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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur.

"alte," aus welchen sie Kenntnis früherer Zunftznstände schöpfen könnten, die
Veröffentlichungen aus den Archiven von Lübeck, Hamburg, Danzig, Straßburg
und vielen andern Städten mit von altersher blühendem Gewerbe. Die scheinen
auf jener Seite leider nicht gelesen zu werden.

Und nun gar der Abgeordnete Baumbach! "Ob das deutsche Gewerbe so
heruntergekommen ist, daß man ihm mit Zwangsmitteln aufhelfen muß, wollen
wir einmal auf der nächsten Kunstgewerbeausstellung in München sehen, wo ich
bereit bin, mit den Herren Antragstellern zusammen mich näher über den Stand
unsers Handwerks zu unterrichten." Abgesehen davon, daß auch hier wieder Ge¬
werbe und Kunsthandwerk unterschiedslos durcheinander geworfen werden, sollte man
doch im vierten Jahrzehnt des Ausstelluugszeitalters eine solche Unschuld kaum
für möglich halten! Wie allbekannt, wird zu den Ausstellungen, wie der bevor¬
stehenden Münchner, kein Gegenstand zugelassen, der nicht von einer Kommission
für zulässig erklärt worden ist, auch eine Art von Befähigungsnachweis; und
es geht selten ohne Beschwerden zurückgewiesener ab, welche das Urteil als un¬
gerecht, parteiisch, von Konkurrenten beeinflußt oder von mangelhaftem Ver¬
ständnis eingegeben anfechten. Ebenso allgemein bekannt ist es, daß für die
Ausstellungen Schaustücke gearbeitet werden, deren Wiederholung häufig vom
Verfertiger abgelehnt wird oder werden muß, daß in gewissen Industriezweige"
die Ausstellungen nur zur Anschauung bringen, was bei besondern: Anlaß, mit
ungewöhnlichem Aufwands von Mitteln geleistet werden kann, nicht aber, wie
es ursprünglich im Gedanken solcher Wettkämpfe lag, das Durchschnittsmaß der
beständigen Leistungsfähigkeit. Wem diese Verhältnisse bekannt sind, kann un¬
möglich auf einer Ausstellung von dem Stande des Gewerbes ein richtiges und
vollständiges Bild zu erhalten hoffen; und wem sie unbekannt sind -- der
Nachsatz ergiebt sich von selbst.

Daß niemand sich gern einer Prüfung unterzieht, daß das Ergebnis einer
solchen nicht immer dem Wissen und Können des Geprüften entspricht, daß es
befangene Prüfer geben kann, das braucht uns nicht erst gesagt zu werden.
Und doch fällt es niemand ein, alle Prüfungen abzuschaffen. Mit so allge¬
meinen und teilweise so wenig begründeten Einwendungen, wie sie im Reichs¬
tage erhoben wurden, ist das Verlangen nach Schutz des soliden Handwerkes
nicht abzufertigen.




Litteratur.
Kanada, das Land und seine Leute. Von Heinrich Lcmcke. Leipziq, Eduard
Heinrich Mayer, 1837.

Da Johnsons aus Anlaß der Londoner Kolonialausstellung verfaßtes offizielles
statistisches Handbuch über Kanada nicht allein wegen seines englischen Textes,
sondern auch wegen seines beträchtlichen Umfanges selten von deutschen Lesern in
die Hand genommen werden dürfte, so füllt das Buch Lemckes in Wirklichkeit eine


Litteratur.

„alte," aus welchen sie Kenntnis früherer Zunftznstände schöpfen könnten, die
Veröffentlichungen aus den Archiven von Lübeck, Hamburg, Danzig, Straßburg
und vielen andern Städten mit von altersher blühendem Gewerbe. Die scheinen
auf jener Seite leider nicht gelesen zu werden.

Und nun gar der Abgeordnete Baumbach! „Ob das deutsche Gewerbe so
heruntergekommen ist, daß man ihm mit Zwangsmitteln aufhelfen muß, wollen
wir einmal auf der nächsten Kunstgewerbeausstellung in München sehen, wo ich
bereit bin, mit den Herren Antragstellern zusammen mich näher über den Stand
unsers Handwerks zu unterrichten." Abgesehen davon, daß auch hier wieder Ge¬
werbe und Kunsthandwerk unterschiedslos durcheinander geworfen werden, sollte man
doch im vierten Jahrzehnt des Ausstelluugszeitalters eine solche Unschuld kaum
für möglich halten! Wie allbekannt, wird zu den Ausstellungen, wie der bevor¬
stehenden Münchner, kein Gegenstand zugelassen, der nicht von einer Kommission
für zulässig erklärt worden ist, auch eine Art von Befähigungsnachweis; und
es geht selten ohne Beschwerden zurückgewiesener ab, welche das Urteil als un¬
gerecht, parteiisch, von Konkurrenten beeinflußt oder von mangelhaftem Ver¬
ständnis eingegeben anfechten. Ebenso allgemein bekannt ist es, daß für die
Ausstellungen Schaustücke gearbeitet werden, deren Wiederholung häufig vom
Verfertiger abgelehnt wird oder werden muß, daß in gewissen Industriezweige»
die Ausstellungen nur zur Anschauung bringen, was bei besondern: Anlaß, mit
ungewöhnlichem Aufwands von Mitteln geleistet werden kann, nicht aber, wie
es ursprünglich im Gedanken solcher Wettkämpfe lag, das Durchschnittsmaß der
beständigen Leistungsfähigkeit. Wem diese Verhältnisse bekannt sind, kann un¬
möglich auf einer Ausstellung von dem Stande des Gewerbes ein richtiges und
vollständiges Bild zu erhalten hoffen; und wem sie unbekannt sind — der
Nachsatz ergiebt sich von selbst.

Daß niemand sich gern einer Prüfung unterzieht, daß das Ergebnis einer
solchen nicht immer dem Wissen und Können des Geprüften entspricht, daß es
befangene Prüfer geben kann, das braucht uns nicht erst gesagt zu werden.
Und doch fällt es niemand ein, alle Prüfungen abzuschaffen. Mit so allge¬
meinen und teilweise so wenig begründeten Einwendungen, wie sie im Reichs¬
tage erhoben wurden, ist das Verlangen nach Schutz des soliden Handwerkes
nicht abzufertigen.




Litteratur.
Kanada, das Land und seine Leute. Von Heinrich Lcmcke. Leipziq, Eduard
Heinrich Mayer, 1837.

Da Johnsons aus Anlaß der Londoner Kolonialausstellung verfaßtes offizielles
statistisches Handbuch über Kanada nicht allein wegen seines englischen Textes,
sondern auch wegen seines beträchtlichen Umfanges selten von deutschen Lesern in
die Hand genommen werden dürfte, so füllt das Buch Lemckes in Wirklichkeit eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/612>, abgerufen am 01.05.2024.