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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Das bürgerliche Gesetzbuch und die Zukunft der deutschen Rechtsprechung.

ein Ausländer und hat ein Programm, welches dem des Staates schurstracks wider¬
spricht, und nach welchem der Papst, wenn er bei uns zur vollen Herrschaft ge¬
langte, die Pflicht haben würde, mit der Mehrheit der Preußen, den evangelischen,
vollständig aufzuräumen.

Ich kann mich nicht mit jemand politisch befreunden, ihn nicht als Bundes¬
genossen betrachten, der sein evangelisches Bekenntnis seiner Politik unterordnet,
für den es hier nur eine einzige Kirche giebt. -- Viele meiner alten Freunde kommen
dahin, in krypto-katholisirender Richtung alles, was unserm vorwiegend evan¬
gelischen Staate feindlich geworden oder geblieben ist, als Freund und Bundes¬
genossen zu betrachten. -- Endlich, wie Bismarck in der teilweise zitirtcn Herren¬
hausrede über Kleist-Retzow sagte: Wenn jemand die Institutionen der katho¬
lischen Kirche kennt, wie ich sie schildere, und die katholische von seinem evan¬
gelischen Standpunkte aus in dem Kampfe Preußens mit ihr immer noch als
"die Kirche" vertritt, so sagt er sich, soweit er das thut, von seiner Treue gegen
König und Vaterland los.

Die Gefolgschaft der Kreuzzeitung möge sich diese Worte Vismarcks noch¬
mals gesagt sein lassen, ehe sie, ihrem Blatte gehorsam, sich anschickt, nach dem
Lager Windthorsts abzuschwenken.




Das bürgerliche Gesetzbuch
und die Zukunft der deutschen Rechtsprechung.
von <v. Bähr.

ach mehr als dreizehnjähriger Arbeit hat die zur Ausarbeitung
eines bürgerlichen Gesetzbuches berufene Kommission ihr in erster
Lesung vollendetes Werk dem Reichskanzler überreicht. Es besteht
aus einem Gesetzentwürfe, der 2164 Paragraphen umfaßt. Be¬
gleitet ist er von Motiven in fünf starken Bänden. Der Entwurf
eines Einführungsgesetzes steht noch in Aussicht.

Das Gesetzbuch nebst Motiven ist veröffentlicht und der allgemeinen Be¬
urteilung anheimgegeben worden. Eine Besprechung desselben in seinen Einzel¬
heiten ist hier nicht beabsichtigt. Eine solche würde für das nichtjuristische
Publikum in den meisten Punkten unverständlich sein. Wohl aber dürfte auch
der Laie an der allgemeinen Sachlage, wenn sie ihm zum Verständnis gebracht
Wird, Interesse nehmen. Handelt es sich doch um eine für unser ganzes Volk


Das bürgerliche Gesetzbuch und die Zukunft der deutschen Rechtsprechung.

ein Ausländer und hat ein Programm, welches dem des Staates schurstracks wider¬
spricht, und nach welchem der Papst, wenn er bei uns zur vollen Herrschaft ge¬
langte, die Pflicht haben würde, mit der Mehrheit der Preußen, den evangelischen,
vollständig aufzuräumen.

Ich kann mich nicht mit jemand politisch befreunden, ihn nicht als Bundes¬
genossen betrachten, der sein evangelisches Bekenntnis seiner Politik unterordnet,
für den es hier nur eine einzige Kirche giebt. — Viele meiner alten Freunde kommen
dahin, in krypto-katholisirender Richtung alles, was unserm vorwiegend evan¬
gelischen Staate feindlich geworden oder geblieben ist, als Freund und Bundes¬
genossen zu betrachten. — Endlich, wie Bismarck in der teilweise zitirtcn Herren¬
hausrede über Kleist-Retzow sagte: Wenn jemand die Institutionen der katho¬
lischen Kirche kennt, wie ich sie schildere, und die katholische von seinem evan¬
gelischen Standpunkte aus in dem Kampfe Preußens mit ihr immer noch als
„die Kirche" vertritt, so sagt er sich, soweit er das thut, von seiner Treue gegen
König und Vaterland los.

