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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Das Heidentum in der römischen Kirche

eine Nativnalbühne zur Pflege des wahren Volksstückes, der Banernkomödie,
der Posse, des Znubermärchens und Singspiels mit Ausschluß alles Operetten¬
artigen. Diese Bühne soll, wie es im Aufruf heißt, für die dramatische Volks¬
dichtung die gleiche Bedeutung erlangen, die das Burgtheater traditionell für
die klassische Dichtung besitzt. Sie soll, im innersten Wesen echt volkstümlich
geartet, jeder spekulativen Absicht fern stehen, von dem Wiener Volkstheatcr-
verein in eigner Regie geführt werden und bei allerbilligsten Preisen much
den unbemitteltsten Schichten zugänglich sein. Das Neinertrügnis des Theaters
soll alljährlich großen Humanitären Unternehmungen zugeführt werden, sodaß
dieses zugleich eine immerwährende Fundgrube zur nachhaltigen Forderung
derartiger Zwecke bilden würde. Solche Einrichtungen wären für uns Deutsche
noch notwendiger; denn nicht mehr durch Massenverbreitung von klassischen
Romanen und Novellen, von Erbanuugsschriften und Volksbüchern läßt sich
die soziale Bewegung beeinflussen und regeln. Wer heutzutage das Volk in
geistiger und sittlicher Beziehung leiten und heben will, der hat außer den
angeführten Maßregeln kein besseres Mittel als die volkstümliche Bühne; nur
das Angeschaute wirkt und haftet. Mögen hier die unruhigen Geister aufeinander¬
platzen, die geheimen Umtriebe gemeiner Hetzer vor das Forum der Öffentlich¬
keit gezogen werden, die unklaren Begriffe sich klären, nud das Volk sich
wiederfinden in seiner eignen Welt, in seinen Sorgen und Freuden.




Das Heidentum in der römischen Kirche

er erste Teil des nnter diesem Titel erschienenen interessanten
Werkes") ist in Ur. 49 des vorigen Jahrganges der Grenzboten
besprochen worden. Einige Kapitelüberschriften mögen den In¬
halt des vorliegenden Bandes andeuten. Pompeji, keine Toten-
stadt (d. h., die heutigen Bewohner der Ortschaften um Pompeji
leben ganz in den Vorstellungen, Gewohnheiten und Gebräuchen der ver¬
schütteten Pompejaner); Schlangenverehrnng; die große Mutter; die neue Juno
(die heilige Anna); ein Vergessener (der Apostel Paulus, der deu heutigen
Bewohnern Puteolis unbekannt ist, obwohl er im Jahre 62 dort landete und
von den Brüdern begrüßt wurde); Hausgötter; Ablaß; vom Nachfolger des
Neptun (Se. Nikolaus). Das Unternehmen, dem heidnischen Ursprünge der



Das Heidentum in der römischen Kirche. Bilder aus dem religiösen und sitt¬
lichen Leben Sttditnlieus vou Th. Trete. Zweiter Teil. Gotha, Fr. A. Perthes.
Das Heidentum in der römischen Kirche

eine Nativnalbühne zur Pflege des wahren Volksstückes, der Banernkomödie,
der Posse, des Znubermärchens und Singspiels mit Ausschluß alles Operetten¬
artigen. Diese Bühne soll, wie es im Aufruf heißt, für die dramatische Volks¬
dichtung die gleiche Bedeutung erlangen, die das Burgtheater traditionell für
die klassische Dichtung besitzt. Sie soll, im innersten Wesen echt volkstümlich
geartet, jeder spekulativen Absicht fern stehen, von dem Wiener Volkstheatcr-
verein in eigner Regie geführt werden und bei allerbilligsten Preisen much
den unbemitteltsten Schichten zugänglich sein. Das Neinertrügnis des Theaters
soll alljährlich großen Humanitären Unternehmungen zugeführt werden, sodaß
dieses zugleich eine immerwährende Fundgrube zur nachhaltigen Forderung
derartiger Zwecke bilden würde. Solche Einrichtungen wären für uns Deutsche
noch notwendiger; denn nicht mehr durch Massenverbreitung von klassischen
Romanen und Novellen, von Erbanuugsschriften und Volksbüchern läßt sich
die soziale Bewegung beeinflussen und regeln. Wer heutzutage das Volk in
geistiger und sittlicher Beziehung leiten und heben will, der hat außer den
angeführten Maßregeln kein besseres Mittel als die volkstümliche Bühne; nur
das Angeschaute wirkt und haftet. Mögen hier die unruhigen Geister aufeinander¬
platzen, die geheimen Umtriebe gemeiner Hetzer vor das Forum der Öffentlich¬
keit gezogen werden, die unklaren Begriffe sich klären, nud das Volk sich
wiederfinden in seiner eignen Welt, in seinen Sorgen und Freuden.




