu sagen weiß, desto breiter
und schwunghafter Pflegt er zu werden. Zuletzt behalten wir von all seinem Gerede
so gut wie nichts in den Händen, was uns über die Hauptsache aufklären könnte:
wann wird der Krieg etwa ausbrechen, was wird ungefähr sein Gang sein, wer
wird voraussichtlich siegen. Weshalb wir dann das Buch erwähnen? Nun, zur
Warnung und als ein Beispiel für die Art, wie man nicht schreiben soll, als ein
Beispiel, das in seiner Art geradezu ein "Phänomen" ist.


Bismarcks parlamentarische Kämpfe und Siege. Von Friedrich Thudichum.
Stuttgart, Ferdinand Ente, 1887.

Der Verfasser, Professor des Staats- und Kirchenrechts an der Tübinger
Universität, giebt hier eine Art von Geschichte der deutschen Parlamente und
Parteien in ihrem Verhältnisse zu Bismarck, die nach einem Rückblicke ans die
politische Lage ""mittelbar nach 1850 mit dem Regierungsantritte König Wilhelms I.
beginnt und mit der Rückkehr der Nntionalliberalen zur Fahne des Reichskanzlers,
wie sie sich im Heidelberger Programm vom März 1884 ankündigte, abschließt.
Wesentlich neues erfahren wir aus der Schrift nicht, sie empfiehlt sich aber dnrch
den Standpunkt, von welchem aus die betreffenden Vorgänge betrachtet werden, und
dadurch, daß auch auf die Entwicklung der Dinge in Süddeutschland gebührende
Rücksicht genommen wird. Der Verfasser ist eine von den nicht häufigru Aus¬
nahmen unter unsern juristischen Gelehrten, insofern er mit den unbesungenen und
vorurteilsloser Augen des Realpolitikers sieht und darnach urteilt. Er gehört in¬
folge dessen keiner von den verschiednen Parteien an, sondern nimmt eine Mittel¬
stellung zwischen den gemäßigten Liberalen und den ähnlich denkenden Konservativen
ein. Seine Darstellung ist klar und übersichtlich, und wir bedauern nur das eine,
daß sie uns nicht auch über die neuesten Siege Bismarcks über die liberalen Dok¬
trinäre und das Zentrum mit seinen Anhängseln berichtet. Immerhin wird sie
dazu beitragen, die, welche sehen wollen, deutlicher erkennen zu lassen, was wir an
unserm Kanzler besitzen und wie wenig seine Gegner zu bedeuten haben. Partei-
Handwerker rechts und links, beschränkt und arm an positiven Gedanken gegen¬
über dem Wirken des weitschanendcn, von der Energie neuer Ideen erfüllten
schöpferischen Staatstunstlers; Verdunkelungen, Verlegenheiten, zuletzt immer der
Sieg des Genius, immer neuer Fortschritt zur Vollendung, sei es durch Kom¬
promiß, sei es durch Niederwerfung der feindlichen Mächte, unwiderstehlich, wie
eine Naturnotwendigkeit, wie die wolkenbrccheude, Sonne -- das ist der Eindruck,
welchen auch diese Schrift zurückläßt, wie jede verständige und geradsinnige Be¬
trachtung des Ganges unsrer Geschicke im letzte" Vierteljahrhundert.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh, Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig.
Literatur.

Pläne im allgemeinen und besondern, über Kampfwcise der Infanterie, .Kavallerie
und Artillerie, über Repetirgewehre, Ferienkolonien, „Humanitätsdusel" u. s. w. Je
weniger Genaues der Verfasser über einen Gegenstand zu sagen weiß, desto breiter
und schwunghafter Pflegt er zu werden. Zuletzt behalten wir von all seinem Gerede
so gut wie nichts in den Händen, was uns über die Hauptsache aufklären könnte:
wann wird der Krieg etwa ausbrechen, was wird ungefähr sein Gang sein, wer
wird voraussichtlich siegen. Weshalb wir dann das Buch erwähnen? Nun, zur
Warnung und als ein Beispiel für die Art, wie man nicht schreiben soll, als ein
Beispiel, das in seiner Art geradezu ein „Phänomen" ist.


Bismarcks parlamentarische Kämpfe und Siege. Von Friedrich Thudichum.
Stuttgart, Ferdinand Ente, 1887.

Der Verfasser, Professor des Staats- und Kirchenrechts an der Tübinger
Universität, giebt hier eine Art von Geschichte der deutschen Parlamente und
Parteien in ihrem Verhältnisse zu Bismarck, die nach einem Rückblicke ans die
politische Lage ««mittelbar nach 1850 mit dem Regierungsantritte König Wilhelms I.
beginnt und mit der Rückkehr der Nntionalliberalen zur Fahne des Reichskanzlers,
wie sie sich im Heidelberger Programm vom März 1884 ankündigte, abschließt.
Wesentlich neues erfahren wir aus der Schrift nicht, sie empfiehlt sich aber dnrch
den Standpunkt, von welchem aus die betreffenden Vorgänge betrachtet werden, und
dadurch, daß auch auf die Entwicklung der Dinge in Süddeutschland gebührende
Rücksicht genommen wird. Der Verfasser ist eine von den nicht häufigru Aus¬
nahmen unter unsern juristischen Gelehrten, insofern er mit den unbesungenen und
vorurteilsloser Augen des Realpolitikers sieht und darnach urteilt. Er gehört in¬
folge dessen keiner von den verschiednen Parteien an, sondern nimmt eine Mittel¬
stellung zwischen den gemäßigten Liberalen und den ähnlich denkenden Konservativen
ein. Seine Darstellung ist klar und übersichtlich, und wir bedauern nur das eine,
daß sie uns nicht auch über die neuesten Siege Bismarcks über die liberalen Dok¬
trinäre und das Zentrum mit seinen Anhängseln berichtet. Immerhin wird sie
dazu beitragen, die, welche sehen wollen, deutlicher erkennen zu lassen, was wir an
unserm Kanzler besitzen und wie wenig seine Gegner zu bedeuten haben. Partei-
Handwerker rechts und links, beschränkt und arm an positiven Gedanken gegen¬
über dem Wirken des weitschanendcn, von der Energie neuer Ideen erfüllten
schöpferischen Staatstunstlers; Verdunkelungen, Verlegenheiten, zuletzt immer der
Sieg des Genius, immer neuer Fortschritt zur Vollendung, sei es durch Kom¬
promiß, sei es durch Niederwerfung der feindlichen Mächte, unwiderstehlich, wie
eine Naturnotwendigkeit, wie die wolkenbrccheude, Sonne — das ist der Eindruck,
welchen auch diese Schrift zurückläßt, wie jede verständige und geradsinnige Be¬
trachtung des Ganges unsrer Geschicke im letzte« Vierteljahrhundert.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh, Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/312>, abgerufen am 29.04.2024.