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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Die Freiheit und Selbständigkeit der evangelisch-protestantischen Airche.

Wird dabei mit höchster Wahrscheinlichkeit wesentlich auf die Erzeugung der¬
selben Produkte kommen wie heute. Wenn aber dann diese Wirtschaft sich
nicht rentabel erweist, was dann? Dann wird man dem Freihandel eine Ver¬
beugung machen, den mißglückter Versuch seufzend aufgeben und den Boden
nötigenfalls unbebaut liegen lassen, nicht wahr? Wir glauben wiederum nicht!
Vielmehr glauben wir mutmaßen zu dürfen, daß unsre heutigen Agrarier die
reinen Waisenkinder sind gegenüber der Art, wie dann nach Schutzzöllen ge¬
rufen, wie dann in Zeitungen, Parlamenten und Volksversammlungen über die
Unmöglichkeit geschrieen werden würde, den landwirtschaftlichen Betrieb zu
Grunde gehen zu lassen. Dann, wenn nicht mehr deutsche Bauern und deutsche
Edelleute, sondern -- ganz andre Leute die Besitzer sein werden, dann werden
unsre Börsenblätter schon das richtige Verständnis bekommen für die Wichtigkeit
und gänzliche Unentbehrlichkeit des eignen Landbaues, und daun wird man
dem Reichstage, möge er dann zusammengesetzt sein wie er wolle, den Stand¬
punkt schon klar machen, damit er Zölle bewillige bis ins Aschgraue hinein!
Dann aber wird für die Brot- und Fleischkonsnmenten doch gewiß (zumal im
Vergleich zu den heutigen Teurungspreisen) eine goldne Zeit gekommen sein,
nicht wahr?




Die Freiheit und Selbständigkeit
der evangelisch-protestantischen Kirche.
(Schluß.)

o lag es denn im Geiste der lutherischen Reformbewegung von
vornherein und entspricht nicht bloß dem ersten Anlaufe dieser
Bewegung, daß Luther es geschehen ließ, wie es kam; die geist¬
liche Gerichtsbarkeit und die Verwaltung der Kirche ging von
selbst bei dem Mangel an bischöflichen Behörden an die landes¬
herrlichen Gewalten über, die man darum als Nvtbischöfe betrachtete. Es
wurden "Konsistorien" eingesetzt, in denen sich weltliche Beamte und Geist¬
liche als Mitglieder fanden, die die gesamte Verwaltung der Kirche und von
der Gerichtsbarkeit zumeist die Ehesachen, die kirchlich-bürgerliche Zucht, den
Kirchenbann und die Rechtsprechung über die Geistlichen hatten.

Viele betrachteten nun diesen Zustand als einen Notzustand und wollten
gegenüber dieser vermeintlich schlechten Wirklichkeit fortan wenigstens einen idealen


Die Freiheit und Selbständigkeit der evangelisch-protestantischen Airche.

Wird dabei mit höchster Wahrscheinlichkeit wesentlich auf die Erzeugung der¬
selben Produkte kommen wie heute. Wenn aber dann diese Wirtschaft sich
nicht rentabel erweist, was dann? Dann wird man dem Freihandel eine Ver¬
beugung machen, den mißglückter Versuch seufzend aufgeben und den Boden
nötigenfalls unbebaut liegen lassen, nicht wahr? Wir glauben wiederum nicht!
Vielmehr glauben wir mutmaßen zu dürfen, daß unsre heutigen Agrarier die
reinen Waisenkinder sind gegenüber der Art, wie dann nach Schutzzöllen ge¬
rufen, wie dann in Zeitungen, Parlamenten und Volksversammlungen über die
Unmöglichkeit geschrieen werden würde, den landwirtschaftlichen Betrieb zu
Grunde gehen zu lassen. Dann, wenn nicht mehr deutsche Bauern und deutsche
Edelleute, sondern — ganz andre Leute die Besitzer sein werden, dann werden
unsre Börsenblätter schon das richtige Verständnis bekommen für die Wichtigkeit
und gänzliche Unentbehrlichkeit des eignen Landbaues, und daun wird man
dem Reichstage, möge er dann zusammengesetzt sein wie er wolle, den Stand¬
punkt schon klar machen, damit er Zölle bewillige bis ins Aschgraue hinein!
Dann aber wird für die Brot- und Fleischkonsnmenten doch gewiß (zumal im
Vergleich zu den heutigen Teurungspreisen) eine goldne Zeit gekommen sein,
nicht wahr?




