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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Litteratur

diese Karfunkel nus der Meerestiefe zu holen! Der Glückliche würde wieder, wie
die nordische Semiramis Margaretha, die drei Kronen Schweden, Norwegen und
Dänemark, aber für immer vereinigen!" Wenn das zur Volkssage gehörte, dann
ließe man sichs gefallen; allein die Erzählung der Sage wird ja durch die vorher¬
gehende Worte deutlich geschlossen; und wie in aller Welt kommt ein moderner
Mensch dazu, solchen Unsinn vorzubringen? Tadeln ist nun freilich viel leichter
als besser machen. Wir verkenne" die Schwierigkeit der Aufgabe so wenig, als sie
Schwebel selbst, laut der Vorrede, verkannt hat. Wir weisen auf diese schwache
Seite des Buches uur in seinem eignen Interesse hin, für den Fall, daß es noch
weitere Auflagen erlebt.


Arbeiterschutz, insbesondre Maximalarbeitstag, vom Standpunkte der deutschen Ge¬
werkvereine. Im Namen des Zentralrats von Dr. Max Hirsch, Anwalt der deutscheu Ge¬
werkvereine, Mitglied des Reichstages. Berlin, Walther und Apvlant, 1390

Der Verfasser sucht in diesem kleinen Schriftchen nachzuweisen, daß mit den
jetzt geplanten Arbeiterschutzbestimmungen nur die alten Forderungen der Gewerk-
vereine erfüllt würden, und bekämpft die sozialdemokratische Forderung des Acht¬
stundenarbeitstages für Männer.


Das Cölibat. Novelle von Ernst Hattler. Hamburg, Otto Meißner, 1390

Die alte Geschichte, wie das Cölibat einen katholischen Pfarrer aus seiner
Kirche vertreibt, wird hier in dem schlichten, behaglich breiten und moralisirenden
Tone einer Jugendschrift vom Schlage der "Ostereier" erzählt. Das Ganze macht
so sehr den Eindruck einer Reihenfolge wirklicher Begebenheiten, daß auch solche
Nebenumstände stehen geblieben zu sein scheinen, die ein Künstler bei der Bearbei¬
tung herausgefeilt haben würde. Für Gartenlaubenleserinnen taugt der Held nichts;
er ist weder eine Feuerseele noch ein Schönheitsideal, sondern ein zaghaftes, un¬
beholfenes und etwas einfältiges Männchen und wird, nachdem ihm seine Köchin,
mit der er in Gewissensehe gelebt hatte, gestorben ist, in zweiter Ehe mit einem
Ebenbilde seiner Anna glücklicher, als er in seiner Dummheit verdient hätte, oder,
wenn man lieber will, so glücklich, wie es gewöhnlich nur den Dummen beschieden
ist. Übrigens hat die Cölibatsfrage ihre Bedeutung verloren, seitdem die Zahl der
Männer aller Stände und Konfessionen, denen der Zwang der Ehelosigkeit durch
die sozialen Zustände auferlegt wird, zehnmal so groß ist, als die der katholischen
Geistlichen. Die gesetzliche Erlaubnis, zu heiraten, nützt diesen Leuten nichts, und
wenn es ihnen dann, so um das vierzigste Jahr herum, auch die Verhältnisse
erlauben, haben sie ihre Gewissenskonflikte bereits hinter sich.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grnnow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
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diese Karfunkel nus der Meerestiefe zu holen! Der Glückliche würde wieder, wie
die nordische Semiramis Margaretha, die drei Kronen Schweden, Norwegen und
Dänemark, aber für immer vereinigen!" Wenn das zur Volkssage gehörte, dann
ließe man sichs gefallen; allein die Erzählung der Sage wird ja durch die vorher¬
gehende Worte deutlich geschlossen; und wie in aller Welt kommt ein moderner
Mensch dazu, solchen Unsinn vorzubringen? Tadeln ist nun freilich viel leichter
als besser machen. Wir verkenne« die Schwierigkeit der Aufgabe so wenig, als sie
Schwebel selbst, laut der Vorrede, verkannt hat. Wir weisen auf diese schwache
Seite des Buches uur in seinem eignen Interesse hin, für den Fall, daß es noch
weitere Auflagen erlebt.


Arbeiterschutz, insbesondre Maximalarbeitstag, vom Standpunkte der deutschen Ge¬
werkvereine. Im Namen des Zentralrats von Dr. Max Hirsch, Anwalt der deutscheu Ge¬
werkvereine, Mitglied des Reichstages. Berlin, Walther und Apvlant, 1390

Der Verfasser sucht in diesem kleinen Schriftchen nachzuweisen, daß mit den
jetzt geplanten Arbeiterschutzbestimmungen nur die alten Forderungen der Gewerk-
vereine erfüllt würden, und bekämpft die sozialdemokratische Forderung des Acht¬
stundenarbeitstages für Männer.