Die Gefolgschaft der Kreuzzeitung möge sich diese Worte Vismarcks noch¬
mals gesagt sein lassen, ehe sie, ihrem Blatte gehorsam, sich anschickt, nach dem
Lager Windthorsts abzuschwenken.




Das bürgerliche Gesetzbuch
und die Zukunft der deutschen Rechtsprechung.
von <v. Bähr.

ach mehr als dreizehnjähriger Arbeit hat die zur Ausarbeitung
eines bürgerlichen Gesetzbuches berufene Kommission ihr in erster
Lesung vollendetes Werk dem Reichskanzler überreicht. Es besteht
aus einem Gesetzentwürfe, der 2164 Paragraphen umfaßt. Be¬
gleitet ist er von Motiven in fünf starken Bänden. Der Entwurf
eines Einführungsgesetzes steht noch in Aussicht.

Das Gesetzbuch nebst Motiven ist veröffentlicht und der allgemeinen Be¬
urteilung anheimgegeben worden. Eine Besprechung desselben in seinen Einzel¬
heiten ist hier nicht beabsichtigt. Eine solche würde für das nichtjuristische
Publikum in den meisten Punkten unverständlich sein. Wohl aber dürfte auch
der Laie an der allgemeinen Sachlage, wenn sie ihm zum Verständnis gebracht
Wird, Interesse nehmen. Handelt es sich doch um eine für unser ganzes Volk


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[0399] Das bürgerliche Gesetzbuch und die Zukunft der deutschen Rechtsprechung. ein Ausländer und hat ein Programm, welches dem des Staates schurstracks wider¬ spricht, und nach welchem der Papst, wenn er bei uns zur vollen Herrschaft ge¬ langte, die Pflicht haben würde, mit der Mehrheit der Preußen, den evangelischen, vollständig aufzuräumen. Ich kann mich nicht mit jemand politisch befreunden, ihn nicht als Bundes¬ genossen betrachten, der sein evangelisches Bekenntnis seiner Politik unterordnet, für den es hier nur eine einzige Kirche giebt. — Viele meiner alten Freunde kommen dahin, in krypto-katholisirender Richtung alles, was unserm vorwiegend evan¬ gelischen Staate feindlich geworden oder geblieben ist, als Freund und Bundes¬ genossen zu betrachten. — Endlich, wie Bismarck in der teilweise zitirtcn Herren¬ hausrede über Kleist-Retzow sagte: Wenn jemand die Institutionen der katho¬ lischen Kirche kennt, wie ich sie schildere, und die katholische von seinem evan¬ gelischen Standpunkte aus in dem Kampfe Preußens mit ihr immer noch als „die Kirche" vertritt, so sagt er sich, soweit er das thut, von seiner Treue gegen König und Vaterland los. Die Gefolgschaft der Kreuzzeitung möge sich diese Worte Vismarcks noch¬ mals gesagt sein lassen, ehe sie, ihrem Blatte gehorsam, sich anschickt, nach dem Lager Windthorsts abzuschwenken. Das bürgerliche Gesetzbuch und die Zukunft der deutschen Rechtsprechung. von <v. Bähr. ach mehr als dreizehnjähriger Arbeit hat die zur Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuches berufene Kommission ihr in erster Lesung vollendetes Werk dem Reichskanzler überreicht. Es besteht aus einem Gesetzentwürfe, der 2164 Paragraphen umfaßt. Be¬ gleitet ist er von Motiven in fünf starken Bänden. Der Entwurf eines Einführungsgesetzes steht noch in Aussicht. Das Gesetzbuch nebst Motiven ist veröffentlicht und der allgemeinen Be¬ urteilung anheimgegeben worden. Eine Besprechung desselben in seinen Einzel¬ heiten ist hier nicht beabsichtigt. Eine solche würde für das nichtjuristische Publikum in den meisten Punkten unverständlich sein. Wohl aber dürfte auch der Laie an der allgemeinen Sachlage, wenn sie ihm zum Verständnis gebracht Wird, Interesse nehmen. Handelt es sich doch um eine für unser ganzes Volk

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/399>, abgerufen am 05.05.2024.