Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Litteratur

Ansicht, daß allerdings die Schüler, die ihre Bitdungsperiode auszudehnen in der
Lage sind, am besten thun, die Gymnasialbildung zu suchen, und daß sie nur dann
unsre Gegenwart gründlich zu verstehn und auf sie einzuwirken im Stande sind,
wenn sie mit der griechisch-römischen Kultur, der christlichen Kulturgeschichte und
den modernen Naturwissenschaften vertraut sind. Inwiefern gewisse Stücke in
dieser Kultnrforderuug aufgeopfert und durch andre Mehrleistungen bis zur Un¬
schädlichkeit ersetzt werden könnten, wäre noch zu erörtern, aber wir fühlen keinen
Beruf, darauf einzugehn, ebenso wenig auf die Bildung des gemeinen Mannes
und die Art hinzuweisen, wie auch diese einem vernünftigen Ideal entspricht.




Litteratur
Ueber Ad. Hnrnacks Dogmengeschichte. Vortrag, gehalten im badischen wissenschaftlichen
Predigerverein von Ur. H. H. Wendt, Professor der Theologie i" Heidelberg. Göttinnen, 1888

Von dem bedeutenden Werke Hcirnncks ist in den Grenzboten schon geredet
worden, ebenso von dem "Fall Harnack." Der obige Vortrag des Professor Wendt
mutet seinen Zuhörern und Lesern eine bedeutende Anstrengung des theologischen
Denkens zu. Sie werden dafür in die Methode Haruacks einigermaßen eingeführt
und namentlich in die etwas schwierige Partie, wie sich die Einwirkung hellenischer
Philosophie auf die Bildung der Lehre von Christus geltend gemacht hat, wo sich
eine Reaktion dagegen zeigt und wie am Ende des Zeitraumes alte paulinische
Elemente in Augustin unigestaltend auftreten, ohne doch gleichmäßig verarbeitet zu
werden. Diese förderlichen Erörterungen gehen von einem Standpunkte ans, der
durchweg dem Standpunkte Harnacks verwandt ist.


Reformationsgeschichte der Stadt Herford. Von Prof. Dr. L. Hölscher.
Giitersloh, Bertelsmann, 1838

Ein gut geschriebener Beitrag zur Geschichte der norddeutschen Reformation.
Große Kämpfe hatte die Stadt Herford nicht dabei durchzumachen, aber es ist
interessant, zu sehe", wie das Neue unaufhaltsam durchbricht. Auch die Korre¬
spondenz zwischen den evangelisch gesinnten und den Wittenbergcrn (seit 1520)
ist wertvoll. Der Anhang giebt die sehr selten gewordne Kirchenordnung Herfords
in einem Abdruck von 1534 in niederdeutscher Sprache wieder. Forscher in der
Kirchen- und Schulgeschichte werden sich diesen Anhang nicht entgehen lassen.


Studien zu La Rochefoucaulds Leben und Werken. Von H. Georg Rnhstede.
Braunschweig, C. A. Schwetschke "c Sohn (E. Appclhans), 1888

Kaum eine Periode der Litteratur liegt den heute lebenden so fern, als das
gepriesene Zeitalter Ludwigs XIV.. "des Großen," wie die bewundernde Mitwelt
sagte, ohne daß die Nachwelt Lust gezeigt hat, die Benennung zu bestätigen. Ein
Jahrhundert lang haben die Schöpfungen des französischen Klassizismus in Poesie
und Prosa die europäischen Litteraturen vorbildlich und gesetzgebend beherrscht, im


Litteratur

Ansicht, daß allerdings die Schüler, die ihre Bitdungsperiode auszudehnen in der
Lage sind, am besten thun, die Gymnasialbildung zu suchen, und daß sie nur dann
unsre Gegenwart gründlich zu verstehn und auf sie einzuwirken im Stande sind,
wenn sie mit der griechisch-römischen Kultur, der christlichen Kulturgeschichte und
den modernen Naturwissenschaften vertraut sind. Inwiefern gewisse Stücke in
dieser Kultnrforderuug aufgeopfert und durch andre Mehrleistungen bis zur Un¬
schädlichkeit ersetzt werden könnten, wäre noch zu erörtern, aber wir fühlen keinen
Beruf, darauf einzugehn, ebenso wenig auf die Bildung des gemeinen Mannes
und die Art hinzuweisen, wie auch diese einem vernünftigen Ideal entspricht.




