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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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heit aufgedrückt. Das Vorwort des Buchhändlers, die Auswahl und Zu¬
sammenstellung der Bücher, die Aufnahme der neuesten Erzeugnisse der fran¬
zösischen Litteratur und die ganze mangelhafte Anlage des Verzeichnisses be¬
weisen seinen französischen Ursprung. Auch wäre wohl nur einer der größte"
deutschen Buchhändler im Jahre 1758 imstande gewesen, ein solches Ver¬
zeichnis französischer Bücher bis zum Jahre 1757 aufzustellen; und ein Deutscher
wäre gründlicher verfahren als der Franzose und hätte nicht regelmüßig das
Druckjahr und den Druckort weggelassen. Der Verdacht, der Inhalt der Flug¬
schrift möchte erdichtet sein, kann vor diesen Gründen nicht bestehen. Vielleicht
gelingt es, in thüringischen Büchersammlungen ein oder das andre Stück der
zerstobenen Kriegsbiblivthek des Fürsten von Soubise wieder aufzufinden.




Römische Frühlingsbilder
Adolf Ste<n von
^. Passegiata ZNargheritci

le Tausende von andächtigen und uimudächtigeu Pilgern, die
alljährlich die ewige Stadt betrete", wissen bei der Heimkehr
viel vo" dem alte", wenig von dem Rom der Gegenwart z"
rühme". Ihr Begriff von "alte"" Rom ist freilich höchst dehn¬
bar und reicht etwa vo" de" Zelte" Julius Cäsars bis zum
September des Jahres 1870. An allem, was äußerlich sichtbar seit dem Tage
entstanden ist, wo die italienischen Bersaglieri und König Viktor Emanuel i"
Rom einzogen, hat die Welt, auch wenn sie mit der Wandlung der Dinge
noch so einverstanden war, wenig Freude gewonnen, und bittere Anklage"
gegen die vandalische Zerstörungslust, die geschmacklose, ja rohe Modernität,
die über Nacht Rom in eine nüchtern zweckmäßige Großstadt verwandeln
möchte -- je nüchterner und amerikanischer, um so zweckmäßiger! --, sind von
allen Seiten laut geworden. Auch die große Mehrzahl solcher Besucher, die
Rom vor 1870 niemals erblickt habe", de" Umfang der Veränderung, der Ver¬
wüstung köstlicher Gärten und historisch bedeutsanier Gebäude gar nicht ermesse"
könne", fühlt sich von den großen, vielstöckigeu, der Stadt gleichsam aufgeklebte"
halbfertigen oder schon wieder zerbröckelnder weißgekalkten Häuservierecken, vo"
dem ganze" wüste" Treibe" der "enerdings verkrachte" Baugesellschafte" ab-


heit aufgedrückt. Das Vorwort des Buchhändlers, die Auswahl und Zu¬
sammenstellung der Bücher, die Aufnahme der neuesten Erzeugnisse der fran¬
zösischen Litteratur und die ganze mangelhafte Anlage des Verzeichnisses be¬
weisen seinen französischen Ursprung. Auch wäre wohl nur einer der größte»
deutschen Buchhändler im Jahre 1758 imstande gewesen, ein solches Ver¬
zeichnis französischer Bücher bis zum Jahre 1757 aufzustellen; und ein Deutscher
wäre gründlicher verfahren als der Franzose und hätte nicht regelmüßig das
Druckjahr und den Druckort weggelassen. Der Verdacht, der Inhalt der Flug¬
schrift möchte erdichtet sein, kann vor diesen Gründen nicht bestehen. Vielleicht
gelingt es, in thüringischen Büchersammlungen ein oder das andre Stück der
zerstobenen Kriegsbiblivthek des Fürsten von Soubise wieder aufzufinden.




