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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Litteratur

seines engern Vaterlandes innerhalb der ersten Periode preußischer Herrschaft
eigentlich gleichbedeutend sei mit der Abfassung "eines Stückes Biographie des
großen Königs"; von diesem Gesichtspunkte ans erklärt sich denn auch der Titel
des hier angezeigten, erst kürzlich veröffentlichten Bandes der schlesischen Landes¬
geschichte. Die Vorzüge, die wir bei Besprechung der ersten beiden Bände dem
Verfasser zuzuerkennen uns für berechtigt hielten, treten muh hier deutlich hervor:
streng wissenschaftliche Behandlung des Stoffes, Heranziehung und Verwertung eines
äußerst umfänglichen Quelleumnterials -- wie dies nur bei einem so bewanderten
Archivbeamten und genanen Kenner seiner heimatlichen Geschichte, wie er, voraus¬
gesetzt werdeu darf -- und eine klare, gefällige Dnrstellungsweise in knapper, hie
und dn den Wissensdurst des Lesers vielleicht uicht ganz befriedigender Form. Wie
in den beiden Teilen der "Geschichte Schlesiens," so sind auch in dieser neuesten
Veröffentlichung Grünhagens die Qmllennachweisungen als selbständiger Abschnitt
dem Text angefügt; ein gutes Register bildet den Schluß des Ganzen. Als be¬
sonders lesenswerte Partien des Buches seien die die Huldigung zu Breslau (am
7. November 1741) Seite 175 f. und die Einrichtung der Preußischen Herrschaft
behandelnden dem Leser empfohlen. Die Schilderung der Entwicklung der mili¬
tärischen Verhältnisse in Schlesien in der Zeit zwischen dem ersten und dein zweiten
schlesischen Kriege und hier insbesondre der die Ausbildung des Milizsystems be¬
treffende Abschnitt, Seite 409 f., dürfte namentlich in den militärische" Fachkreisen
Anerkennung finden.


0 <1>ni.iz mut^tin rsrum! Remimszenzen eines alten Jenensers. Bon Theobnld
Raßmus. Leipzig, A. Lorentz

Der Titel dieses Buches bereitet auf das ewige Klagelied von der guten alten
Zeit vor. Aber es ist nicht so böse gemeint. Der Verfasser rügt in ähnlicher
Weise, wie es anch in diesen Blättern wiederholt geschehen ist, das hereinbrechende
Stutzerwesen und die übertriebnen Höflichkeitsformen im Verkehre der heutigen
Studentenschaft unter einander. Aber er ist nicht blind dagegen, daß sich manches
zum Bessern gewendet hat, und im weitern könnte er wohl in Anrechnung bringen,
daß er selbst eben um dreißig Jahre älter geworden ist. Denn weiter liegt seine
Universitätszeit noch nicht hinter ihm, und wenn alte Herren von 1830 das Treiben
um 1860 angesehen haben, das ihm in so rosigem Licht erscheint, dürfte auch
mancher das 0 M-nru angestimmt haben. Die harmlosen Suiten und Spritzfahrten,
Paukereien und Nasführungen der Pudel u. dergl. in. sind hübsch und anspruchslos
erzählt und werden vor allem uuter einstigen Jenenscrn ein dankbares Publikum
finden, nicht minder die Bildnisse der Gründer der Burschenschaft, die Abbildungen
von Gebunden, Malereien im Carcer u. f. w. Am anmutendsten ist die Schilderung
des damaligen Verhältnisses zwischen Professoren und Studenten; wir sehen nicht
ein, weshalb die Namen der würdigen, leutseligen Herren nicht angeschrieben
worden sind.






Für die Reduktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

seines engern Vaterlandes innerhalb der ersten Periode preußischer Herrschaft
eigentlich gleichbedeutend sei mit der Abfassung „eines Stückes Biographie des
großen Königs"; von diesem Gesichtspunkte ans erklärt sich denn auch der Titel
des hier angezeigten, erst kürzlich veröffentlichten Bandes der schlesischen Landes¬
geschichte. Die Vorzüge, die wir bei Besprechung der ersten beiden Bände dem
Verfasser zuzuerkennen uns für berechtigt hielten, treten muh hier deutlich hervor:
streng wissenschaftliche Behandlung des Stoffes, Heranziehung und Verwertung eines
äußerst umfänglichen Quelleumnterials — wie dies nur bei einem so bewanderten
Archivbeamten und genanen Kenner seiner heimatlichen Geschichte, wie er, voraus¬
gesetzt werdeu darf — und eine klare, gefällige Dnrstellungsweise in knapper, hie
und dn den Wissensdurst des Lesers vielleicht uicht ganz befriedigender Form. Wie
in den beiden Teilen der „Geschichte Schlesiens," so sind auch in dieser neuesten
Veröffentlichung Grünhagens die Qmllennachweisungen als selbständiger Abschnitt
dem Text angefügt; ein gutes Register bildet den Schluß des Ganzen. Als be¬
sonders lesenswerte Partien des Buches seien die die Huldigung zu Breslau (am
7. November 1741) Seite 175 f. und die Einrichtung der Preußischen Herrschaft
behandelnden dem Leser empfohlen. Die Schilderung der Entwicklung der mili¬
tärischen Verhältnisse in Schlesien in der Zeit zwischen dem ersten und dein zweiten
schlesischen Kriege und hier insbesondre der die Ausbildung des Milizsystems be¬
treffende Abschnitt, Seite 409 f., dürfte namentlich in den militärische» Fachkreisen
Anerkennung finden.


0 <1>ni.iz mut^tin rsrum! Remimszenzen eines alten Jenensers. Bon Theobnld
Raßmus. Leipzig, A. Lorentz

Der Titel dieses Buches bereitet auf das ewige Klagelied von der guten alten
Zeit vor. Aber es ist nicht so böse gemeint. Der Verfasser rügt in ähnlicher
Weise, wie es anch in diesen Blättern wiederholt geschehen ist, das hereinbrechende
Stutzerwesen und die übertriebnen Höflichkeitsformen im Verkehre der heutigen
Studentenschaft unter einander. Aber er ist nicht blind dagegen, daß sich manches
zum Bessern gewendet hat, und im weitern könnte er wohl in Anrechnung bringen,
daß er selbst eben um dreißig Jahre älter geworden ist. Denn weiter liegt seine
Universitätszeit noch nicht hinter ihm, und wenn alte Herren von 1830 das Treiben
um 1860 angesehen haben, das ihm in so rosigem Licht erscheint, dürfte auch
mancher das 0 M-nru angestimmt haben. Die harmlosen Suiten und Spritzfahrten,
Paukereien und Nasführungen der Pudel u. dergl. in. sind hübsch und anspruchslos
erzählt und werden vor allem uuter einstigen Jenenscrn ein dankbares Publikum
finden, nicht minder die Bildnisse der Gründer der Burschenschaft, die Abbildungen
von Gebunden, Malereien im Carcer u. f. w. Am anmutendsten ist die Schilderung
des damaligen Verhältnisses zwischen Professoren und Studenten; wir sehen nicht
ein, weshalb die Namen der würdigen, leutseligen Herren nicht angeschrieben
worden sind.






Für die Reduktion verantwortlich: Johannes Grunvw in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/440>, abgerufen am 27.04.2024.