Litteratur
Ueber Ad. Hnrnacks Dogmengeschichte. Vortrag, gehalten im badischen wissenschaftlichen
Predigerverein von Ur. H. H. Wendt, Professor der Theologie i» Heidelberg. Göttinnen, 1888

Von dem bedeutenden Werke Hcirnncks ist in den Grenzboten schon geredet
worden, ebenso von dem „Fall Harnack." Der obige Vortrag des Professor Wendt
mutet seinen Zuhörern und Lesern eine bedeutende Anstrengung des theologischen
Denkens zu. Sie werden dafür in die Methode Haruacks einigermaßen eingeführt
und namentlich in die etwas schwierige Partie, wie sich die Einwirkung hellenischer
Philosophie auf die Bildung der Lehre von Christus geltend gemacht hat, wo sich
eine Reaktion dagegen zeigt und wie am Ende des Zeitraumes alte paulinische
Elemente in Augustin unigestaltend auftreten, ohne doch gleichmäßig verarbeitet zu
werden. Diese förderlichen Erörterungen gehen von einem Standpunkte ans, der
durchweg dem Standpunkte Harnacks verwandt ist.


Reformationsgeschichte der Stadt Herford. Von Prof. Dr. L. Hölscher.
Giitersloh, Bertelsmann, 1838

Ein gut geschriebener Beitrag zur Geschichte der norddeutschen Reformation.
Große Kämpfe hatte die Stadt Herford nicht dabei durchzumachen, aber es ist
interessant, zu sehe», wie das Neue unaufhaltsam durchbricht. Auch die Korre¬
spondenz zwischen den evangelisch gesinnten und den Wittenbergcrn (seit 1520)
ist wertvoll. Der Anhang giebt die sehr selten gewordne Kirchenordnung Herfords
in einem Abdruck von 1534 in niederdeutscher Sprache wieder. Forscher in der
Kirchen- und Schulgeschichte werden sich diesen Anhang nicht entgehen lassen.


Studien zu La Rochefoucaulds Leben und Werken. Von H. Georg Rnhstede.
Braunschweig, C. A. Schwetschke «c Sohn (E. Appclhans), 1888

Kaum eine Periode der Litteratur liegt den heute lebenden so fern, als das
gepriesene Zeitalter Ludwigs XIV.. „des Großen," wie die bewundernde Mitwelt
sagte, ohne daß die Nachwelt Lust gezeigt hat, die Benennung zu bestätigen. Ein
Jahrhundert lang haben die Schöpfungen des französischen Klassizismus in Poesie
und Prosa die europäischen Litteraturen vorbildlich und gesetzgebend beherrscht, im


