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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Gin falscher Freiheitsheld des Altertums
von <v. -L. Schmidt (Schluß)

is die Schreckenskunde von dem Ende Cäsars die blutgewöhnte
Hauptstadt durcheilte, regte sich nirgends der Jubel, auf den
die Mörder gehofft hatten, Markt und Straßen wurden leer,
und über den Gemütern lagerte dumpfe Angst vor kommenden
Schrecknissen. Bereits nach dem Leichenbegängnisse Cäsars, bei
dem der von Antonius erregte Pöbel die Häuser der Mörder bestürmte, gaben
sie ihre öffentliche Wirksamkeit in Rom auf; schon im April treffen wir
M. Brutus und C. Cassius, zwei grundverschiedene Naturen, ehemals Neben¬
buhler, jetzt durch die Not zu Bundesgenosse" gemacht, friedlos und freudlos
in den Landstädten südlich von Rom. Hier fanden sie mehr Sympathien als
w der Hauptstadt; denn die guten Kleinstädter glaubten an die Echtheit der
Zur Schau getragenen republikanischen Gesinnung und ängstigten sich vor der
Militärdiktatur des Antonius und Lepidus, dn sie noch Haus und Hof zu
verlieren hatten. Es sammelten sich um sie sogar zahlreiche bewaffnete An¬
hänger, und zwar in einer Zeit, wo dem Antonius ein bewaffneter Zug der
Kleinstädter unter Brutus und Cassius uach Rom noch gefährlich werden
konnte. Ungefähr am 10. April hatte er mit ihnen in der Nähe Roms eine
Unterredung, in der er sie durch eitle Versprechungen vermochte, ihre An¬
hänger zu entlassen. Im folgenden Monat warb sich Antonius selbst auf
crier Reife durch die unteritalieuischen Militärkolouien eine starke Schar cäsa-
rycher Veteranen, an deren Spitze er in Rom einzog und nunmehr dem Senat
und dem Adel der Stadt mit kecker Stirn Trotz bot. Zwar protestirten die
beiden Prätoren Brutus und Cassius durch Briefe und öffentliche Kund¬
gebungen gegen das ungesetzliche Verfahren des Konsuls, innerlich aber be¬
stärkten sie sich von Tag zu Tag mehr in dem Gedanken, Italien sich selbst
M überlassen und schon vor Ablauf ihrer ohnehin thatenloser Prätur nach
em Osten zu gehen, auf dessen Verwaltung sie nach Cäsars vom Senate be-
1 atrgten, freilich unterdes durch andre Gesetze aufgehobenen Verfügungen ein
urecht zu haben vorgaben. Noch im Oktober 44 gelangten sie, von dem
selten Pöbel dieser Stadt als "Harmodios und Aristogeiton" gepriesen, nach




Gin falscher Freiheitsheld des Altertums
von <v. -L. Schmidt (Schluß)

