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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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kleinere Mitteilungen.

Flasche bei sich. Die Anstifter des Unfugs ließen sich nirgends sehen; sie allein
werden genau gewußt haben, zu welchem Zwecke das widerliche Treiben dienen
sollte. Mir erschien das Ganze als eine Art Vorübung, um die Truppe für
größere Unternehmungen schlagfertig zu machen und ihr die Lust an solchen
zu reizen. Die Bürgerwehr erschien in dieser Nacht ebenso wenig, wie an den
folgenden Tagen des Aufstandes, obgleich Frankfurt ein gut ausgerüstetes und
gedrilltes Bataillon besaß; "aber -- so sagte mir einige Tage später ein mir
bekannter Weinhändler -- wir wußten ja gar nicht, auf welcher Seite der Sieg
sein würde, darum blieben wir noch zu Hause." Ab und zu begegneten wir
starken Patrouillen der österreichischen Garnison. Sie begrüßten sich jedesmal
mit unserm Haufen unter dem gegenseitigen Zurufe: "Gute Kameraden!" und
schienen gern die ihnen gastfrei gebotene Flasche anzunehmen. Bei solchem
Verhalten war von jener Seite im Fall eines ernstern Zusammenstoßes kaum
auf Schutz zu rechnen. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Johann Georg Kastner.

Die Mehrzahl unsrer Leser wird diesen Namen
mit einem Fragezeichen begrüßen: Wer war, wer ist Johann Georg Kastner? Ein
von deutschen Eltern in Straßburg entflammter (geb. den 9. März 1810) Musiker,
welcher seit 1835 in Paris wirkte und daselbst (19. Dezember) 1867 gestorben ist.
Um die Musik in Frankreich hat sich Kastner mannichfache Verdienste erworben.
Sein Name ist mit der neuesten Geschichte der Militärmusik, des Schulgesangs,
der Männerchöre in diesem Lande eng verknüpft. Die von dem Instrumenten-
macher Sax erfundenen Verbesserungen der Blasinstrumente, welche mittlerweile in
allen musikalischen Ländern angenommen, nachgeahmt oder wenigstens in einzelnen
Teilen benutzt worden sind, wären ohne das Eingreifen Kastners kaum zur Geltung
gekommen. Der musikalische Unterricht verdankt Kastner eine Reihe von Lehr¬
büchern, in denen ein reiches, vielseitiges Wissen nud eine außerordentlich feine
Beobachtung in sehr eingänglicher und fördernder Form niedergelegt sind. In
Deutschland ist er innerhalb der Fachkreise wenig, außerhalb derselben Wohl gar
nicht bekannt geworden. Ju unsern musikalischen Wörterbüchern wird er ziemlich
kurz behandelt; die gleichzeitigen Zeitschriften enthalten in der Periode, wo er als
Opernkomponist nach einer Stellung rang, spärliche Notizen; deutsche Musiker,
welche sich in Paris aufhielte", widmen ihm anerkennende Zeilen, die mehr dem
liebenswürdigen Menschen als dem Künstler gelten. Die ausführlichste Skizze
Kastners, der wir in der deutschen Literatur begegnet sind, giebt Hanslick in seinem
Berichte über die Pariser Weltausstellung vom Jahre 1867, und in ihr ist die
Lebensarbeit und das künstlerische Wesen Kastners als das eines interessanten
Sonderlings aufgefaßt.


kleinere Mitteilungen.

Flasche bei sich. Die Anstifter des Unfugs ließen sich nirgends sehen; sie allein
werden genau gewußt haben, zu welchem Zwecke das widerliche Treiben dienen
sollte. Mir erschien das Ganze als eine Art Vorübung, um die Truppe für
größere Unternehmungen schlagfertig zu machen und ihr die Lust an solchen
zu reizen. Die Bürgerwehr erschien in dieser Nacht ebenso wenig, wie an den
folgenden Tagen des Aufstandes, obgleich Frankfurt ein gut ausgerüstetes und
gedrilltes Bataillon besaß; „aber — so sagte mir einige Tage später ein mir
bekannter Weinhändler — wir wußten ja gar nicht, auf welcher Seite der Sieg
sein würde, darum blieben wir noch zu Hause." Ab und zu begegneten wir
starken Patrouillen der österreichischen Garnison. Sie begrüßten sich jedesmal
mit unserm Haufen unter dem gegenseitigen Zurufe: „Gute Kameraden!" und
schienen gern die ihnen gastfrei gebotene Flasche anzunehmen. Bei solchem
Verhalten war von jener Seite im Fall eines ernstern Zusammenstoßes kaum
auf Schutz zu rechnen. (Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Johann Georg Kastner.

Die Mehrzahl unsrer Leser wird diesen Namen
mit einem Fragezeichen begrüßen: Wer war, wer ist Johann Georg Kastner? Ein
von deutschen Eltern in Straßburg entflammter (geb. den 9. März 1810) Musiker,
welcher seit 1835 in Paris wirkte und daselbst (19. Dezember) 1867 gestorben ist.
Um die Musik in Frankreich hat sich Kastner mannichfache Verdienste erworben.
Sein Name ist mit der neuesten Geschichte der Militärmusik, des Schulgesangs,
der Männerchöre in diesem Lande eng verknüpft. Die von dem Instrumenten-
macher Sax erfundenen Verbesserungen der Blasinstrumente, welche mittlerweile in
allen musikalischen Ländern angenommen, nachgeahmt oder wenigstens in einzelnen
Teilen benutzt worden sind, wären ohne das Eingreifen Kastners kaum zur Geltung
gekommen. Der musikalische Unterricht verdankt Kastner eine Reihe von Lehr¬
büchern, in denen ein reiches, vielseitiges Wissen nud eine außerordentlich feine
Beobachtung in sehr eingänglicher und fördernder Form niedergelegt sind. In
Deutschland ist er innerhalb der Fachkreise wenig, außerhalb derselben Wohl gar
nicht bekannt geworden. Ju unsern musikalischen Wörterbüchern wird er ziemlich
kurz behandelt; die gleichzeitigen Zeitschriften enthalten in der Periode, wo er als
Opernkomponist nach einer Stellung rang, spärliche Notizen; deutsche Musiker,
welche sich in Paris aufhielte», widmen ihm anerkennende Zeilen, die mehr dem
liebenswürdigen Menschen als dem Künstler gelten. Die ausführlichste Skizze
Kastners, der wir in der deutschen Literatur begegnet sind, giebt Hanslick in seinem
Berichte über die Pariser Weltausstellung vom Jahre 1867, und in ihr ist die
Lebensarbeit und das künstlerische Wesen Kastners als das eines interessanten
Sonderlings aufgefaßt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/448>, abgerufen am 28.04.2024.