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0543" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204632"/>
            <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1766" prev="#ID_1765"> Ansicht, daß allerdings die Schüler, die ihre Bitdungsperiode auszudehnen in der<lb/>
Lage sind, am besten thun, die Gymnasialbildung zu suchen, und daß sie nur dann<lb/>
unsre Gegenwart gründlich zu verstehn und auf sie einzuwirken im Stande sind,<lb/>
wenn sie mit der griechisch-römischen Kultur, der christlichen Kulturgeschichte und<lb/>
den modernen Naturwissenschaften vertraut sind. Inwiefern gewisse Stücke in<lb/>
dieser Kultnrforderuug aufgeopfert und durch andre Mehrleistungen bis zur Un¬<lb/>
schädlichkeit ersetzt werden könnten, wäre noch zu erörtern, aber wir fühlen keinen<lb/>
Beruf, darauf einzugehn, ebenso wenig auf die Bildung des gemeinen Mannes<lb/>
und die Art hinzuweisen, wie auch diese einem vernünftigen Ideal entspricht.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Litteratur</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Ueber Ad. Hnrnacks Dogmengeschichte. Vortrag, gehalten im badischen wissenschaftlichen<lb/>
Predigerverein von Ur. H. H. Wendt, Professor der Theologie i» Heidelberg.  Göttinnen, 1888</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1767"> Von dem bedeutenden Werke Hcirnncks ist in den Grenzboten schon geredet<lb/>
worden, ebenso von dem &#x201E;Fall Harnack." Der obige Vortrag des Professor Wendt<lb/>
mutet seinen Zuhörern und Lesern eine bedeutende Anstrengung des theologischen<lb/>
Denkens zu. Sie werden dafür in die Methode Haruacks einigermaßen eingeführt<lb/>
und namentlich in die etwas schwierige Partie, wie sich die Einwirkung hellenischer<lb/>
Philosophie auf die Bildung der Lehre von Christus geltend gemacht hat, wo sich<lb/>
eine Reaktion dagegen zeigt und wie am Ende des Zeitraumes alte paulinische<lb/>
Elemente in Augustin unigestaltend auftreten, ohne doch gleichmäßig verarbeitet zu<lb/>
werden. Diese förderlichen Erörterungen gehen von einem Standpunkte ans, der<lb/>
durchweg dem Standpunkte Harnacks verwandt ist.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Reformationsgeschichte der Stadt Herford.  Von Prof. Dr. L. Hölscher.<lb/>
Giitersloh, Bertelsmann, 1838</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1768"> Ein gut geschriebener Beitrag zur Geschichte der norddeutschen Reformation.<lb/>
Große Kämpfe hatte die Stadt Herford nicht dabei durchzumachen, aber es ist<lb/>
interessant, zu sehe», wie das Neue unaufhaltsam durchbricht. Auch die Korre¬<lb/>
spondenz zwischen den evangelisch gesinnten und den Wittenbergcrn (seit 1520)<lb/>
ist wertvoll. Der Anhang giebt die sehr selten gewordne Kirchenordnung Herfords<lb/>
in einem Abdruck von 1534 in niederdeutscher Sprache wieder. Forscher in der<lb/>
Kirchen- und Schulgeschichte werden sich diesen Anhang nicht entgehen lassen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Studien zu La Rochefoucaulds Leben und Werken. Von H. Georg Rnhstede.<lb/>
Braunschweig, C. A. Schwetschke «c Sohn (E. Appclhans), 1888</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1769" next="#ID_1770"> Kaum eine Periode der Litteratur liegt den heute lebenden so fern, als das<lb/>
gepriesene Zeitalter Ludwigs XIV.. &#x201E;des Großen," wie die bewundernde Mitwelt<lb/>
sagte, ohne daß die Nachwelt Lust gezeigt hat, die Benennung zu bestätigen. Ein<lb/>
Jahrhundert lang haben die Schöpfungen des französischen Klassizismus in Poesie<lb/>
und Prosa die europäischen Litteraturen vorbildlich und gesetzgebend beherrscht, im</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0543] Litteratur Ansicht, daß allerdings die Schüler, die ihre Bitdungsperiode auszudehnen in der Lage sind, am besten thun, die Gymnasialbildung zu suchen, und daß sie nur dann unsre Gegenwart gründlich zu verstehn und auf sie einzuwirken im Stande sind, wenn sie mit der griechisch-römischen Kultur, der christlichen Kulturgeschichte und den modernen Naturwissenschaften vertraut sind. Inwiefern gewisse Stücke in dieser Kultnrforderuug aufgeopfert und durch andre Mehrleistungen bis zur Un¬ schädlichkeit ersetzt werden könnten, wäre noch zu erörtern, aber wir fühlen keinen Beruf, darauf einzugehn, ebenso wenig auf die Bildung des gemeinen Mannes und die Art hinzuweisen, wie auch diese einem vernünftigen Ideal entspricht. Litteratur Ueber Ad. Hnrnacks Dogmengeschichte. Vortrag, gehalten im badischen wissenschaftlichen Predigerverein von Ur. H. H. Wendt, Professor der Theologie i» Heidelberg. Göttinnen, 1888 Von dem bedeutenden Werke Hcirnncks ist in den Grenzboten schon geredet worden, ebenso von dem „Fall Harnack." Der obige Vortrag des Professor Wendt mutet seinen Zuhörern und Lesern eine bedeutende Anstrengung des theologischen Denkens zu. Sie werden dafür in die Methode Haruacks einigermaßen eingeführt und namentlich in die etwas schwierige Partie, wie sich die Einwirkung hellenischer Philosophie auf die Bildung der Lehre von Christus geltend gemacht hat, wo sich eine Reaktion dagegen zeigt und wie am Ende des Zeitraumes alte paulinische Elemente in Augustin unigestaltend auftreten, ohne doch gleichmäßig verarbeitet zu werden. Diese förderlichen Erörterungen gehen von einem Standpunkte ans, der durchweg dem Standpunkte Harnacks verwandt ist. Reformationsgeschichte der Stadt Herford. Von Prof. Dr. L. Hölscher. Giitersloh, Bertelsmann, 1838 Ein gut geschriebener Beitrag zur Geschichte der norddeutschen Reformation. Große Kämpfe hatte die Stadt Herford nicht dabei durchzumachen, aber es ist interessant, zu sehe», wie das Neue unaufhaltsam durchbricht. Auch die Korre¬ spondenz zwischen den evangelisch gesinnten und den Wittenbergcrn (seit 1520) ist wertvoll. Der Anhang giebt die sehr selten gewordne Kirchenordnung Herfords in einem Abdruck von 1534 in niederdeutscher Sprache wieder. Forscher in der Kirchen- und Schulgeschichte werden sich diesen Anhang nicht entgehen lassen. Studien zu La Rochefoucaulds Leben und Werken. Von H. Georg Rnhstede. Braunschweig, C. A. Schwetschke «c Sohn (E. Appclhans), 1888 Kaum eine Periode der Litteratur liegt den heute lebenden so fern, als das gepriesene Zeitalter Ludwigs XIV.. „des Großen," wie die bewundernde Mitwelt sagte, ohne daß die Nachwelt Lust gezeigt hat, die Benennung zu bestätigen. Ein Jahrhundert lang haben die Schöpfungen des französischen Klassizismus in Poesie und Prosa die europäischen Litteraturen vorbildlich und gesetzgebend beherrscht, im

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/543
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/543>, abgerufen am 05.05.2024.