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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Gevatter Tod.
Line Weihnachtsgeschichte von T. Butte. Erstes Kapitel.
Das Geheimnis des Vudes.

s war einmal ein kleiner Knabe, bei dem stand der Tod Gevatter,
Von der Familie war es eigentlich nicht so bestimmt, sondern der
Tod selber war auf diesen Einfall gekommen, und der hat eine
ganz eigne Art und Weise, das durchzusetzen, was er sich einmal vor¬
genommen hat. Die Sache kam ganz natürlich und trug sich fol¬
gendermaßen zu.

Der kleine Knabe lag rosig und gesund in seiner Wiege, und schlief den
größten Teil des Tages. Der Tod starrte auf ihn hernieder mit seinen großen,
leeren Augenhöhlen, die er immer weit geöffnet hielt. Das fiel ihm freilich
nicht schwer, denn so viel man sehen konnte, war weder etwas zum Schließen
derselben da, noch ein Grund, weshalb er sie hätte schließen sollen.

Der kleine Knabe hatte erst ganz kürzlich das Licht der Welt erblickt, aber
der Tod war bereits ein alter Hausfreund.

Der kleine Knabe war der erstgeborne Sohn des jungen Schulmeisters
und seiner Frau, der Schatz ihres Hauses, und da lag er nun in ihrem Hause,
aber auch der Tod war zugegen als alter Freund der Familie. Den Platz
hatte er nun einmal eingenommen, und den behielt er auch, aber die Verteidigung
desselben kostete mehr als einen Kampf.

An der Wand im SchlaMmmerlein des Schulmeisters hatte der Tod
seinen Platz, mitten in einem alten Bilde. Wie ein Riese unter winzig kleinen
Geschöpfen stand er dort mit den großen, schwarzen Augen, die aussahen, als
könnten sie in die entlegensten Winkel und Ecken der Erde dringen, um ihre Beute
zu erspähe", und mit dem wunderlich lachenden, offenen Munde, der mit zwei




Gevatter Tod.
Line Weihnachtsgeschichte von T. Butte. Erstes Kapitel.
Das Geheimnis des Vudes.

s war einmal ein kleiner Knabe, bei dem stand der Tod Gevatter,
Von der Familie war es eigentlich nicht so bestimmt, sondern der
Tod selber war auf diesen Einfall gekommen, und der hat eine
ganz eigne Art und Weise, das durchzusetzen, was er sich einmal vor¬
genommen hat. Die Sache kam ganz natürlich und trug sich fol¬
gendermaßen zu.

Der kleine Knabe lag rosig und gesund in seiner Wiege, und schlief den
größten Teil des Tages. Der Tod starrte auf ihn hernieder mit seinen großen,
leeren Augenhöhlen, die er immer weit geöffnet hielt. Das fiel ihm freilich
nicht schwer, denn so viel man sehen konnte, war weder etwas zum Schließen
derselben da, noch ein Grund, weshalb er sie hätte schließen sollen.

Der kleine Knabe hatte erst ganz kürzlich das Licht der Welt erblickt, aber
der Tod war bereits ein alter Hausfreund.

Der kleine Knabe war der erstgeborne Sohn des jungen Schulmeisters
und seiner Frau, der Schatz ihres Hauses, und da lag er nun in ihrem Hause,
aber auch der Tod war zugegen als alter Freund der Familie. Den Platz
hatte er nun einmal eingenommen, und den behielt er auch, aber die Verteidigung
desselben kostete mehr als einen Kampf.

An der Wand im SchlaMmmerlein des Schulmeisters hatte der Tod
seinen Platz, mitten in einem alten Bilde. Wie ein Riese unter winzig kleinen
Geschöpfen stand er dort mit den großen, schwarzen Augen, die aussahen, als
könnten sie in die entlegensten Winkel und Ecken der Erde dringen, um ihre Beute
zu erspähe», und mit dem wunderlich lachenden, offenen Munde, der mit zwei


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[0404] [Abbildung] Gevatter Tod. Line Weihnachtsgeschichte von T. Butte. Erstes Kapitel. Das Geheimnis des Vudes. s war einmal ein kleiner Knabe, bei dem stand der Tod Gevatter, Von der Familie war es eigentlich nicht so bestimmt, sondern der Tod selber war auf diesen Einfall gekommen, und der hat eine ganz eigne Art und Weise, das durchzusetzen, was er sich einmal vor¬ genommen hat. Die Sache kam ganz natürlich und trug sich fol¬ gendermaßen zu. Der kleine Knabe lag rosig und gesund in seiner Wiege, und schlief den größten Teil des Tages. Der Tod starrte auf ihn hernieder mit seinen großen, leeren Augenhöhlen, die er immer weit geöffnet hielt. Das fiel ihm freilich nicht schwer, denn so viel man sehen konnte, war weder etwas zum Schließen derselben da, noch ein Grund, weshalb er sie hätte schließen sollen. Der kleine Knabe hatte erst ganz kürzlich das Licht der Welt erblickt, aber der Tod war bereits ein alter Hausfreund. Der kleine Knabe war der erstgeborne Sohn des jungen Schulmeisters und seiner Frau, der Schatz ihres Hauses, und da lag er nun in ihrem Hause, aber auch der Tod war zugegen als alter Freund der Familie. Den Platz hatte er nun einmal eingenommen, und den behielt er auch, aber die Verteidigung desselben kostete mehr als einen Kampf. An der Wand im SchlaMmmerlein des Schulmeisters hatte der Tod seinen Platz, mitten in einem alten Bilde. Wie ein Riese unter winzig kleinen Geschöpfen stand er dort mit den großen, schwarzen Augen, die aussahen, als könnten sie in die entlegensten Winkel und Ecken der Erde dringen, um ihre Beute zu erspähe», und mit dem wunderlich lachenden, offenen Munde, der mit zwei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/404>, abgerufen am 01.05.2024.