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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

Und Wie wunderbar schön wurde es im Walde, als der Abend hereinbrach,
als die Schatten länger wurden und die Strahlen der untergehenden Sonne
schräg durchs Laub fielen -- das war wie ein Märchen voller Wunder! Wer
hätte nur geglaubt, daß der alte Jens so gut Versteckens spielen könnte,
während die Mutter die Reste der Mahlzeit zusammenpackte! Entweder guckte
sein alter, schwarzer Totengräberhut auf der einen Seite des Baumes hervor,
oder er verbarg ihn sorgfältig, und dann kam der Zipfel seines steifen Staats¬
rockes zum Vorschein, und stets war er höchst erstaunt darüber. Tippe legte
wirklich Ehre ein mit seiner Erziehung.

Aber das Merkwürdigste war doch die Verwandlung, die mit der Mutter
vorgegangen war. Denn als sie mit dem Einpacken fertig war, streifte sie, an¬
gesteckt von dem Frohsinn der andern, ihre Trauer und Sorge ab und nahm
Teil an ihrem Spiel. Und wie sie spielen konnte! Wie sie den kleinen Burschen
in den Armen auffing, ihn jubelnd im Kreise herumschwang, dann wieder inne¬
hielt, um ihn mit strahlenden Augen, glühenden Wangen und wogender Brust
anzusehen! Wie sie ihn küßte und an ihr Herz preßte, als wolle sie ihn nie
wieder loslassen! Ja, wer immer so spielen könnte, ewig, ohne Ende!

(Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Friedrich II. in der bildenden Kunst.

Zum fünften male ist in diesem
Jahre an den berühmten Physiologen Du Bois-Reymond als Sekretär der Ber¬
liner Akademie der Wissenschaften die Aufgabe herangetreten, Friedrich den Großen
zu feiern. Hatte er früher bei dem gleichen Anlasse seinen Stoff aus ihm näher
liegenden Gebieten gegriffen, so gab ihm diesmal die Berliner Jubiläumsausstellung
des Jahres 1836 den Anlaß, das Verhältnis seines Helden zur bildenden Kunst
zu besprechen. Denn dies ist sein Thema, während die Ueberschrift glauben machen
könnte, daß es fich darum handle, zu zeigen, wie die bildende Kunst sich zu dem
großen König gestellt habe, eine Frage, welche nur gestreift wird. Das Unter¬
nehmen, auch einmal zusammenzufassen -- oder richtiger: einmal wieder, da Ernst
Curtius, wie der Redner zu erwähnen nicht unterläßt, vor neun Jahren schon
einen Vortrag "Friedrich II. und die bildenden Künste" ebenfalls in der Akademie
gehalten hat --, was den König von einer seltner beachteten Seite zeigt, bedürfte
keiner Rechtfertigung; vollends erweist die beiläufige Erwähnung von "Stimmen,"
welche die Akademie wegen der Huldigungen, die sie ihrem Erneuerer darbringt,
"des Byzantinismus zeihen," den Inhabern solcher Stimmen eine ganz unverdiente
Ehre. Neues über den Gegenstand konnte man von dem vielseitigen Redner billiger-


Kleinere Mitteilungen.

Und Wie wunderbar schön wurde es im Walde, als der Abend hereinbrach,
als die Schatten länger wurden und die Strahlen der untergehenden Sonne
schräg durchs Laub fielen — das war wie ein Märchen voller Wunder! Wer
hätte nur geglaubt, daß der alte Jens so gut Versteckens spielen könnte,
während die Mutter die Reste der Mahlzeit zusammenpackte! Entweder guckte
sein alter, schwarzer Totengräberhut auf der einen Seite des Baumes hervor,
oder er verbarg ihn sorgfältig, und dann kam der Zipfel seines steifen Staats¬
rockes zum Vorschein, und stets war er höchst erstaunt darüber. Tippe legte
wirklich Ehre ein mit seiner Erziehung.

Aber das Merkwürdigste war doch die Verwandlung, die mit der Mutter
vorgegangen war. Denn als sie mit dem Einpacken fertig war, streifte sie, an¬
gesteckt von dem Frohsinn der andern, ihre Trauer und Sorge ab und nahm
Teil an ihrem Spiel. Und wie sie spielen konnte! Wie sie den kleinen Burschen
in den Armen auffing, ihn jubelnd im Kreise herumschwang, dann wieder inne¬
hielt, um ihn mit strahlenden Augen, glühenden Wangen und wogender Brust
anzusehen! Wie sie ihn küßte und an ihr Herz preßte, als wolle sie ihn nie
wieder loslassen! Ja, wer immer so spielen könnte, ewig, ohne Ende!

(Fortsetzung folgt.)




Kleinere Mitteilungen.
Friedrich II. in der bildenden Kunst.