Die Freiheit und Selbständigkeit
der evangelisch-protestantischen Kirche.
(Schluß.)

o lag es denn im Geiste der lutherischen Reformbewegung von
vornherein und entspricht nicht bloß dem ersten Anlaufe dieser
Bewegung, daß Luther es geschehen ließ, wie es kam; die geist¬
liche Gerichtsbarkeit und die Verwaltung der Kirche ging von
selbst bei dem Mangel an bischöflichen Behörden an die landes¬
herrlichen Gewalten über, die man darum als Nvtbischöfe betrachtete. Es
wurden „Konsistorien" eingesetzt, in denen sich weltliche Beamte und Geist¬
liche als Mitglieder fanden, die die gesamte Verwaltung der Kirche und von
der Gerichtsbarkeit zumeist die Ehesachen, die kirchlich-bürgerliche Zucht, den
Kirchenbann und die Rechtsprechung über die Geistlichen hatten.

Viele betrachteten nun diesen Zustand als einen Notzustand und wollten
gegenüber dieser vermeintlich schlechten Wirklichkeit fortan wenigstens einen idealen


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[0132] Die Freiheit und Selbständigkeit der evangelisch-protestantischen Airche. Wird dabei mit höchster Wahrscheinlichkeit wesentlich auf die Erzeugung der¬ selben Produkte kommen wie heute. Wenn aber dann diese Wirtschaft sich nicht rentabel erweist, was dann? Dann wird man dem Freihandel eine Ver¬ beugung machen, den mißglückter Versuch seufzend aufgeben und den Boden nötigenfalls unbebaut liegen lassen, nicht wahr? Wir glauben wiederum nicht! Vielmehr glauben wir mutmaßen zu dürfen, daß unsre heutigen Agrarier die reinen Waisenkinder sind gegenüber der Art, wie dann nach Schutzzöllen ge¬ rufen, wie dann in Zeitungen, Parlamenten und Volksversammlungen über die Unmöglichkeit geschrieen werden würde, den landwirtschaftlichen Betrieb zu Grunde gehen zu lassen. Dann, wenn nicht mehr deutsche Bauern und deutsche Edelleute, sondern — ganz andre Leute die Besitzer sein werden, dann werden unsre Börsenblätter schon das richtige Verständnis bekommen für die Wichtigkeit und gänzliche Unentbehrlichkeit des eignen Landbaues, und daun wird man dem Reichstage, möge er dann zusammengesetzt sein wie er wolle, den Stand¬ punkt schon klar machen, damit er Zölle bewillige bis ins Aschgraue hinein! Dann aber wird für die Brot- und Fleischkonsnmenten doch gewiß (zumal im Vergleich zu den heutigen Teurungspreisen) eine goldne Zeit gekommen sein, nicht wahr? Die Freiheit und Selbständigkeit der evangelisch-protestantischen Kirche. (Schluß.) o lag es denn im Geiste der lutherischen Reformbewegung von vornherein und entspricht nicht bloß dem ersten Anlaufe dieser Bewegung, daß Luther es geschehen ließ, wie es kam; die geist¬ liche Gerichtsbarkeit und die Verwaltung der Kirche ging von selbst bei dem Mangel an bischöflichen Behörden an die landes¬ herrlichen Gewalten über, die man darum als Nvtbischöfe betrachtete. Es wurden „Konsistorien" eingesetzt, in denen sich weltliche Beamte und Geist¬ liche als Mitglieder fanden, die die gesamte Verwaltung der Kirche und von der Gerichtsbarkeit zumeist die Ehesachen, die kirchlich-bürgerliche Zucht, den Kirchenbann und die Rechtsprechung über die Geistlichen hatten. Viele betrachteten nun diesen Zustand als einen Notzustand und wollten gegenüber dieser vermeintlich schlechten Wirklichkeit fortan wenigstens einen idealen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/132>, abgerufen am 01.05.2024.