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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Die Arbeitsordnung und der Arbeitsvertrag

le noch in der Beratung des Reichstages befindliche Gewerbe-
ordnungsnvvelle enthält unter anderm i" 8 1^4", die Vestinnnuug,
daß in jeder Fabrik eine Arbeitsordnung erlassen werden soll,
die in allen wesentlichen Punkten die Arbeit regelt. In 5 I34(l
ist gesagt, daß vor Erlaß dieser Arbeitsordnung oder eines
Nachtrags dazu den Arbeitern Gelegenheit gegeben werden müsse, sich über
deren Inhalt zu nußern. Wo ein Arbeitsausschuß bestehe, genüge die An¬
hörung dieses Ausschusses. Nach H I34o soll eine solche Arbeitsordnung nach
dem Erlaß der Verwaltungsbehörde abschriftlich eingereicht und dabei die Ver¬
sicherung abgegeben werde", daß der Vorschrift des H I34ä genügt sei. Die
Einhaltung dieser Borschriften ist schließlich unter die Strafandrohung des
146 der Gewerbeordnung gestellt.

In den Kreisen der Arbeitgeber scheint man ans die neuen Vorschriften,
deren Tragweite man sich nicht recht klar zu machen vermag, mit nicht geringer
Unruhe zu blicken. In dem von dem "Vereine zur Wahrung der wirtschaftlichen
Interessen von Handel und Gewerbe" herausgegebenen Hefte Ur. 23 finden
wir in der Einleitung folgendes gesagt:

Bisher war die Gestaltung des Arbeitsvertrages der freien Übereinkunft beider
Parteien anheimgegeben, ein Prinzip, welches durch die bisher im Reichsgesetz
begründeten Beschränkungen nicht angetastet wurde. Der Arbeiter bot an, was er
an Arbeit zu leisten willens war, und stellte den Preis für seine Arbeit, der Arbeit¬
geber bezeichnete, was er an Arbeit beanspruche und was er dafür zu zahlen
bereit sei. Wenn auf dieser Grundlage eine Vereinbarung zu stände kam, wobei
jedem Teile vollständige Entschließung gewahrt war, so wurde der Arbeitsvertrng
abgeschlossen. Durch das neue Gesetz sollen nnn weitere Beschränkungen in der
Richtung eingeführt werden, daß der für sein Unternehmen allein verantwortliche


Grenzboten III 1890 49


Die Arbeitsordnung und der Arbeitsvertrag

le noch in der Beratung des Reichstages befindliche Gewerbe-
ordnungsnvvelle enthält unter anderm i» 8 1^4», die Vestinnnuug,
daß in jeder Fabrik eine Arbeitsordnung erlassen werden soll,
die in allen wesentlichen Punkten die Arbeit regelt. In 5 I34(l
ist gesagt, daß vor Erlaß dieser Arbeitsordnung oder eines
Nachtrags dazu den Arbeitern Gelegenheit gegeben werden müsse, sich über
deren Inhalt zu nußern. Wo ein Arbeitsausschuß bestehe, genüge die An¬
hörung dieses Ausschusses. Nach H I34o soll eine solche Arbeitsordnung nach
dem Erlaß der Verwaltungsbehörde abschriftlich eingereicht und dabei die Ver¬
sicherung abgegeben werde», daß der Vorschrift des H I34ä genügt sei. Die
Einhaltung dieser Borschriften ist schließlich unter die Strafandrohung des
146 der Gewerbeordnung gestellt.

In den Kreisen der Arbeitgeber scheint man ans die neuen Vorschriften,
deren Tragweite man sich nicht recht klar zu machen vermag, mit nicht geringer
Unruhe zu blicken. In dem von dem „Vereine zur Wahrung der wirtschaftlichen
Interessen von Handel und Gewerbe" herausgegebenen Hefte Ur. 23 finden
wir in der Einleitung folgendes gesagt:

Bisher war die Gestaltung des Arbeitsvertrages der freien Übereinkunft beider
Parteien anheimgegeben, ein Prinzip, welches durch die bisher im Reichsgesetz
begründeten Beschränkungen nicht angetastet wurde. Der Arbeiter bot an, was er
an Arbeit zu leisten willens war, und stellte den Preis für seine Arbeit, der Arbeit¬
geber bezeichnete, was er an Arbeit beanspruche und was er dafür zu zahlen
bereit sei. Wenn auf dieser Grundlage eine Vereinbarung zu stände kam, wobei
jedem Teile vollständige Entschließung gewahrt war, so wurde der Arbeitsvertrng
abgeschlossen. Durch das neue Gesetz sollen nnn weitere Beschränkungen in der
Richtung eingeführt werden, daß der für sein Unternehmen allein verantwortliche


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[0393] [Abbildung] Die Arbeitsordnung und der Arbeitsvertrag le noch in der Beratung des Reichstages befindliche Gewerbe- ordnungsnvvelle enthält unter anderm i» 8 1^4», die Vestinnnuug, daß in jeder Fabrik eine Arbeitsordnung erlassen werden soll, die in allen wesentlichen Punkten die Arbeit regelt. In 5 I34(l ist gesagt, daß vor Erlaß dieser Arbeitsordnung oder eines Nachtrags dazu den Arbeitern Gelegenheit gegeben werden müsse, sich über deren Inhalt zu nußern. Wo ein Arbeitsausschuß bestehe, genüge die An¬ hörung dieses Ausschusses. Nach H I34o soll eine solche Arbeitsordnung nach dem Erlaß der Verwaltungsbehörde abschriftlich eingereicht und dabei die Ver¬ sicherung abgegeben werde», daß der Vorschrift des H I34ä genügt sei. Die Einhaltung dieser Borschriften ist schließlich unter die Strafandrohung des 146 der Gewerbeordnung gestellt. In den Kreisen der Arbeitgeber scheint man ans die neuen Vorschriften, deren Tragweite man sich nicht recht klar zu machen vermag, mit nicht geringer Unruhe zu blicken. In dem von dem „Vereine zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen von Handel und Gewerbe" herausgegebenen Hefte Ur. 23 finden wir in der Einleitung folgendes gesagt: Bisher war die Gestaltung des Arbeitsvertrages der freien Übereinkunft beider Parteien anheimgegeben, ein Prinzip, welches durch die bisher im Reichsgesetz begründeten Beschränkungen nicht angetastet wurde. Der Arbeiter bot an, was er an Arbeit zu leisten willens war, und stellte den Preis für seine Arbeit, der Arbeit¬ geber bezeichnete, was er an Arbeit beanspruche und was er dafür zu zahlen bereit sei. Wenn auf dieser Grundlage eine Vereinbarung zu stände kam, wobei jedem Teile vollständige Entschließung gewahrt war, so wurde der Arbeitsvertrng abgeschlossen. Durch das neue Gesetz sollen nnn weitere Beschränkungen in der Richtung eingeführt werden, daß der für sein Unternehmen allein verantwortliche Grenzboten III 1890 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/393>, abgerufen am 27.04.2024.