is die Schreckenskunde von dem Ende Cäsars die blutgewöhnte
Hauptstadt durcheilte, regte sich nirgends der Jubel, auf den
die Mörder gehofft hatten, Markt und Straßen wurden leer,
und über den Gemütern lagerte dumpfe Angst vor kommenden
Schrecknissen. Bereits nach dem Leichenbegängnisse Cäsars, bei
dem der von Antonius erregte Pöbel die Häuser der Mörder bestürmte, gaben
sie ihre öffentliche Wirksamkeit in Rom auf; schon im April treffen wir
M. Brutus und C. Cassius, zwei grundverschiedene Naturen, ehemals Neben¬
buhler, jetzt durch die Not zu Bundesgenosse« gemacht, friedlos und freudlos
in den Landstädten südlich von Rom. Hier fanden sie mehr Sympathien als
w der Hauptstadt; denn die guten Kleinstädter glaubten an die Echtheit der
Zur Schau getragenen republikanischen Gesinnung und ängstigten sich vor der
Militärdiktatur des Antonius und Lepidus, dn sie noch Haus und Hof zu
verlieren hatten. Es sammelten sich um sie sogar zahlreiche bewaffnete An¬
hänger, und zwar in einer Zeit, wo dem Antonius ein bewaffneter Zug der
Kleinstädter unter Brutus und Cassius uach Rom noch gefährlich werden
konnte. Ungefähr am 10. April hatte er mit ihnen in der Nähe Roms eine
Unterredung, in der er sie durch eitle Versprechungen vermochte, ihre An¬
hänger zu entlassen. Im folgenden Monat warb sich Antonius selbst auf
crier Reife durch die unteritalieuischen Militärkolouien eine starke Schar cäsa-
rycher Veteranen, an deren Spitze er in Rom einzog und nunmehr dem Senat
und dem Adel der Stadt mit kecker Stirn Trotz bot. Zwar protestirten die
beiden Prätoren Brutus und Cassius durch Briefe und öffentliche Kund¬
gebungen gegen das ungesetzliche Verfahren des Konsuls, innerlich aber be¬
stärkten sie sich von Tag zu Tag mehr in dem Gedanken, Italien sich selbst
M überlassen und schon vor Ablauf ihrer ohnehin thatenloser Prätur nach
em Osten zu gehen, auf dessen Verwaltung sie nach Cäsars vom Senate be-
1 atrgten, freilich unterdes durch andre Gesetze aufgehobenen Verfügungen ein
urecht zu haben vorgaben. Noch im Oktober 44 gelangten sie, von dem
selten Pöbel dieser Stadt als „Harmodios und Aristogeiton" gepriesen, nach


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[0415] [Abbildung] Gin falscher Freiheitsheld des Altertums von <v. -L. Schmidt (Schluß) is die Schreckenskunde von dem Ende Cäsars die blutgewöhnte Hauptstadt durcheilte, regte sich nirgends der Jubel, auf den die Mörder gehofft hatten, Markt und Straßen wurden leer, und über den Gemütern lagerte dumpfe Angst vor kommenden Schrecknissen. Bereits nach dem Leichenbegängnisse Cäsars, bei dem der von Antonius erregte Pöbel die Häuser der Mörder bestürmte, gaben sie ihre öffentliche Wirksamkeit in Rom auf; schon im April treffen wir M. Brutus und C. Cassius, zwei grundverschiedene Naturen, ehemals Neben¬ buhler, jetzt durch die Not zu Bundesgenosse« gemacht, friedlos und freudlos in den Landstädten südlich von Rom. Hier fanden sie mehr Sympathien als w der Hauptstadt; denn die guten Kleinstädter glaubten an die Echtheit der Zur Schau getragenen republikanischen Gesinnung und ängstigten sich vor der Militärdiktatur des Antonius und Lepidus, dn sie noch Haus und Hof zu verlieren hatten. Es sammelten sich um sie sogar zahlreiche bewaffnete An¬ hänger, und zwar in einer Zeit, wo dem Antonius ein bewaffneter Zug der Kleinstädter unter Brutus und Cassius uach Rom noch gefährlich werden konnte. Ungefähr am 10. April hatte er mit ihnen in der Nähe Roms eine Unterredung, in der er sie durch eitle Versprechungen vermochte, ihre An¬ hänger zu entlassen. Im folgenden Monat warb sich Antonius selbst auf crier Reife durch die unteritalieuischen Militärkolouien eine starke Schar cäsa- rycher Veteranen, an deren Spitze er in Rom einzog und nunmehr dem Senat und dem Adel der Stadt mit kecker Stirn Trotz bot. Zwar protestirten die beiden Prätoren Brutus und Cassius durch Briefe und öffentliche Kund¬ gebungen gegen das ungesetzliche Verfahren des Konsuls, innerlich aber be¬ stärkten sie sich von Tag zu Tag mehr in dem Gedanken, Italien sich selbst M überlassen und schon vor Ablauf ihrer ohnehin thatenloser Prätur nach em Osten zu gehen, auf dessen Verwaltung sie nach Cäsars vom Senate be- 1 atrgten, freilich unterdes durch andre Gesetze aufgehobenen Verfügungen ein urecht zu haben vorgaben. Noch im Oktober 44 gelangten sie, von dem selten Pöbel dieser Stadt als „Harmodios und Aristogeiton" gepriesen, nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/415>, abgerufen am 05.05.2024.