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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Privatklage.

ein Maurerpolier derart mit dem Messer bearbeitet, daß an seinem Aufkommen
gezweifelt wird; er war mit einer andern Person verwechselt worden. In der¬
selben Nacht wurde zu Brake! ein Bergmann erstochen. Dergleichen Hilferufe,
deren die Presse gewiß noch manche veröffentlichen könnte, fordern zu energischer
Abwehr auf. Kann auch nicht jede Unsicherheit durch die Polizei abgewendet
werden, so kann doch durch gute Erziehung und strenge Pflichterfüllung der
Exekutive vieles verhindert werden.

Mit dem Verfasser des Eingangs erwähnten Aufsatzes sind wir vollständig
darin einverstanden, daß es sehr zweckmäßig sein würde, einen auf Anstellung
verabschiedeter Offiziere zielenden Antrag im Reichstage einzubringen; aber noch
besser scheint es uns, daß die Regierungen die Sache ohne Antrag in die Hand
nehmen, und daß die preußische Regierung vorangehe. Es ließe sich hierbei die
Anforderung des Staates mit dem Bedürfnis einzelner Teile, nämlich der Ge¬
meinden, und dem Glücke vieler tüchtiger Leute in Übereinstimmung bringen.




Die privatklage.

l
e dritte Abteilung des kürzlich in Stettin abgehaltenen deutschen
Juristentags hat sich unter anderm mit der Frage beschäftigt,
ob es angemessen erscheine, die Prinzipale Privatklage auf die
Körperverletzungen des Z 223a, des Strafgesetzbuchs, sowie auf
Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch auszudehnen. Nach län-
germ Hin- und Herreden gelangte folgender Antrag des Kammergerichtsrath
Dr. Olshausen in Berlin zur Annahme: Der Juristentag wolle beschließen:
"Eine spezielle Bezeichnung einzelner Delikte, auf welche die Prinzipale Privat¬
klage auszudehnen sei, empfiehlt sich nicht. Die Frage, welche Ausdehnung
dem Privatklagevcrfahren bei einer etwaigen Reform des Strafprozesses zu geben
sei, erheischt vielmehr eine prinzipielle Lösung." Man sieht, der Beschluß trägt
allen Anschauungen etwas Rechnung, indem er einerseits eine Ausdehnung des
Privatklageverfahrens nicht geradezu von der Hand weist, anderseits aber diese
Ausdehnung nur bei einer etwaigen Reform des ganzen Strafprozesses erwogen
wissen will. Unsers Erachtens wäre es gut gewesen, wenn der deutsche Juristen¬
tag sich mit voller Entschiedenheit gegen jede Ausdehnung des Privatklagever¬
fahrens ausgesprochen, wenn er klar gesagt hätte: Wir wollen das Privatklage¬
verfahren nicht abschaffen, da wir es für notwendig halten, wir halten es aber
für sehr verbesserungsbedürftig und müssen jeder Ausdehnung desselben auf
andre Strafthaten als Beleidigungen und leichte Körperverletzungen entschieden


Die Privatklage.

ein Maurerpolier derart mit dem Messer bearbeitet, daß an seinem Aufkommen
gezweifelt wird; er war mit einer andern Person verwechselt worden. In der¬
selben Nacht wurde zu Brake! ein Bergmann erstochen. Dergleichen Hilferufe,
deren die Presse gewiß noch manche veröffentlichen könnte, fordern zu energischer
Abwehr auf. Kann auch nicht jede Unsicherheit durch die Polizei abgewendet
werden, so kann doch durch gute Erziehung und strenge Pflichterfüllung der
Exekutive vieles verhindert werden.

Mit dem Verfasser des Eingangs erwähnten Aufsatzes sind wir vollständig
darin einverstanden, daß es sehr zweckmäßig sein würde, einen auf Anstellung
verabschiedeter Offiziere zielenden Antrag im Reichstage einzubringen; aber noch
besser scheint es uns, daß die Regierungen die Sache ohne Antrag in die Hand
nehmen, und daß die preußische Regierung vorangehe. Es ließe sich hierbei die
Anforderung des Staates mit dem Bedürfnis einzelner Teile, nämlich der Ge¬
meinden, und dem Glücke vieler tüchtiger Leute in Übereinstimmung bringen.




Die privatklage.

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e dritte Abteilung des kürzlich in Stettin abgehaltenen deutschen
Juristentags hat sich unter anderm mit der Frage beschäftigt,
ob es angemessen erscheine, die Prinzipale Privatklage auf die
Körperverletzungen des Z 223a, des Strafgesetzbuchs, sowie auf
Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch auszudehnen. Nach län-
germ Hin- und Herreden gelangte folgender Antrag des Kammergerichtsrath
Dr. Olshausen in Berlin zur Annahme: Der Juristentag wolle beschließen:
„Eine spezielle Bezeichnung einzelner Delikte, auf welche die Prinzipale Privat¬
klage auszudehnen sei, empfiehlt sich nicht. Die Frage, welche Ausdehnung
dem Privatklagevcrfahren bei einer etwaigen Reform des Strafprozesses zu geben
sei, erheischt vielmehr eine prinzipielle Lösung." Man sieht, der Beschluß trägt
allen Anschauungen etwas Rechnung, indem er einerseits eine Ausdehnung des
Privatklageverfahrens nicht geradezu von der Hand weist, anderseits aber diese
Ausdehnung nur bei einer etwaigen Reform des ganzen Strafprozesses erwogen
wissen will. Unsers Erachtens wäre es gut gewesen, wenn der deutsche Juristen¬
tag sich mit voller Entschiedenheit gegen jede Ausdehnung des Privatklagever¬
fahrens ausgesprochen, wenn er klar gesagt hätte: Wir wollen das Privatklage¬
verfahren nicht abschaffen, da wir es für notwendig halten, wir halten es aber
für sehr verbesserungsbedürftig und müssen jeder Ausdehnung desselben auf
andre Strafthaten als Beleidigungen und leichte Körperverletzungen entschieden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/72>, abgerufen am 04.05.2024.