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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Goethe- und Schillerhetzer

Entschädigung zu leisten. Dabei kann ein gutes Geschäft herauskommen, wenn
nur der Staat sich angelegen sein läßt, dnrch Vorsichtsmaßregeln die Gefahren
zu verhüten oder zu vermindern, so die Wassersnot durch Anlegung von Deichen
und Gräben, die Feuersgefahr durch Einführung einer Feuerordnung. Die
Versicherungskasse darf aber zu nichts anderen als "zu solchen Dingen an¬
gewendet werdeu, dadurch das Land gebessert, den Leuten Mittel und Gelegenheit,
sich ehrlich zu ernähren, zuwege gebracht, denen so fleißig, aber dürftig, unter
die Arme gegriffen, denen, so Unglück ohne ihre Schuld gelitten, wieder auf¬
geholfen werden könne."

Ferner wünscht Leibniz die Versorgung von Witwen und Waisen aus
einer besondern Reservekasse. In diese soll jeder nach seinem Vermögen ein-
schießen, seiner Witwe und seinen Kindern zum Trost. Die Besoldungen der
Staatsbeamten sollen innerhalb eines Jahres in acht Raten ausgezahlt und
von jeder Rate ein Prozent für diese Kasse abgezogen werden. Stirbt jemand,
oder giebt er den Dienst ans, so soll ihm oder seinen Hinterlassenen die Ein¬
lage auf einem Bret übergeben werden. Das zurückgelegte Geld soll weder
mit Beschlag belegt noch wegen Schulden eingezogen werden können.'

(Schluß folgt.)




Goethe- und Schillerhetzer

anchem mag es überflüssig vorkommen, in unsern Tagen An¬
klagen gegen Verächter und Lästerer unsrer Geisteshelden zu er¬
heben. Manchem scheint vielleicht zu viel gethan zu werden in
ihrer Verherrlichung. Zu Riesenbibliotheken häufen sich ja die
Klassikerausgabeu, zu Litteraturen die Kommentare, die Bio¬
graphien und die erläuternden Darstellungen. Es drängt sich die Befürchtung
auf, daß man den Wald vor lauter Bäumen uicht mehr sehen werde, daß wir
noch in eine ähnliche Lage geraten werden gegenüber den Werken unsrer Klassiker,
wie das Jahrhundert nach der Reformation zu deren Grundbuch, der Bibel,
daß man nur noch über sie und nicht mehr sie selbst lesen werde.

Wir sind die letzten, die hinter dieser alexandrinischen Kommeutatoren-
sintflut zu viel suchet:. Wir sehen dabei viel mechanischen Beschäftigungstrieb
anf der einen Seite, viel stumpfsinnige Bildnngsphilisterei auf der andern.
Heute sammelt man Autographen und Goethereliquien, morgen vielleicht japa-


Goethe- und Schillerhetzer

Entschädigung zu leisten. Dabei kann ein gutes Geschäft herauskommen, wenn
nur der Staat sich angelegen sein läßt, dnrch Vorsichtsmaßregeln die Gefahren
zu verhüten oder zu vermindern, so die Wassersnot durch Anlegung von Deichen
und Gräben, die Feuersgefahr durch Einführung einer Feuerordnung. Die
Versicherungskasse darf aber zu nichts anderen als „zu solchen Dingen an¬
gewendet werdeu, dadurch das Land gebessert, den Leuten Mittel und Gelegenheit,
sich ehrlich zu ernähren, zuwege gebracht, denen so fleißig, aber dürftig, unter
die Arme gegriffen, denen, so Unglück ohne ihre Schuld gelitten, wieder auf¬
geholfen werden könne."

Ferner wünscht Leibniz die Versorgung von Witwen und Waisen aus
einer besondern Reservekasse. In diese soll jeder nach seinem Vermögen ein-
schießen, seiner Witwe und seinen Kindern zum Trost. Die Besoldungen der
Staatsbeamten sollen innerhalb eines Jahres in acht Raten ausgezahlt und
von jeder Rate ein Prozent für diese Kasse abgezogen werden. Stirbt jemand,
oder giebt er den Dienst ans, so soll ihm oder seinen Hinterlassenen die Ein¬
lage auf einem Bret übergeben werden. Das zurückgelegte Geld soll weder
mit Beschlag belegt noch wegen Schulden eingezogen werden können.'

(Schluß folgt.)




Goethe- und Schillerhetzer

anchem mag es überflüssig vorkommen, in unsern Tagen An¬
klagen gegen Verächter und Lästerer unsrer Geisteshelden zu er¬
heben. Manchem scheint vielleicht zu viel gethan zu werden in
ihrer Verherrlichung. Zu Riesenbibliotheken häufen sich ja die
Klassikerausgabeu, zu Litteraturen die Kommentare, die Bio¬
graphien und die erläuternden Darstellungen. Es drängt sich die Befürchtung
auf, daß man den Wald vor lauter Bäumen uicht mehr sehen werde, daß wir
noch in eine ähnliche Lage geraten werden gegenüber den Werken unsrer Klassiker,
wie das Jahrhundert nach der Reformation zu deren Grundbuch, der Bibel,
daß man nur noch über sie und nicht mehr sie selbst lesen werde.

Wir sind die letzten, die hinter dieser alexandrinischen Kommeutatoren-
sintflut zu viel suchet:. Wir sehen dabei viel mechanischen Beschäftigungstrieb
anf der einen Seite, viel stumpfsinnige Bildnngsphilisterei auf der andern.
Heute sammelt man Autographen und Goethereliquien, morgen vielleicht japa-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/24>, abgerufen am 05.05.2024.