Das Heidentum in der römischen Kirche

er erste Teil des nnter diesem Titel erschienenen interessanten
Werkes") ist in Ur. 49 des vorigen Jahrganges der Grenzboten
besprochen worden. Einige Kapitelüberschriften mögen den In¬
halt des vorliegenden Bandes andeuten. Pompeji, keine Toten-
stadt (d. h., die heutigen Bewohner der Ortschaften um Pompeji
leben ganz in den Vorstellungen, Gewohnheiten und Gebräuchen der ver¬
schütteten Pompejaner); Schlangenverehrnng; die große Mutter; die neue Juno
(die heilige Anna); ein Vergessener (der Apostel Paulus, der deu heutigen
Bewohnern Puteolis unbekannt ist, obwohl er im Jahre 62 dort landete und
von den Brüdern begrüßt wurde); Hausgötter; Ablaß; vom Nachfolger des
Neptun (Se. Nikolaus). Das Unternehmen, dem heidnischen Ursprünge der



Das Heidentum in der römischen Kirche. Bilder aus dem religiösen und sitt¬
lichen Leben Sttditnlieus vou Th. Trete. Zweiter Teil. Gotha, Fr. A. Perthes.
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[0220] Das Heidentum in der römischen Kirche eine Nativnalbühne zur Pflege des wahren Volksstückes, der Banernkomödie, der Posse, des Znubermärchens und Singspiels mit Ausschluß alles Operetten¬ artigen. Diese Bühne soll, wie es im Aufruf heißt, für die dramatische Volks¬ dichtung die gleiche Bedeutung erlangen, die das Burgtheater traditionell für die klassische Dichtung besitzt. Sie soll, im innersten Wesen echt volkstümlich geartet, jeder spekulativen Absicht fern stehen, von dem Wiener Volkstheatcr- verein in eigner Regie geführt werden und bei allerbilligsten Preisen much den unbemitteltsten Schichten zugänglich sein. Das Neinertrügnis des Theaters soll alljährlich großen Humanitären Unternehmungen zugeführt werden, sodaß dieses zugleich eine immerwährende Fundgrube zur nachhaltigen Forderung derartiger Zwecke bilden würde. Solche Einrichtungen wären für uns Deutsche noch notwendiger; denn nicht mehr durch Massenverbreitung von klassischen Romanen und Novellen, von Erbanuugsschriften und Volksbüchern läßt sich die soziale Bewegung beeinflussen und regeln. Wer heutzutage das Volk in geistiger und sittlicher Beziehung leiten und heben will, der hat außer den angeführten Maßregeln kein besseres Mittel als die volkstümliche Bühne; nur das Angeschaute wirkt und haftet. Mögen hier die unruhigen Geister aufeinander¬ platzen, die geheimen Umtriebe gemeiner Hetzer vor das Forum der Öffentlich¬ keit gezogen werden, die unklaren Begriffe sich klären, nud das Volk sich wiederfinden in seiner eignen Welt, in seinen Sorgen und Freuden. Das Heidentum in der römischen Kirche er erste Teil des nnter diesem Titel erschienenen interessanten Werkes") ist in Ur. 49 des vorigen Jahrganges der Grenzboten besprochen worden. Einige Kapitelüberschriften mögen den In¬ halt des vorliegenden Bandes andeuten. Pompeji, keine Toten- stadt (d. h., die heutigen Bewohner der Ortschaften um Pompeji leben ganz in den Vorstellungen, Gewohnheiten und Gebräuchen der ver¬ schütteten Pompejaner); Schlangenverehrnng; die große Mutter; die neue Juno (die heilige Anna); ein Vergessener (der Apostel Paulus, der deu heutigen Bewohnern Puteolis unbekannt ist, obwohl er im Jahre 62 dort landete und von den Brüdern begrüßt wurde); Hausgötter; Ablaß; vom Nachfolger des Neptun (Se. Nikolaus). Das Unternehmen, dem heidnischen Ursprünge der Das Heidentum in der römischen Kirche. Bilder aus dem religiösen und sitt¬ lichen Leben Sttditnlieus vou Th. Trete. Zweiter Teil. Gotha, Fr. A. Perthes.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/220>, abgerufen am 27.04.2024.