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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Der deutsche Vund.
von R. pape. (Fortsetzung.)

an sieht, daß zu einem kräftigen Auftreten nach außen der
deutsche Bund schon infolge feiner Znsammensetzung nicht fähig
war. Zu einem solchen Auftreten wäre eine unbedingte
Einigkeit zwischen Österreich und Preußen erforderlich gewesen.
Ein solches Zusammengehen dieser beiden Großmächte, ver¬
bunden mit einem mehr oder weniger sanften Drucke, an den ja die Nhein-
bundsfttrsten durch Napoleon sattsam gewöhnt waren, hätte die Gefolgschaft der
Mittel- und Kleinstaaten herbeigeführt oder erzwungen und das Widerstreben
der außerdeutschen Bundesmitglieder mindestens lahm gelegt. Ein solches
Zusammengehen der beiden Großmächte in allen oder auch nur in den meisten
Fragen der großen Politik war jedoch undenkbar, weil es einfach unmöglich
war. Dazu waren die Interessen beider zu verschieden; teilweise standen sie
sogar in schroffem Gegensatze zu einander. Preußen hätte sich geradezu zum
Vasallen Österreichs machen, sich für seiue Interessen opfern, also einen poli¬
tischen Selbstmord begehen müssen. Sobald der organische Zusammenhang
Österreichs mit Deutschland gelöst und der Machtkreis beider Staaten völlig
geschieden war, konnten sie sich gegenseitig von allergrößten Nutzen sein, wie
die Geschichte der letzten fünfzehn Jahre unwiderlegbar beweist. Die unnatür¬
liche Verbindung beider Möchte in einem unlösbaren, engern Bunde bedeutete
aber nicht eine Stärkung, sondern eine Schwächung Deutschlands. Bekannt ist
ja, wie Talleyrand am Schlüsse des Wiener Kongresses frohlockte, daß es ge¬
lungen sei, die beiden, Österreich und Preußen nämlich, nun doch zusammenzu-
koppeln und so zu lahmen.

Noch schlimmer für die Machtstellung und die Handlungsfähigkeit des
deutschen Bundes, als seine widernatürliche Zusammensetzung, waren seine Ver¬
fassung und seine innern Einrichtungen.

Da das damalige Deutschland keinen Bundesstaat, sondern nur einen
Staatenbund bildete, da es kein Oberhaupt hatte, weder unter dem Titel eines




Der deutsche Vund.
von R. pape. (Fortsetzung.)

an sieht, daß zu einem kräftigen Auftreten nach außen der
deutsche Bund schon infolge feiner Znsammensetzung nicht fähig
war. Zu einem solchen Auftreten wäre eine unbedingte
Einigkeit zwischen Österreich und Preußen erforderlich gewesen.
Ein solches Zusammengehen dieser beiden Großmächte, ver¬
bunden mit einem mehr oder weniger sanften Drucke, an den ja die Nhein-
bundsfttrsten durch Napoleon sattsam gewöhnt waren, hätte die Gefolgschaft der
Mittel- und Kleinstaaten herbeigeführt oder erzwungen und das Widerstreben
der außerdeutschen Bundesmitglieder mindestens lahm gelegt. Ein solches
Zusammengehen der beiden Großmächte in allen oder auch nur in den meisten
Fragen der großen Politik war jedoch undenkbar, weil es einfach unmöglich
war. Dazu waren die Interessen beider zu verschieden; teilweise standen sie
sogar in schroffem Gegensatze zu einander. Preußen hätte sich geradezu zum
Vasallen Österreichs machen, sich für seiue Interessen opfern, also einen poli¬
tischen Selbstmord begehen müssen. Sobald der organische Zusammenhang
Österreichs mit Deutschland gelöst und der Machtkreis beider Staaten völlig
geschieden war, konnten sie sich gegenseitig von allergrößten Nutzen sein, wie
die Geschichte der letzten fünfzehn Jahre unwiderlegbar beweist. Die unnatür¬
liche Verbindung beider Möchte in einem unlösbaren, engern Bunde bedeutete
aber nicht eine Stärkung, sondern eine Schwächung Deutschlands. Bekannt ist
ja, wie Talleyrand am Schlüsse des Wiener Kongresses frohlockte, daß es ge¬
lungen sei, die beiden, Österreich und Preußen nämlich, nun doch zusammenzu-
koppeln und so zu lahmen.

Noch schlimmer für die Machtstellung und die Handlungsfähigkeit des
deutschen Bundes, als seine widernatürliche Zusammensetzung, waren seine Ver¬
fassung und seine innern Einrichtungen.

Da das damalige Deutschland keinen Bundesstaat, sondern nur einen
Staatenbund bildete, da es kein Oberhaupt hatte, weder unter dem Titel eines


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[0290] [Abbildung] Der deutsche Vund. von R. pape. (Fortsetzung.) an sieht, daß zu einem kräftigen Auftreten nach außen der deutsche Bund schon infolge feiner Znsammensetzung nicht fähig war. Zu einem solchen Auftreten wäre eine unbedingte Einigkeit zwischen Österreich und Preußen erforderlich gewesen. Ein solches Zusammengehen dieser beiden Großmächte, ver¬ bunden mit einem mehr oder weniger sanften Drucke, an den ja die Nhein- bundsfttrsten durch Napoleon sattsam gewöhnt waren, hätte die Gefolgschaft der Mittel- und Kleinstaaten herbeigeführt oder erzwungen und das Widerstreben der außerdeutschen Bundesmitglieder mindestens lahm gelegt. Ein solches Zusammengehen der beiden Großmächte in allen oder auch nur in den meisten Fragen der großen Politik war jedoch undenkbar, weil es einfach unmöglich war. Dazu waren die Interessen beider zu verschieden; teilweise standen sie sogar in schroffem Gegensatze zu einander. Preußen hätte sich geradezu zum Vasallen Österreichs machen, sich für seiue Interessen opfern, also einen poli¬ tischen Selbstmord begehen müssen. Sobald der organische Zusammenhang Österreichs mit Deutschland gelöst und der Machtkreis beider Staaten völlig geschieden war, konnten sie sich gegenseitig von allergrößten Nutzen sein, wie die Geschichte der letzten fünfzehn Jahre unwiderlegbar beweist. Die unnatür¬ liche Verbindung beider Möchte in einem unlösbaren, engern Bunde bedeutete aber nicht eine Stärkung, sondern eine Schwächung Deutschlands. Bekannt ist ja, wie Talleyrand am Schlüsse des Wiener Kongresses frohlockte, daß es ge¬ lungen sei, die beiden, Österreich und Preußen nämlich, nun doch zusammenzu- koppeln und so zu lahmen. Noch schlimmer für die Machtstellung und die Handlungsfähigkeit des deutschen Bundes, als seine widernatürliche Zusammensetzung, waren seine Ver¬ fassung und seine innern Einrichtungen. Da das damalige Deutschland keinen Bundesstaat, sondern nur einen Staatenbund bildete, da es kein Oberhaupt hatte, weder unter dem Titel eines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/290>, abgerufen am 01.05.2024.