Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Ein Jubiläum.
2.

is Bismarck in die Stellung eintrat, die er jetzt ein Viertel¬
jahrhundert inne hat, war er im Besitze seiner besten Mannes¬
kraft, und in der That bedürfte er dessen, um der Lage gewachsen
zu bleiben. Die Flut der Geschäfte, die auf ihn eindrang, als
er die " Auerswaldshöhle" bezogen hatte, war so massenhaft,
daß sie jeden andern wahrscheinlich überwältigt hätte: aber er besaß drei seltene
Gaben: die, instinktmäßig bei jeder Gelegenheit den Punkt zu finden, ans den
es ankam, die, immer den richtigen Ausdruck für seine Gedanken und Absichten
zu treffen, und die, von den Thatsachen zu lernen und mit ihnen zu rechnen,
mit ihnen sich zu wenden. Mit diesen Eigenschaften hatte er sich, während die
Liberalen ihn noch wie 1848 als beschränkten märkischen Junker, als leicht¬
fertigen Heißsporn seiner Partei ansahen, der sich durch nicht viel mehr als
"scmglanten" Witz auszeichne, in der Stille zum ersten Staatsmanne seiner Zeit
ausgebildet. Die Illusionen über Österreich, mit denen er vielleicht noch nach
Frankfurt gegangen war -- vielleicht; denn zu Georg Beseler hatte er bei seiner
Abreise geäußert, "der Deputirte von Mansfeld werde sehen, daß sie beide in
der deutschen Frage sich nicht so fern stünden, wie es wohl den Anschein habe" --,
hatte er während seiner Thätigkeit als Bundestagsgesandter vollständig abge¬
streift und war zu der festen Überzeugung gelangt, daß es die nächste und
wichtigste Aufgabe der preußischen Politik sei, nach vorheriger Verstärkung ihrer
Heeresmacht die in der deutschen Nation schlummernde Kraft von dem Druck
und den Ränken der unter Schwarzenberg übermütig gewordenen Wiener Po¬
litik zu befreien.


Grenzboten IV. 1887. 14


Ein Jubiläum.
2.

is Bismarck in die Stellung eintrat, die er jetzt ein Viertel¬
jahrhundert inne hat, war er im Besitze seiner besten Mannes¬
kraft, und in der That bedürfte er dessen, um der Lage gewachsen
zu bleiben. Die Flut der Geschäfte, die auf ihn eindrang, als
er die „ Auerswaldshöhle" bezogen hatte, war so massenhaft,
daß sie jeden andern wahrscheinlich überwältigt hätte: aber er besaß drei seltene
Gaben: die, instinktmäßig bei jeder Gelegenheit den Punkt zu finden, ans den
es ankam, die, immer den richtigen Ausdruck für seine Gedanken und Absichten
zu treffen, und die, von den Thatsachen zu lernen und mit ihnen zu rechnen,
mit ihnen sich zu wenden. Mit diesen Eigenschaften hatte er sich, während die
Liberalen ihn noch wie 1848 als beschränkten märkischen Junker, als leicht¬
fertigen Heißsporn seiner Partei ansahen, der sich durch nicht viel mehr als
„scmglanten" Witz auszeichne, in der Stille zum ersten Staatsmanne seiner Zeit
ausgebildet. Die Illusionen über Österreich, mit denen er vielleicht noch nach
Frankfurt gegangen war — vielleicht; denn zu Georg Beseler hatte er bei seiner
Abreise geäußert, „der Deputirte von Mansfeld werde sehen, daß sie beide in
der deutschen Frage sich nicht so fern stünden, wie es wohl den Anschein habe" —,
hatte er während seiner Thätigkeit als Bundestagsgesandter vollständig abge¬
streift und war zu der festen Überzeugung gelangt, daß es die nächste und
wichtigste Aufgabe der preußischen Politik sei, nach vorheriger Verstärkung ihrer
Heeresmacht die in der deutschen Nation schlummernde Kraft von dem Druck
und den Ränken der unter Schwarzenberg übermütig gewordenen Wiener Po¬
litik zu befreien.


