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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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übrigen Herren, vertröstet auch Grad die Arbeiter auf Ersatz in einem bessern
Jenseits.

Nach den Thatsachen, die wir nach den Ergebnissen der Herknerschen Unter¬
suchung der Lage der Fabrikarbeiter im Oberelsaß mitgeteilt haben, nach der
Geschichte der Bestrebungen zur Hebung dieser Lage, welche unser Buch erzählt,
und namentlich nach der Charakterisirung der Wohlfahrtseinrichtungen, welche
die Fabrikanten aus eignem Antriebe und nach eignem Belieben, angeblich allein
oder doch vorwiegend zu Gunsten der Arbeiter, getroffen haben, ist wenig mehr
über die zuletzt angeführten Behauptungen der Elsasser Manchestermänner zu
sagen. Nur die Summe mag noch gezogen werden, und diese lautet fol¬
gendermaßen. Die Fabrikarbeiterschaft des Oberelsaß, soweit sie hier in Betracht
kommt, befindet sich in sehr vielen Beziehungen unzweifelhaft schlechter als die
ähnlichen Arbeiterkreise in Altdeutschland. Die vielgepriesene Fürsorge der
Fabrikanten für sie, deren Maßregeln und Einrichtungen haben den Hauptzweck
und die Hauptwirkung, die Arbeiter wirtschaftlich, moralisch und politisch in Ab¬
hängigkeit von den Arbeitgebern zu erhalten. Letztere fürchten nur zwei Dinge.
Das eine ist die Möglichkeit, daß der Arbeiter selbst versucht, sich wirtschaftlich,
moralisch und politisch freier zu machen; daher die stete Abmahnung vor Arbeits¬
einstellungen und Gewerkvereinen, die selbst in den radikalsten Programmen der
Arbeitgeber sich vernehmen läßt. Das andre ist der Fall, daß der Staat sich zu
Gunsten der Arbeiter einmischt, daß sein Griff das Unterwürfigkeitsverhültnis dieser
Hörigen lockert oder ganz löst, und daß sich die Herzen der so emanzipirten
dann diesem Schützer, Befreier und Förderer zuwenden.

In einem letzten Abschnitte werden wir sehen, was die Negierung bisher in
der Angelegenheit gethan hat, dann einen Blick auf die Stellung thun, welche der
katholische Klerus zu ihr einnimmt, und zuletzt einiges aus den Schlußbemer¬
kungen Herlners mitteilen.




Die Geheimbundsprozesse in Deutschland.
von Ludwig Fuld.

n den denkwürdigen Sommertagen des Jahres 1878 äußerte
Heinrich von Treitschke bei einer Befürwortung des Ausnahme¬
gesetzes gegen die Sozialdemokratie, der Charakter des deutschen
Volkes sei der Geheimbündelei abgeneigt und man brauche nicht
die Befürchtung zu hegen, die Folge des Znrückdrüngens der
sozialdemokratischen Agitation aus der Öffentlichkeit werde die Bildung von


übrigen Herren, vertröstet auch Grad die Arbeiter auf Ersatz in einem bessern
Jenseits.

Nach den Thatsachen, die wir nach den Ergebnissen der Herknerschen Unter¬
suchung der Lage der Fabrikarbeiter im Oberelsaß mitgeteilt haben, nach der
Geschichte der Bestrebungen zur Hebung dieser Lage, welche unser Buch erzählt,
und namentlich nach der Charakterisirung der Wohlfahrtseinrichtungen, welche
die Fabrikanten aus eignem Antriebe und nach eignem Belieben, angeblich allein
oder doch vorwiegend zu Gunsten der Arbeiter, getroffen haben, ist wenig mehr
über die zuletzt angeführten Behauptungen der Elsasser Manchestermänner zu
sagen. Nur die Summe mag noch gezogen werden, und diese lautet fol¬
gendermaßen. Die Fabrikarbeiterschaft des Oberelsaß, soweit sie hier in Betracht
kommt, befindet sich in sehr vielen Beziehungen unzweifelhaft schlechter als die
ähnlichen Arbeiterkreise in Altdeutschland. Die vielgepriesene Fürsorge der
Fabrikanten für sie, deren Maßregeln und Einrichtungen haben den Hauptzweck
und die Hauptwirkung, die Arbeiter wirtschaftlich, moralisch und politisch in Ab¬
hängigkeit von den Arbeitgebern zu erhalten. Letztere fürchten nur zwei Dinge.
Das eine ist die Möglichkeit, daß der Arbeiter selbst versucht, sich wirtschaftlich,
moralisch und politisch freier zu machen; daher die stete Abmahnung vor Arbeits¬
einstellungen und Gewerkvereinen, die selbst in den radikalsten Programmen der
Arbeitgeber sich vernehmen läßt. Das andre ist der Fall, daß der Staat sich zu
Gunsten der Arbeiter einmischt, daß sein Griff das Unterwürfigkeitsverhültnis dieser
Hörigen lockert oder ganz löst, und daß sich die Herzen der so emanzipirten
dann diesem Schützer, Befreier und Förderer zuwenden.

