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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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guartetts wohl dus Beste und Schönste, was wir bieten konnten. Woher
aber nun der seltsame Name "Bär" ? Die einen meinten, es bedeute eigentlich
"Bahrsingen," weil wir vor der Bahre hergingen, andre wollten es als "Paar¬
singen" deuten, weil wir paarweise gingen, noch andre wollten es gar vom
lateinischen xiu'vnwtio (Totenfeier, Totenopfer) ableiten. Eine befriedigende
Erklärung konnte keiner geben; auch der Kantor wußte nicht zu helfen, der
doch schon jahrzehntelang an der Schule war.

(Fvrlsehunn folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Neues über Elsaß-Lothringen.

Obgleich in der letzten Zeit die deutsch¬
feindliche Gesinnung in Frankreich mehr und mehr zu verschwinden scheint und die
Revnuchegedanken nach dem traurigen Ende des Bonlangismus immer weiter zurück¬
treten, um einer ruhigeren Politischen Auffassung Platz zu macheu, so giebt es doch
uoch einen großen Kreis von Chauvinisten, die von einer Versöhnung mit Deutsch¬
land nud einen: endgiltigen Verzicht auf Elsaß-Lothringen nichts wissen wollen.
Sie hören nicht uns, in Büchern, Flugschriften und Zeitungsartikeln jeden für einen
Vaterlandsverräter zu erklären, der sich mit den bestehenden Verhältnissen zufrieden
giebt. Diese planmäßige Aufhetzung wird mit großer Hartnäckigkeit namentlich von
frühern Elsässcrn betrieben, die trotz ihrer echt deutschen Namen das Deutschtum
gründlich hasse" und sich als die eifrigsten Franzosen geberden.

Neuerdings ist ein Buch von R. Knppelin erschienen, das den langen Titel
führt: lV^is-rczo a, tra,vör8 los soo nuits et'oriZ'me? ot alö ra,vo8 novo 1a
'

ZsiMvo, 808 UM"S i>>ovo In, Iivrrmnv, 808 raxxorts avoo 1^UsiQliKus (Paris, Fisch¬
bacher, 1390). Der Verfasser begnügt sich nicht mehr, wie die andern Heißsporne,
mit dem Nachweis, daß das Elsaß unsers Jahrhunderts ein französisches Land
geworden sei; er geht in seiner oft romanhaft aufgeputzten Darstellung bis in die
vorgeschichtliche Zeit zurück und sucht dem Leser klar zu machen, daß Elsaß auch
in geologischer Beziehung zu Frankreich gehöre, also nicht von ihm getrennt werden
diirfe(!). Wenn Dentschland das alles nehmen wollte, was in geologischer Hinsicht
zu ihm gehört!

Der Verfasser, der sich übrigens durch eine Reihe naturwissenschaftlicher
Schriften bekannt gemacht hat, schildert die Eiszeit, das Auftreten des Mmumuths
am linken Rheinufer, das Erscheinen des ersten Menschen im Elsaß, die Steinzeit,
das Zeitalter der Brome und des Eisens nud findet im Elsaß überall dieselben
Erscheinungen wie im übrigen Frankreich. Er durcheilt die Zeit der keltischen
Eroberungen, der gallo-romanischen Einrichtungen und der gallo-frünkischen Zustände;
tiberall und immer erscheint ihm das Elsaß als ein untrennbarer Bestandteil des
übrigen Frankreichs. Karl den Großen nennen die Deutschen nach seiner Ansicht
widerrechtlich ihren Kaiser; bezeichnend für die historischen Begriffe des französische!:
Verfassers ist es, wenn er von den Sachsen sagt: Sie leisteten ihm so lauge Wider¬
stand, bis er sie fast vernichtet und durch seine fränkischen Soldaten niedergetreten


guartetts wohl dus Beste und Schönste, was wir bieten konnten. Woher
aber nun der seltsame Name „Bär" ? Die einen meinten, es bedeute eigentlich
„Bahrsingen," weil wir vor der Bahre hergingen, andre wollten es als „Paar¬
singen" deuten, weil wir paarweise gingen, noch andre wollten es gar vom
lateinischen xiu'vnwtio (Totenfeier, Totenopfer) ableiten. Eine befriedigende
Erklärung konnte keiner geben; auch der Kantor wußte nicht zu helfen, der
doch schon jahrzehntelang an der Schule war.

(Fvrlsehunn folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Neues über Elsaß-Lothringen.

Obgleich in der letzten Zeit die deutsch¬
feindliche Gesinnung in Frankreich mehr und mehr zu verschwinden scheint und die
Revnuchegedanken nach dem traurigen Ende des Bonlangismus immer weiter zurück¬
treten, um einer ruhigeren Politischen Auffassung Platz zu macheu, so giebt es doch
uoch einen großen Kreis von Chauvinisten, die von einer Versöhnung mit Deutsch¬
land nud einen: endgiltigen Verzicht auf Elsaß-Lothringen nichts wissen wollen.
Sie hören nicht uns, in Büchern, Flugschriften und Zeitungsartikeln jeden für einen
Vaterlandsverräter zu erklären, der sich mit den bestehenden Verhältnissen zufrieden
giebt. Diese planmäßige Aufhetzung wird mit großer Hartnäckigkeit namentlich von
frühern Elsässcrn betrieben, die trotz ihrer echt deutschen Namen das Deutschtum
gründlich hasse» und sich als die eifrigsten Franzosen geberden.

Neuerdings ist ein Buch von R. Knppelin erschienen, das den langen Titel
führt: lV^is-rczo a, tra,vör8 los soo nuits et'oriZ'me? ot alö ra,vo8 novo 1a
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ZsiMvo, 808 UM»S i>>ovo In, Iivrrmnv, 808 raxxorts avoo 1^UsiQliKus (Paris, Fisch¬
bacher, 1390). Der Verfasser begnügt sich nicht mehr, wie die andern Heißsporne,
mit dem Nachweis, daß das Elsaß unsers Jahrhunderts ein französisches Land
geworden sei; er geht in seiner oft romanhaft aufgeputzten Darstellung bis in die
vorgeschichtliche Zeit zurück und sucht dem Leser klar zu machen, daß Elsaß auch
in geologischer Beziehung zu Frankreich gehöre, also nicht von ihm getrennt werden
diirfe(!). Wenn Dentschland das alles nehmen wollte, was in geologischer Hinsicht
zu ihm gehört!

Der Verfasser, der sich übrigens durch eine Reihe naturwissenschaftlicher
Schriften bekannt gemacht hat, schildert die Eiszeit, das Auftreten des Mmumuths
am linken Rheinufer, das Erscheinen des ersten Menschen im Elsaß, die Steinzeit,
das Zeitalter der Brome und des Eisens nud findet im Elsaß überall dieselben
Erscheinungen wie im übrigen Frankreich. Er durcheilt die Zeit der keltischen
Eroberungen, der gallo-romanischen Einrichtungen und der gallo-frünkischen Zustände;
tiberall und immer erscheint ihm das Elsaß als ein untrennbarer Bestandteil des
übrigen Frankreichs. Karl den Großen nennen die Deutschen nach seiner Ansicht
widerrechtlich ihren Kaiser; bezeichnend für die historischen Begriffe des französische!:
Verfassers ist es, wenn er von den Sachsen sagt: Sie leisteten ihm so lauge Wider¬
stand, bis er sie fast vernichtet und durch seine fränkischen Soldaten niedergetreten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/143>, abgerufen am 28.04.2024.