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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Die Erweiterung der Erbschaftssteuer

urch die Tagesblätter geht die Nachricht, daß bei der bevor¬
stehenden Steuerreform in Preußen auch die Erbschaftssteuer in
Betracht gezogen und namentlich in der Richtung erweitert werden
solle, daß auch Kinder und Eltern, sonne der Ehegatte des Erb¬
lassers, die alle bisher von der Erbschaftssteuer frei waren, ihr
unterworfen werden. Indem wir diese Frage zu besprechen unternehmen, wollen
wir sofort das Ziel, das nur vor Augen haben, offen hinstellen. Wir halten
die Steuer, soweit sie auf den Erbschnftserwerb von Seitenverwandten und
Familienfreuden gelegt wird, für eine wohl annehmbare, obgleich die häßlichen
Prozesse, die ans der so oft zweifelhaften Veranlagung der Steuer hervorgehen,
nicht gerade eine erfreuliche Beigabe sind. Für jene ferner stehenden Personen
hat in der That der Erbschaftserwerb meistens die Natur eines zufälligen, oft
ganz unverhoffte"! Gewinnes. Es ist nicht unbillig, wenn in einem solchen
Falle der Staat einen Anteil an diesem Gewinn beansprucht. Die Steuer wird
in der großen Mehrzahl dieser Fälle auch die Beteiligten nicht schwer treffen.
Ja wir würde" in der fraglichen Richtung noch einen bedeutenden Schritt
weitergehen. Wir können es nicht für ein Bedürfnis halten, Verwandten in
jeder beliebige" Entfernung die Erbschaft eines Verstorbenen zu eröffnen.
Solche, die nur durch Gemeinsamkeit eines der Urgrvßeltern mit dem Erblasser
verwandt sind, sollte man nicht mehr als erbberechtigte Verwandte anerkennen,
vielmehr da, wo sür eine Erbschaft kein näherer als solche Verwandte und auch
keine Testamentserbcn vorhanden siud, die Erbschaft in ihrem ganzen Umfange
dem Staate und -- was wohl der Gerechtigkeit entspräche -- zu einem Teile
auch der Gemeinde, der der Erblasser angehörte, überweisen. Man wird nach
diesem Vorschlage uns nicht in den" Verdacht haben können, daß nur nicht den


Grenzboten III 1890 61


Die Erweiterung der Erbschaftssteuer

urch die Tagesblätter geht die Nachricht, daß bei der bevor¬
stehenden Steuerreform in Preußen auch die Erbschaftssteuer in
Betracht gezogen und namentlich in der Richtung erweitert werden
solle, daß auch Kinder und Eltern, sonne der Ehegatte des Erb¬
lassers, die alle bisher von der Erbschaftssteuer frei waren, ihr
unterworfen werden. Indem wir diese Frage zu besprechen unternehmen, wollen
wir sofort das Ziel, das nur vor Augen haben, offen hinstellen. Wir halten
die Steuer, soweit sie auf den Erbschnftserwerb von Seitenverwandten und
Familienfreuden gelegt wird, für eine wohl annehmbare, obgleich die häßlichen
Prozesse, die ans der so oft zweifelhaften Veranlagung der Steuer hervorgehen,
nicht gerade eine erfreuliche Beigabe sind. Für jene ferner stehenden Personen
hat in der That der Erbschaftserwerb meistens die Natur eines zufälligen, oft
ganz unverhoffte»! Gewinnes. Es ist nicht unbillig, wenn in einem solchen
Falle der Staat einen Anteil an diesem Gewinn beansprucht. Die Steuer wird
in der großen Mehrzahl dieser Fälle auch die Beteiligten nicht schwer treffen.
Ja wir würde» in der fraglichen Richtung noch einen bedeutenden Schritt
weitergehen. Wir können es nicht für ein Bedürfnis halten, Verwandten in
jeder beliebige» Entfernung die Erbschaft eines Verstorbenen zu eröffnen.
Solche, die nur durch Gemeinsamkeit eines der Urgrvßeltern mit dem Erblasser
verwandt sind, sollte man nicht mehr als erbberechtigte Verwandte anerkennen,
vielmehr da, wo sür eine Erbschaft kein näherer als solche Verwandte und auch
keine Testamentserbcn vorhanden siud, die Erbschaft in ihrem ganzen Umfange
dem Staate und — was wohl der Gerechtigkeit entspräche — zu einem Teile
auch der Gemeinde, der der Erblasser angehörte, überweisen. Man wird nach
diesem Vorschlage uns nicht in den« Verdacht haben können, daß nur nicht den


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[0489] [Abbildung] Die Erweiterung der Erbschaftssteuer urch die Tagesblätter geht die Nachricht, daß bei der bevor¬ stehenden Steuerreform in Preußen auch die Erbschaftssteuer in Betracht gezogen und namentlich in der Richtung erweitert werden solle, daß auch Kinder und Eltern, sonne der Ehegatte des Erb¬ lassers, die alle bisher von der Erbschaftssteuer frei waren, ihr unterworfen werden. Indem wir diese Frage zu besprechen unternehmen, wollen wir sofort das Ziel, das nur vor Augen haben, offen hinstellen. Wir halten die Steuer, soweit sie auf den Erbschnftserwerb von Seitenverwandten und Familienfreuden gelegt wird, für eine wohl annehmbare, obgleich die häßlichen Prozesse, die ans der so oft zweifelhaften Veranlagung der Steuer hervorgehen, nicht gerade eine erfreuliche Beigabe sind. Für jene ferner stehenden Personen hat in der That der Erbschaftserwerb meistens die Natur eines zufälligen, oft ganz unverhoffte»! Gewinnes. Es ist nicht unbillig, wenn in einem solchen Falle der Staat einen Anteil an diesem Gewinn beansprucht. Die Steuer wird in der großen Mehrzahl dieser Fälle auch die Beteiligten nicht schwer treffen. Ja wir würde» in der fraglichen Richtung noch einen bedeutenden Schritt weitergehen. Wir können es nicht für ein Bedürfnis halten, Verwandten in jeder beliebige» Entfernung die Erbschaft eines Verstorbenen zu eröffnen. Solche, die nur durch Gemeinsamkeit eines der Urgrvßeltern mit dem Erblasser verwandt sind, sollte man nicht mehr als erbberechtigte Verwandte anerkennen, vielmehr da, wo sür eine Erbschaft kein näherer als solche Verwandte und auch keine Testamentserbcn vorhanden siud, die Erbschaft in ihrem ganzen Umfange dem Staate und — was wohl der Gerechtigkeit entspräche — zu einem Teile auch der Gemeinde, der der Erblasser angehörte, überweisen. Man wird nach diesem Vorschlage uns nicht in den« Verdacht haben können, daß nur nicht den Grenzboten III 1890 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/489>, abgerufen am 27.04.2024.