Römische Frühlingsbilder
Adolf Ste<n von
^. Passegiata ZNargheritci

le Tausende von andächtigen und uimudächtigeu Pilgern, die
alljährlich die ewige Stadt betrete», wissen bei der Heimkehr
viel vo» dem alte», wenig von dem Rom der Gegenwart z»
rühme». Ihr Begriff von „alte»" Rom ist freilich höchst dehn¬
bar und reicht etwa vo» de» Zelte» Julius Cäsars bis zum
September des Jahres 1870. An allem, was äußerlich sichtbar seit dem Tage
entstanden ist, wo die italienischen Bersaglieri und König Viktor Emanuel i»
Rom einzogen, hat die Welt, auch wenn sie mit der Wandlung der Dinge
noch so einverstanden war, wenig Freude gewonnen, und bittere Anklage»
gegen die vandalische Zerstörungslust, die geschmacklose, ja rohe Modernität,
die über Nacht Rom in eine nüchtern zweckmäßige Großstadt verwandeln
möchte — je nüchterner und amerikanischer, um so zweckmäßiger! —, sind von
allen Seiten laut geworden. Auch die große Mehrzahl solcher Besucher, die
Rom vor 1870 niemals erblickt habe», de» Umfang der Veränderung, der Ver¬
wüstung köstlicher Gärten und historisch bedeutsanier Gebäude gar nicht ermesse»
könne», fühlt sich von den großen, vielstöckigeu, der Stadt gleichsam aufgeklebte»
halbfertigen oder schon wieder zerbröckelnder weißgekalkten Häuservierecken, vo»
dem ganze» wüste» Treibe» der »enerdings verkrachte» Baugesellschafte» ab-


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[0175] heit aufgedrückt. Das Vorwort des Buchhändlers, die Auswahl und Zu¬ sammenstellung der Bücher, die Aufnahme der neuesten Erzeugnisse der fran¬ zösischen Litteratur und die ganze mangelhafte Anlage des Verzeichnisses be¬ weisen seinen französischen Ursprung. Auch wäre wohl nur einer der größte» deutschen Buchhändler im Jahre 1758 imstande gewesen, ein solches Ver¬ zeichnis französischer Bücher bis zum Jahre 1757 aufzustellen; und ein Deutscher wäre gründlicher verfahren als der Franzose und hätte nicht regelmüßig das Druckjahr und den Druckort weggelassen. Der Verdacht, der Inhalt der Flug¬ schrift möchte erdichtet sein, kann vor diesen Gründen nicht bestehen. Vielleicht gelingt es, in thüringischen Büchersammlungen ein oder das andre Stück der zerstobenen Kriegsbiblivthek des Fürsten von Soubise wieder aufzufinden. Römische Frühlingsbilder Adolf Ste<n von ^. Passegiata ZNargheritci le Tausende von andächtigen und uimudächtigeu Pilgern, die alljährlich die ewige Stadt betrete», wissen bei der Heimkehr viel vo» dem alte», wenig von dem Rom der Gegenwart z» rühme». Ihr Begriff von „alte»" Rom ist freilich höchst dehn¬ bar und reicht etwa vo» de» Zelte» Julius Cäsars bis zum September des Jahres 1870. An allem, was äußerlich sichtbar seit dem Tage entstanden ist, wo die italienischen Bersaglieri und König Viktor Emanuel i» Rom einzogen, hat die Welt, auch wenn sie mit der Wandlung der Dinge noch so einverstanden war, wenig Freude gewonnen, und bittere Anklage» gegen die vandalische Zerstörungslust, die geschmacklose, ja rohe Modernität, die über Nacht Rom in eine nüchtern zweckmäßige Großstadt verwandeln möchte — je nüchterner und amerikanischer, um so zweckmäßiger! —, sind von allen Seiten laut geworden. Auch die große Mehrzahl solcher Besucher, die Rom vor 1870 niemals erblickt habe», de» Umfang der Veränderung, der Ver¬ wüstung köstlicher Gärten und historisch bedeutsanier Gebäude gar nicht ermesse» könne», fühlt sich von den großen, vielstöckigeu, der Stadt gleichsam aufgeklebte» halbfertigen oder schon wieder zerbröckelnder weißgekalkten Häuservierecken, vo» dem ganze» wüste» Treibe» der »enerdings verkrachte» Baugesellschafte» ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/175>, abgerufen am 27.04.2024.