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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Die Kunst in England
R. Muth er von

is vor kurzem wußte man bei uns nicht viel von England
und seiner Kunst. Während in allen Blättern Berichte über
den Pariser Salon zu finden sind, ist über die großen englische"
Ausstellungen fast nichts zu lesen. Auf hundert Deutsche, die
alljährlich Paris besuchen, kommen nicht zehn, die nach London
gehen, da die Abgeschlossenheit des englischen Lebens und der berühmte Nebel
Londons 'wenig zu Vergnügungsreisen einladen. Erst seit der Berliner Ju¬
biläumsausstellung , der Münchner Internationalen und der Pariser Welt¬
allsstellung wurde die englische Malerei in weitern Kreisen bekannt, während
wir bisher gewohnt waren, die Engländer als ein durchaus praktisches Volk
zu betrachten, das in Maschinenball, Mechanik, Chemie, Handel und Volks¬
wirtschaft hervorragendes leiste, auf dem Gebiete der Kunst aber nur als
Sammler und .Käufer in Frage komme.

Nun ist es richtig, daß in der SammlertlMigkeit der Engländer das
Hauptverdienst liegt, das sie sich um die Kunst erworben haben. Zu einer
Zeit, wo die andern Völker noch nicht daran dachten, alte Kunstwerke zu
sammeln, haben die Engländer sie dem Untergang entrissen. Die feinsten
Holländer, Hobbema und Cuyp, sind erst durch die Engländer für die Kunst¬
geschichte entdeckt worden. Nirgends werden so viele Bücher über Kunst ge¬
lesen, nirgends giebt es so viele vornehme Liebhaber, nirgends so glänzend
ausgestattete Sammlungen lvie dort. Es ist nicht leicht, in diese Privat-
sammlungen Zutritt zu erhalten, man braucht Empfehlungen, mau muß sich
als Gentleman ausweisen. Ist das aber geschehen, so wird man vollkommen
als solcher behandelt. Während man in den Pariser Privatsammlungen, die
viel leichter zugänglich sind, kein Blatt in die Hand bekommt, immer nur das
sehen kann, was einem der Diener vorhält, kann man in den Londoner frei
arbeiten, als wäre man selbst Konservator. Die Krone der öffentlichen Anstalten
ist bekanntlich das wunderbare Britische Museum, mit dem auch die große
Bibliothek lind die Kupferstichsammlung verbunden ist, das, glänzend dotirt
lvie kein andres ähnliches Institut, einen ungeheuern Schatz von Kunstwerken




Die Kunst in England
R. Muth er von

is vor kurzem wußte man bei uns nicht viel von England
und seiner Kunst. Während in allen Blättern Berichte über
den Pariser Salon zu finden sind, ist über die großen englische»
Ausstellungen fast nichts zu lesen. Auf hundert Deutsche, die
alljährlich Paris besuchen, kommen nicht zehn, die nach London
gehen, da die Abgeschlossenheit des englischen Lebens und der berühmte Nebel
Londons 'wenig zu Vergnügungsreisen einladen. Erst seit der Berliner Ju¬
biläumsausstellung , der Münchner Internationalen und der Pariser Welt¬
allsstellung wurde die englische Malerei in weitern Kreisen bekannt, während
wir bisher gewohnt waren, die Engländer als ein durchaus praktisches Volk
zu betrachten, das in Maschinenball, Mechanik, Chemie, Handel und Volks¬
wirtschaft hervorragendes leiste, auf dem Gebiete der Kunst aber nur als
Sammler und .Käufer in Frage komme.

Nun ist es richtig, daß in der SammlertlMigkeit der Engländer das
Hauptverdienst liegt, das sie sich um die Kunst erworben haben. Zu einer
Zeit, wo die andern Völker noch nicht daran dachten, alte Kunstwerke zu
sammeln, haben die Engländer sie dem Untergang entrissen. Die feinsten
Holländer, Hobbema und Cuyp, sind erst durch die Engländer für die Kunst¬
geschichte entdeckt worden. Nirgends werden so viele Bücher über Kunst ge¬
lesen, nirgends giebt es so viele vornehme Liebhaber, nirgends so glänzend
ausgestattete Sammlungen lvie dort. Es ist nicht leicht, in diese Privat-
sammlungen Zutritt zu erhalten, man braucht Empfehlungen, mau muß sich
als Gentleman ausweisen. Ist das aber geschehen, so wird man vollkommen
als solcher behandelt. Während man in den Pariser Privatsammlungen, die
viel leichter zugänglich sind, kein Blatt in die Hand bekommt, immer nur das
sehen kann, was einem der Diener vorhält, kann man in den Londoner frei
arbeiten, als wäre man selbst Konservator. Die Krone der öffentlichen Anstalten
ist bekanntlich das wunderbare Britische Museum, mit dem auch die große
Bibliothek lind die Kupferstichsammlung verbunden ist, das, glänzend dotirt
lvie kein andres ähnliches Institut, einen ungeheuern Schatz von Kunstwerken


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[0514] [Abbildung] Die Kunst in England R. Muth er von is vor kurzem wußte man bei uns nicht viel von England und seiner Kunst. Während in allen Blättern Berichte über den Pariser Salon zu finden sind, ist über die großen englische» Ausstellungen fast nichts zu lesen. Auf hundert Deutsche, die alljährlich Paris besuchen, kommen nicht zehn, die nach London gehen, da die Abgeschlossenheit des englischen Lebens und der berühmte Nebel Londons 'wenig zu Vergnügungsreisen einladen. Erst seit der Berliner Ju¬ biläumsausstellung , der Münchner Internationalen und der Pariser Welt¬ allsstellung wurde die englische Malerei in weitern Kreisen bekannt, während wir bisher gewohnt waren, die Engländer als ein durchaus praktisches Volk zu betrachten, das in Maschinenball, Mechanik, Chemie, Handel und Volks¬ wirtschaft hervorragendes leiste, auf dem Gebiete der Kunst aber nur als Sammler und .Käufer in Frage komme. Nun ist es richtig, daß in der SammlertlMigkeit der Engländer das Hauptverdienst liegt, das sie sich um die Kunst erworben haben. Zu einer Zeit, wo die andern Völker noch nicht daran dachten, alte Kunstwerke zu sammeln, haben die Engländer sie dem Untergang entrissen. Die feinsten Holländer, Hobbema und Cuyp, sind erst durch die Engländer für die Kunst¬ geschichte entdeckt worden. Nirgends werden so viele Bücher über Kunst ge¬ lesen, nirgends giebt es so viele vornehme Liebhaber, nirgends so glänzend ausgestattete Sammlungen lvie dort. Es ist nicht leicht, in diese Privat- sammlungen Zutritt zu erhalten, man braucht Empfehlungen, mau muß sich als Gentleman ausweisen. Ist das aber geschehen, so wird man vollkommen als solcher behandelt. Während man in den Pariser Privatsammlungen, die viel leichter zugänglich sind, kein Blatt in die Hand bekommt, immer nur das sehen kann, was einem der Diener vorhält, kann man in den Londoner frei arbeiten, als wäre man selbst Konservator. Die Krone der öffentlichen Anstalten ist bekanntlich das wunderbare Britische Museum, mit dem auch die große Bibliothek lind die Kupferstichsammlung verbunden ist, das, glänzend dotirt lvie kein andres ähnliches Institut, einen ungeheuern Schatz von Kunstwerken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/514>, abgerufen am 28.04.2024.