Das Cölibat. Novelle von Ernst Hattler. Hamburg, Otto Meißner, 1390

Die alte Geschichte, wie das Cölibat einen katholischen Pfarrer aus seiner
Kirche vertreibt, wird hier in dem schlichten, behaglich breiten und moralisirenden
Tone einer Jugendschrift vom Schlage der „Ostereier" erzählt. Das Ganze macht
so sehr den Eindruck einer Reihenfolge wirklicher Begebenheiten, daß auch solche
Nebenumstände stehen geblieben zu sein scheinen, die ein Künstler bei der Bearbei¬
tung herausgefeilt haben würde. Für Gartenlaubenleserinnen taugt der Held nichts;
er ist weder eine Feuerseele noch ein Schönheitsideal, sondern ein zaghaftes, un¬
beholfenes und etwas einfältiges Männchen und wird, nachdem ihm seine Köchin,
mit der er in Gewissensehe gelebt hatte, gestorben ist, in zweiter Ehe mit einem
Ebenbilde seiner Anna glücklicher, als er in seiner Dummheit verdient hätte, oder,
wenn man lieber will, so glücklich, wie es gewöhnlich nur den Dummen beschieden
ist. Übrigens hat die Cölibatsfrage ihre Bedeutung verloren, seitdem die Zahl der
Männer aller Stände und Konfessionen, denen der Zwang der Ehelosigkeit durch
die sozialen Zustände auferlegt wird, zehnmal so groß ist, als die der katholischen
Geistlichen. Die gesetzliche Erlaubnis, zu heiraten, nützt diesen Leuten nichts, und
wenn es ihnen dann, so um das vierzigste Jahr herum, auch die Verhältnisse
erlauben, haben sie ihre Gewissenskonflikte bereits hinter sich.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grnnow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0248] Litteratur diese Karfunkel nus der Meerestiefe zu holen! Der Glückliche würde wieder, wie die nordische Semiramis Margaretha, die drei Kronen Schweden, Norwegen und Dänemark, aber für immer vereinigen!" Wenn das zur Volkssage gehörte, dann ließe man sichs gefallen; allein die Erzählung der Sage wird ja durch die vorher¬ gehende Worte deutlich geschlossen; und wie in aller Welt kommt ein moderner Mensch dazu, solchen Unsinn vorzubringen? Tadeln ist nun freilich viel leichter als besser machen. Wir verkenne« die Schwierigkeit der Aufgabe so wenig, als sie Schwebel selbst, laut der Vorrede, verkannt hat. Wir weisen auf diese schwache Seite des Buches uur in seinem eignen Interesse hin, für den Fall, daß es noch weitere Auflagen erlebt. Arbeiterschutz, insbesondre Maximalarbeitstag, vom Standpunkte der deutschen Ge¬ werkvereine. Im Namen des Zentralrats von Dr. Max Hirsch, Anwalt der deutscheu Ge¬ werkvereine, Mitglied des Reichstages. Berlin, Walther und Apvlant, 1390 Der Verfasser sucht in diesem kleinen Schriftchen nachzuweisen, daß mit den jetzt geplanten Arbeiterschutzbestimmungen nur die alten Forderungen der Gewerk- vereine erfüllt würden, und bekämpft die sozialdemokratische Forderung des Acht¬ stundenarbeitstages für Männer. Das Cölibat. Novelle von Ernst Hattler. Hamburg, Otto Meißner, 1390 Die alte Geschichte, wie das Cölibat einen katholischen Pfarrer aus seiner Kirche vertreibt, wird hier in dem schlichten, behaglich breiten und moralisirenden Tone einer Jugendschrift vom Schlage der „Ostereier" erzählt. Das Ganze macht so sehr den Eindruck einer Reihenfolge wirklicher Begebenheiten, daß auch solche Nebenumstände stehen geblieben zu sein scheinen, die ein Künstler bei der Bearbei¬ tung herausgefeilt haben würde. Für Gartenlaubenleserinnen taugt der Held nichts; er ist weder eine Feuerseele noch ein Schönheitsideal, sondern ein zaghaftes, un¬ beholfenes und etwas einfältiges Männchen und wird, nachdem ihm seine Köchin, mit der er in Gewissensehe gelebt hatte, gestorben ist, in zweiter Ehe mit einem Ebenbilde seiner Anna glücklicher, als er in seiner Dummheit verdient hätte, oder, wenn man lieber will, so glücklich, wie es gewöhnlich nur den Dummen beschieden ist. Übrigens hat die Cölibatsfrage ihre Bedeutung verloren, seitdem die Zahl der Männer aller Stände und Konfessionen, denen der Zwang der Ehelosigkeit durch die sozialen Zustände auferlegt wird, zehnmal so groß ist, als die der katholischen Geistlichen. Die gesetzliche Erlaubnis, zu heiraten, nützt diesen Leuten nichts, und wenn es ihnen dann, so um das vierzigste Jahr herum, auch die Verhältnisse erlauben, haben sie ihre Gewissenskonflikte bereits hinter sich. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grnnow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/248>, abgerufen am 27.04.2024.