In einem letzten Abschnitte werden wir sehen, was die Negierung bisher in
der Angelegenheit gethan hat, dann einen Blick auf die Stellung thun, welche der
katholische Klerus zu ihr einnimmt, und zuletzt einiges aus den Schlußbemer¬
kungen Herlners mitteilen.




Die Geheimbundsprozesse in Deutschland.
von Ludwig Fuld.

n den denkwürdigen Sommertagen des Jahres 1878 äußerte
Heinrich von Treitschke bei einer Befürwortung des Ausnahme¬
gesetzes gegen die Sozialdemokratie, der Charakter des deutschen
Volkes sei der Geheimbündelei abgeneigt und man brauche nicht
die Befürchtung zu hegen, die Folge des Znrückdrüngens der
sozialdemokratischen Agitation aus der Öffentlichkeit werde die Bildung von


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[0173] übrigen Herren, vertröstet auch Grad die Arbeiter auf Ersatz in einem bessern Jenseits. Nach den Thatsachen, die wir nach den Ergebnissen der Herknerschen Unter¬ suchung der Lage der Fabrikarbeiter im Oberelsaß mitgeteilt haben, nach der Geschichte der Bestrebungen zur Hebung dieser Lage, welche unser Buch erzählt, und namentlich nach der Charakterisirung der Wohlfahrtseinrichtungen, welche die Fabrikanten aus eignem Antriebe und nach eignem Belieben, angeblich allein oder doch vorwiegend zu Gunsten der Arbeiter, getroffen haben, ist wenig mehr über die zuletzt angeführten Behauptungen der Elsasser Manchestermänner zu sagen. Nur die Summe mag noch gezogen werden, und diese lautet fol¬ gendermaßen. Die Fabrikarbeiterschaft des Oberelsaß, soweit sie hier in Betracht kommt, befindet sich in sehr vielen Beziehungen unzweifelhaft schlechter als die ähnlichen Arbeiterkreise in Altdeutschland. Die vielgepriesene Fürsorge der Fabrikanten für sie, deren Maßregeln und Einrichtungen haben den Hauptzweck und die Hauptwirkung, die Arbeiter wirtschaftlich, moralisch und politisch in Ab¬ hängigkeit von den Arbeitgebern zu erhalten. Letztere fürchten nur zwei Dinge. Das eine ist die Möglichkeit, daß der Arbeiter selbst versucht, sich wirtschaftlich, moralisch und politisch freier zu machen; daher die stete Abmahnung vor Arbeits¬ einstellungen und Gewerkvereinen, die selbst in den radikalsten Programmen der Arbeitgeber sich vernehmen läßt. Das andre ist der Fall, daß der Staat sich zu Gunsten der Arbeiter einmischt, daß sein Griff das Unterwürfigkeitsverhültnis dieser Hörigen lockert oder ganz löst, und daß sich die Herzen der so emanzipirten dann diesem Schützer, Befreier und Förderer zuwenden. In einem letzten Abschnitte werden wir sehen, was die Negierung bisher in der Angelegenheit gethan hat, dann einen Blick auf die Stellung thun, welche der katholische Klerus zu ihr einnimmt, und zuletzt einiges aus den Schlußbemer¬ kungen Herlners mitteilen. Die Geheimbundsprozesse in Deutschland. von Ludwig Fuld. n den denkwürdigen Sommertagen des Jahres 1878 äußerte Heinrich von Treitschke bei einer Befürwortung des Ausnahme¬ gesetzes gegen die Sozialdemokratie, der Charakter des deutschen Volkes sei der Geheimbündelei abgeneigt und man brauche nicht die Befürchtung zu hegen, die Folge des Znrückdrüngens der sozialdemokratischen Agitation aus der Öffentlichkeit werde die Bildung von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/173>, abgerufen am 01.05.2024.