Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Für die Postsparkasse.

570

sie bisher halb war, die Beute eines Schwarmes zwerghafter oder mittelmäßiger
Politiker, zu vergleichen mit dem schlafenden Riesenleibe Gullivers, an welchem
die Liliputaner auf Leitern auf- und abklettern.




Für die Postsparkasse.

> el Besprechung des Sparkassenwesens brachte jüngst eine der ge-
lesensten Zeitungen Deutschlands die Mitteilung, daß in West-
Preußen auf 263 Quadratkilometer, in Ostpreußen auf 293
Quadratkilometer, im Bezirk Dresden aber auf 80 Quadrat¬
kilometer eine "Sparstelle" komme.

Gäbe es Karten von Deutschland, die alle Orte und Wohnstätten enthielten,
die Ortsnamen aber in Farbe verschieden darnach, ob sie Sparkassen haben oder
nicht, so würde die schwarze Farbe, wenn sie für die Orte ohne Sparkasse
gewählt wurde, gar sehr vorherrschen. Sachsen und andre mit Sparkassen an¬
geblich gut versorgte Landschaften blieben immer noch recht dunkel. Flächen
von 80 Quadratkilometern, etwa 5^ Quadratstunden gleich, sind in dicht be¬
völkerten Landstrichen mit 60 und mehr Gemarkungen (Gemeinden) bedeckt; die
größte derselben hätte dann eine Sparkasse, die andern 59 Orte hätten keine.

Wenn in einem Lande, das, wie Deutschland, hervorragendes leistet in
Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Zustände, auch nur die Hälfte seiner
Einwohner den Segen der Sparkassen entbehren muß, weil es an solchen
mangelt, so ist dieses eine große Ungerechtigkeit, die zu beseitigen eine dringende
Pflicht ist. Wessen Pflicht? Zunächst der Selbsthilfe und Selbstverwaltung; beide
haben auch in Gründung und Fortführung von Sparkassen großes und mehr voll¬
bracht, als dem Staate möglich gewesen wäre. Da aber trotz dieser seit einigen
Menschenaltern rühmlich bethätigten Wirksamkeit des Volkes noch große Lücken
im Sparkassenwesen bestehen, so werden die Sparkassen auch etwas Staatshilfe
bedürfen, um deu vermehrten und erhöhte" Anforderungen an Sparkassen zu
entsprechen und wenigstens beim Sparen Vorrechte und Beschränkungen zu be¬
seitigen. Wie der Reiche seine Kapitalien in Wertpapieren und in Sparkassen
bergen kann, so muß auch der Arme Gelegenheit haben, seine Sparpfennige,
abseits von dem Drange der Tagesausgaben, vor Anfechtung zu bewahren.
Dieses könnte wohl schon mittels Pfennigsparkassen geschehen, allein diese müssen
in den meisten Orten unterbleiben, weil es allzuoft an den Männern fehlt, die
bereit und geeignet wären, diese kleinen Kassen so zu führen, daß keinerlei


Für die Postsparkasse.

570

sie bisher halb war, die Beute eines Schwarmes zwerghafter oder mittelmäßiger
Politiker, zu vergleichen mit dem schlafenden Riesenleibe Gullivers, an welchem
die Liliputaner auf Leitern auf- und abklettern.




Für die Postsparkasse.

> el Besprechung des Sparkassenwesens brachte jüngst eine der ge-
lesensten Zeitungen Deutschlands die Mitteilung, daß in West-
Preußen auf 263 Quadratkilometer, in Ostpreußen auf 293
Quadratkilometer, im Bezirk Dresden aber auf 80 Quadrat¬
kilometer eine „Sparstelle" komme.

Gäbe es Karten von Deutschland, die alle Orte und Wohnstätten enthielten,
die Ortsnamen aber in Farbe verschieden darnach, ob sie Sparkassen haben oder
nicht, so würde die schwarze Farbe, wenn sie für die Orte ohne Sparkasse
gewählt wurde, gar sehr vorherrschen. Sachsen und andre mit Sparkassen an¬
geblich gut versorgte Landschaften blieben immer noch recht dunkel. Flächen
von 80 Quadratkilometern, etwa 5^ Quadratstunden gleich, sind in dicht be¬
völkerten Landstrichen mit 60 und mehr Gemarkungen (Gemeinden) bedeckt; die
größte derselben hätte dann eine Sparkasse, die andern 59 Orte hätten keine.