Zum fünften male ist in diesem
Jahre an den berühmten Physiologen Du Bois-Reymond als Sekretär der Ber¬
liner Akademie der Wissenschaften die Aufgabe herangetreten, Friedrich den Großen
zu feiern. Hatte er früher bei dem gleichen Anlasse seinen Stoff aus ihm näher
liegenden Gebieten gegriffen, so gab ihm diesmal die Berliner Jubiläumsausstellung
des Jahres 1836 den Anlaß, das Verhältnis seines Helden zur bildenden Kunst
zu besprechen. Denn dies ist sein Thema, während die Ueberschrift glauben machen
könnte, daß es fich darum handle, zu zeigen, wie die bildende Kunst sich zu dem
großen König gestellt habe, eine Frage, welche nur gestreift wird. Das Unter¬
nehmen, auch einmal zusammenzufassen — oder richtiger: einmal wieder, da Ernst
Curtius, wie der Redner zu erwähnen nicht unterläßt, vor neun Jahren schon
einen Vortrag „Friedrich II. und die bildenden Künste" ebenfalls in der Akademie
gehalten hat —, was den König von einer seltner beachteten Seite zeigt, bedürfte
keiner Rechtfertigung; vollends erweist die beiläufige Erwähnung von „Stimmen,"
welche die Akademie wegen der Huldigungen, die sie ihrem Erneuerer darbringt,
„des Byzantinismus zeihen," den Inhabern solcher Stimmen eine ganz unverdiente
Ehre. Neues über den Gegenstand konnte man von dem vielseitigen Redner billiger-


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[0508] Kleinere Mitteilungen. Und Wie wunderbar schön wurde es im Walde, als der Abend hereinbrach, als die Schatten länger wurden und die Strahlen der untergehenden Sonne schräg durchs Laub fielen — das war wie ein Märchen voller Wunder! Wer hätte nur geglaubt, daß der alte Jens so gut Versteckens spielen könnte, während die Mutter die Reste der Mahlzeit zusammenpackte! Entweder guckte sein alter, schwarzer Totengräberhut auf der einen Seite des Baumes hervor, oder er verbarg ihn sorgfältig, und dann kam der Zipfel seines steifen Staats¬ rockes zum Vorschein, und stets war er höchst erstaunt darüber. Tippe legte wirklich Ehre ein mit seiner Erziehung. Aber das Merkwürdigste war doch die Verwandlung, die mit der Mutter vorgegangen war. Denn als sie mit dem Einpacken fertig war, streifte sie, an¬ gesteckt von dem Frohsinn der andern, ihre Trauer und Sorge ab und nahm Teil an ihrem Spiel. Und wie sie spielen konnte! Wie sie den kleinen Burschen in den Armen auffing, ihn jubelnd im Kreise herumschwang, dann wieder inne¬ hielt, um ihn mit strahlenden Augen, glühenden Wangen und wogender Brust anzusehen! Wie sie ihn küßte und an ihr Herz preßte, als wolle sie ihn nie wieder loslassen! Ja, wer immer so spielen könnte, ewig, ohne Ende! (Fortsetzung folgt.) Kleinere Mitteilungen. Friedrich II. in der bildenden Kunst. Zum fünften male ist in diesem Jahre an den berühmten Physiologen Du Bois-Reymond als Sekretär der Ber¬ liner Akademie der Wissenschaften die Aufgabe herangetreten, Friedrich den Großen zu feiern. Hatte er früher bei dem gleichen Anlasse seinen Stoff aus ihm näher liegenden Gebieten gegriffen, so gab ihm diesmal die Berliner Jubiläumsausstellung des Jahres 1836 den Anlaß, das Verhältnis seines Helden zur bildenden Kunst zu besprechen. Denn dies ist sein Thema, während die Ueberschrift glauben machen könnte, daß es fich darum handle, zu zeigen, wie die bildende Kunst sich zu dem großen König gestellt habe, eine Frage, welche nur gestreift wird. Das Unter¬ nehmen, auch einmal zusammenzufassen — oder richtiger: einmal wieder, da Ernst Curtius, wie der Redner zu erwähnen nicht unterläßt, vor neun Jahren schon einen Vortrag „Friedrich II. und die bildenden Künste" ebenfalls in der Akademie gehalten hat —, was den König von einer seltner beachteten Seite zeigt, bedürfte keiner Rechtfertigung; vollends erweist die beiläufige Erwähnung von „Stimmen," welche die Akademie wegen der Huldigungen, die sie ihrem Erneuerer darbringt, „des Byzantinismus zeihen," den Inhabern solcher Stimmen eine ganz unverdiente Ehre. Neues über den Gegenstand konnte man von dem vielseitigen Redner billiger-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/508>, abgerufen am 01.05.2024.