Grenzboten IV. 1887. 14
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201542"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341845_201428/figures/grenzboten_341845_201428_201542_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ein Jubiläum.<lb/>
2. </head><lb/>
          <p xml:id="ID_256"> is Bismarck in die Stellung eintrat, die er jetzt ein Viertel¬<lb/>
jahrhundert inne hat, war er im Besitze seiner besten Mannes¬<lb/>
kraft, und in der That bedürfte er dessen, um der Lage gewachsen<lb/>
zu bleiben. Die Flut der Geschäfte, die auf ihn eindrang, als<lb/>
er die &#x201E; Auerswaldshöhle" bezogen hatte, war so massenhaft,<lb/>
daß sie jeden andern wahrscheinlich überwältigt hätte: aber er besaß drei seltene<lb/>
Gaben: die, instinktmäßig bei jeder Gelegenheit den Punkt zu finden, ans den<lb/>
es ankam, die, immer den richtigen Ausdruck für seine Gedanken und Absichten<lb/>
zu treffen, und die, von den Thatsachen zu lernen und mit ihnen zu rechnen,<lb/>
mit ihnen sich zu wenden. Mit diesen Eigenschaften hatte er sich, während die<lb/>
Liberalen ihn noch wie 1848 als beschränkten märkischen Junker, als leicht¬<lb/>
fertigen Heißsporn seiner Partei ansahen, der sich durch nicht viel mehr als<lb/>
&#x201E;scmglanten" Witz auszeichne, in der Stille zum ersten Staatsmanne seiner Zeit<lb/>
ausgebildet. Die Illusionen über Österreich, mit denen er vielleicht noch nach<lb/>
Frankfurt gegangen war &#x2014; vielleicht; denn zu Georg Beseler hatte er bei seiner<lb/>
Abreise geäußert, &#x201E;der Deputirte von Mansfeld werde sehen, daß sie beide in<lb/>
der deutschen Frage sich nicht so fern stünden, wie es wohl den Anschein habe" &#x2014;,<lb/>
hatte er während seiner Thätigkeit als Bundestagsgesandter vollständig abge¬<lb/>
streift und war zu der festen Überzeugung gelangt, daß es die nächste und<lb/>
wichtigste Aufgabe der preußischen Politik sei, nach vorheriger Verstärkung ihrer<lb/>
Heeresmacht die in der deutschen Nation schlummernde Kraft von dem Druck<lb/>
und den Ränken der unter Schwarzenberg übermütig gewordenen Wiener Po¬<lb/>
litik zu befreien.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1887. 14</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0113] [Abbildung] Ein Jubiläum. 2. is Bismarck in die Stellung eintrat, die er jetzt ein Viertel¬ jahrhundert inne hat, war er im Besitze seiner besten Mannes¬ kraft, und in der That bedürfte er dessen, um der Lage gewachsen zu bleiben. Die Flut der Geschäfte, die auf ihn eindrang, als er die „ Auerswaldshöhle" bezogen hatte, war so massenhaft, daß sie jeden andern wahrscheinlich überwältigt hätte: aber er besaß drei seltene Gaben: die, instinktmäßig bei jeder Gelegenheit den Punkt zu finden, ans den es ankam, die, immer den richtigen Ausdruck für seine Gedanken und Absichten zu treffen, und die, von den Thatsachen zu lernen und mit ihnen zu rechnen, mit ihnen sich zu wenden. Mit diesen Eigenschaften hatte er sich, während die Liberalen ihn noch wie 1848 als beschränkten märkischen Junker, als leicht¬ fertigen Heißsporn seiner Partei ansahen, der sich durch nicht viel mehr als „scmglanten" Witz auszeichne, in der Stille zum ersten Staatsmanne seiner Zeit ausgebildet. Die Illusionen über Österreich, mit denen er vielleicht noch nach Frankfurt gegangen war — vielleicht; denn zu Georg Beseler hatte er bei seiner Abreise geäußert, „der Deputirte von Mansfeld werde sehen, daß sie beide in der deutschen Frage sich nicht so fern stünden, wie es wohl den Anschein habe" —, hatte er während seiner Thätigkeit als Bundestagsgesandter vollständig abge¬ streift und war zu der festen Überzeugung gelangt, daß es die nächste und wichtigste Aufgabe der preußischen Politik sei, nach vorheriger Verstärkung ihrer Heeresmacht die in der deutschen Nation schlummernde Kraft von dem Druck und den Ränken der unter Schwarzenberg übermütig gewordenen Wiener Po¬ litik zu befreien. Grenzboten IV. 1887. 14

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/113
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/113>, abgerufen am 01.05.2024.