Wenn in einem Lande, das, wie Deutschland, hervorragendes leistet in
Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Zustände, auch nur die Hälfte seiner
Einwohner den Segen der Sparkassen entbehren muß, weil es an solchen
mangelt, so ist dieses eine große Ungerechtigkeit, die zu beseitigen eine dringende
Pflicht ist. Wessen Pflicht? Zunächst der Selbsthilfe und Selbstverwaltung; beide
haben auch in Gründung und Fortführung von Sparkassen großes und mehr voll¬
bracht, als dem Staate möglich gewesen wäre. Da aber trotz dieser seit einigen
Menschenaltern rühmlich bethätigten Wirksamkeit des Volkes noch große Lücken
im Sparkassenwesen bestehen, so werden die Sparkassen auch etwas Staatshilfe
bedürfen, um deu vermehrten und erhöhte» Anforderungen an Sparkassen zu
entsprechen und wenigstens beim Sparen Vorrechte und Beschränkungen zu be¬
seitigen. Wie der Reiche seine Kapitalien in Wertpapieren und in Sparkassen
bergen kann, so muß auch der Arme Gelegenheit haben, seine Sparpfennige,
abseits von dem Drange der Tagesausgaben, vor Anfechtung zu bewahren.
Dieses könnte wohl schon mittels Pfennigsparkassen geschehen, allein diese müssen
in den meisten Orten unterbleiben, weil es allzuoft an den Männern fehlt, die
bereit und geeignet wären, diese kleinen Kassen so zu führen, daß keinerlei


