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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Verfassung des deutschen Reiches
im vorigen Jahrhundert.
von R. pape.

er Gegenstand, der hier dem Leser vor Augen geführt werden soll,
ist zwar etwas trocken, wie es bei Erörterungen staatsrechtlicher
Natur immer mehr oder weniger der Fall sein wird. Dafür
ist er aber auch in hohem Grade lehrreich, und namentlich bei
der gegenwärtigen politischen Lage unsers Vaterlandes wird er
nicht verfehlen, das Interesse aller derer zu erwecken, welche Sinn und Ver¬
ständnis für die historisch-politische Entwicklung unsers Reiches und Volkes
haben. Was aber die Hauptsache ist: der Gegenstand ist geradezu auffallend
wenig bekannt, auch in den gebildeten, ja sogar den gelehrten Kreisen unsrer
Nation. Das sollte jedoch nicht der Fall sein. Denn Hiswrig, irmAstra ist
immer noch ein wahres Wort, und erst die genauere Kenntnis der Vergangenheit
setzt uns in deu Stand, uus ein klares Urteil über die Gegenwart zu bilden
und daraus richtige Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.

Jeder Gebildete hat zwar oft gehört, vielleicht auch selber es oft ausge-
sprochen, daß in dem alten deutschen Reiche die Zustände nicht eben erbaulich
waren, daß alle Einrichtungen des Reiches in einen erbärmlichen Verfall geraten
waren, kurz, daß es mit dem alten Reiche jämmerlich aussah. Jedermann
weiß, daß sich schon in Goethes Faust die lustigen Brüder in Auerbachs
Keller wundern, wie dieses heilige römische Reich überhaupt noch zusammen¬
halte. Aber damit ist es denn auch zu Ende; abgesehen von den wenigen,
welche in dieser Hinsicht Fachstudien gemacht haben, sind die Einzelheiten der


Grenzboten III. 1887. 39


Die Verfassung des deutschen Reiches
im vorigen Jahrhundert.
von R. pape.

er Gegenstand, der hier dem Leser vor Augen geführt werden soll,
ist zwar etwas trocken, wie es bei Erörterungen staatsrechtlicher
Natur immer mehr oder weniger der Fall sein wird. Dafür
ist er aber auch in hohem Grade lehrreich, und namentlich bei
der gegenwärtigen politischen Lage unsers Vaterlandes wird er
nicht verfehlen, das Interesse aller derer zu erwecken, welche Sinn und Ver¬
ständnis für die historisch-politische Entwicklung unsers Reiches und Volkes
haben. Was aber die Hauptsache ist: der Gegenstand ist geradezu auffallend
wenig bekannt, auch in den gebildeten, ja sogar den gelehrten Kreisen unsrer
Nation. Das sollte jedoch nicht der Fall sein. Denn Hiswrig, irmAstra ist
immer noch ein wahres Wort, und erst die genauere Kenntnis der Vergangenheit
setzt uns in deu Stand, uus ein klares Urteil über die Gegenwart zu bilden
und daraus richtige Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.

Jeder Gebildete hat zwar oft gehört, vielleicht auch selber es oft ausge-
sprochen, daß in dem alten deutschen Reiche die Zustände nicht eben erbaulich
waren, daß alle Einrichtungen des Reiches in einen erbärmlichen Verfall geraten
waren, kurz, daß es mit dem alten Reiche jämmerlich aussah. Jedermann
weiß, daß sich schon in Goethes Faust die lustigen Brüder in Auerbachs
Keller wundern, wie dieses heilige römische Reich überhaupt noch zusammen¬
halte. Aber damit ist es denn auch zu Ende; abgesehen von den wenigen,
welche in dieser Hinsicht Fachstudien gemacht haben, sind die Einzelheiten der


Grenzboten III. 1887. 39
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[0313] [Abbildung] Die Verfassung des deutschen Reiches im vorigen Jahrhundert. von R. pape. er Gegenstand, der hier dem Leser vor Augen geführt werden soll, ist zwar etwas trocken, wie es bei Erörterungen staatsrechtlicher Natur immer mehr oder weniger der Fall sein wird. Dafür ist er aber auch in hohem Grade lehrreich, und namentlich bei der gegenwärtigen politischen Lage unsers Vaterlandes wird er nicht verfehlen, das Interesse aller derer zu erwecken, welche Sinn und Ver¬ ständnis für die historisch-politische Entwicklung unsers Reiches und Volkes haben. Was aber die Hauptsache ist: der Gegenstand ist geradezu auffallend wenig bekannt, auch in den gebildeten, ja sogar den gelehrten Kreisen unsrer Nation. Das sollte jedoch nicht der Fall sein. Denn Hiswrig, irmAstra ist immer noch ein wahres Wort, und erst die genauere Kenntnis der Vergangenheit setzt uns in deu Stand, uus ein klares Urteil über die Gegenwart zu bilden und daraus richtige Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Jeder Gebildete hat zwar oft gehört, vielleicht auch selber es oft ausge- sprochen, daß in dem alten deutschen Reiche die Zustände nicht eben erbaulich waren, daß alle Einrichtungen des Reiches in einen erbärmlichen Verfall geraten waren, kurz, daß es mit dem alten Reiche jämmerlich aussah. Jedermann weiß, daß sich schon in Goethes Faust die lustigen Brüder in Auerbachs Keller wundern, wie dieses heilige römische Reich überhaupt noch zusammen¬ halte. Aber damit ist es denn auch zu Ende; abgesehen von den wenigen, welche in dieser Hinsicht Fachstudien gemacht haben, sind die Einzelheiten der Grenzboten III. 1887. 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/313>, abgerufen am 28.04.2024.