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0578" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/202007"/>
          <fw type="header" place="top"> Für die Postsparkasse.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1622" prev="#ID_1621" next="#ID_1623"> 570</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1623" prev="#ID_1622"> sie bisher halb war, die Beute eines Schwarmes zwerghafter oder mittelmäßiger<lb/>
Politiker, zu vergleichen mit dem schlafenden Riesenleibe Gullivers, an welchem<lb/>
die Liliputaner auf Leitern auf- und abklettern.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Für die Postsparkasse.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1624"> &gt; el Besprechung des Sparkassenwesens brachte jüngst eine der ge-<lb/>
lesensten Zeitungen Deutschlands die Mitteilung, daß in West-<lb/>
Preußen auf 263 Quadratkilometer, in Ostpreußen auf 293<lb/>
Quadratkilometer, im Bezirk Dresden aber auf 80 Quadrat¬<lb/>
kilometer eine &#x201E;Sparstelle" komme.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1625"> Gäbe es Karten von Deutschland, die alle Orte und Wohnstätten enthielten,<lb/>
die Ortsnamen aber in Farbe verschieden darnach, ob sie Sparkassen haben oder<lb/>
nicht, so würde die schwarze Farbe, wenn sie für die Orte ohne Sparkasse<lb/>
gewählt wurde, gar sehr vorherrschen. Sachsen und andre mit Sparkassen an¬<lb/>
geblich gut versorgte Landschaften blieben immer noch recht dunkel. Flächen<lb/>
von 80 Quadratkilometern, etwa 5^ Quadratstunden gleich, sind in dicht be¬<lb/>
völkerten Landstrichen mit 60 und mehr Gemarkungen (Gemeinden) bedeckt; die<lb/>
größte derselben hätte dann eine Sparkasse, die andern 59 Orte hätten keine.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1626" next="#ID_1627"> Wenn in einem Lande, das, wie Deutschland, hervorragendes leistet in<lb/>
Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Zustände, auch nur die Hälfte seiner<lb/>
Einwohner den Segen der Sparkassen entbehren muß, weil es an solchen<lb/>
mangelt, so ist dieses eine große Ungerechtigkeit, die zu beseitigen eine dringende<lb/>
Pflicht ist. Wessen Pflicht? Zunächst der Selbsthilfe und Selbstverwaltung; beide<lb/>
haben auch in Gründung und Fortführung von Sparkassen großes und mehr voll¬<lb/>
bracht, als dem Staate möglich gewesen wäre. Da aber trotz dieser seit einigen<lb/>
Menschenaltern rühmlich bethätigten Wirksamkeit des Volkes noch große Lücken<lb/>
im Sparkassenwesen bestehen, so werden die Sparkassen auch etwas Staatshilfe<lb/>
bedürfen, um deu vermehrten und erhöhte» Anforderungen an Sparkassen zu<lb/>
entsprechen und wenigstens beim Sparen Vorrechte und Beschränkungen zu be¬<lb/>
seitigen. Wie der Reiche seine Kapitalien in Wertpapieren und in Sparkassen<lb/>
bergen kann, so muß auch der Arme Gelegenheit haben, seine Sparpfennige,<lb/>
abseits von dem Drange der Tagesausgaben, vor Anfechtung zu bewahren.<lb/>
Dieses könnte wohl schon mittels Pfennigsparkassen geschehen, allein diese müssen<lb/>
in den meisten Orten unterbleiben, weil es allzuoft an den Männern fehlt, die<lb/>
bereit und geeignet wären, diese kleinen Kassen so zu führen, daß keinerlei</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0578] Für die Postsparkasse. 570 sie bisher halb war, die Beute eines Schwarmes zwerghafter oder mittelmäßiger Politiker, zu vergleichen mit dem schlafenden Riesenleibe Gullivers, an welchem die Liliputaner auf Leitern auf- und abklettern. Für die Postsparkasse. > el Besprechung des Sparkassenwesens brachte jüngst eine der ge- lesensten Zeitungen Deutschlands die Mitteilung, daß in West- Preußen auf 263 Quadratkilometer, in Ostpreußen auf 293 Quadratkilometer, im Bezirk Dresden aber auf 80 Quadrat¬ kilometer eine „Sparstelle" komme. Gäbe es Karten von Deutschland, die alle Orte und Wohnstätten enthielten, die Ortsnamen aber in Farbe verschieden darnach, ob sie Sparkassen haben oder nicht, so würde die schwarze Farbe, wenn sie für die Orte ohne Sparkasse gewählt wurde, gar sehr vorherrschen. Sachsen und andre mit Sparkassen an¬ geblich gut versorgte Landschaften blieben immer noch recht dunkel. Flächen von 80 Quadratkilometern, etwa 5^ Quadratstunden gleich, sind in dicht be¬ völkerten Landstrichen mit 60 und mehr Gemarkungen (Gemeinden) bedeckt; die größte derselben hätte dann eine Sparkasse, die andern 59 Orte hätten keine. Wenn in einem Lande, das, wie Deutschland, hervorragendes leistet in Besserung der wirtschaftlichen und sozialen Zustände, auch nur die Hälfte seiner Einwohner den Segen der Sparkassen entbehren muß, weil es an solchen mangelt, so ist dieses eine große Ungerechtigkeit, die zu beseitigen eine dringende Pflicht ist. Wessen Pflicht? Zunächst der Selbsthilfe und Selbstverwaltung; beide haben auch in Gründung und Fortführung von Sparkassen großes und mehr voll¬ bracht, als dem Staate möglich gewesen wäre. Da aber trotz dieser seit einigen Menschenaltern rühmlich bethätigten Wirksamkeit des Volkes noch große Lücken im Sparkassenwesen bestehen, so werden die Sparkassen auch etwas Staatshilfe bedürfen, um deu vermehrten und erhöhte» Anforderungen an Sparkassen zu entsprechen und wenigstens beim Sparen Vorrechte und Beschränkungen zu be¬ seitigen. Wie der Reiche seine Kapitalien in Wertpapieren und in Sparkassen bergen kann, so muß auch der Arme Gelegenheit haben, seine Sparpfennige, abseits von dem Drange der Tagesausgaben, vor Anfechtung zu bewahren. Dieses könnte wohl schon mittels Pfennigsparkassen geschehen, allein diese müssen in den meisten Orten unterbleiben, weil es allzuoft an den Männern fehlt, die bereit und geeignet wären, diese kleinen Kassen so zu führen, daß keinerlei

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/578
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/578>, abgerufen am 01.05.2024.