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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Litteratur

Seimgen verweilt, so muß auch der Laie mit Irren umzugehen und sie zu be¬
handeln verstehen. Den Laie" nun erteilt der Verfasser für den Fall, daß sie in
diese traurige Notwendigkeit versetzt werden, vortreffliche Ratschläge, die bei der
zunehmenden Nervosität unsers Geschlechts und der stetig wachsenden Zahl der
Geisteskranken leider zeitgemäß genannt werden müssen.


Studien über Getreideverkehr und Getreidepreise in Deutschland. Von l)r. August
Köttgen. Jena, G. Fischer, 1M0

"So lauge Deutschland, sagt der Verfasser S. 4, noch ein getreideausführendes
Land war, d. h. bis zum Anfange der siebziger Jahre, erschien es als das Natur¬
gemäße, daß der Überfluß an Getreide von den Ostseehäfen ans seewärts versandt
wurde. Der Westen bezog seine Einfuhr über die Niederlande, ein andrer Teil
der Fehlbetragsgebiete versorgte sich aus Österreich-Ungarn. Auch als im Laufe
der Zeit das deutsche Reich ein Land mit vvrwiegeuder Getreideeinfuhr wurde,
änderte sich an diesen Verkehrsrichtuugen noch nichts. Erst mit den achtziger
Jahren trat ein Umschwung ein: der österreichische Anteil an der Getreideeinfuhr
ging mehr und mehr zurück, der russische hob sich in demselben Maße; die Zölle
verteuerten deu inländischen Preis über den Freihandelspreis hinaus, und die Aus-
fuhrgcbiete waren nicht mehr imstande, ihren Weizen auf den auswärtige" Markt
zu bringen; immer mehr suchten sie ihren Absatz in den deutschen Einfuhrgebieten."
Die Wege dieses neuen Handelsverkehrs hat nun der Verfasser auf kartographischen
Darstellungen der Eiseubahudirektion zu Erfurt verfolgt und teilt das Ergebnis
seiner Studien in statistischen Tabellen mit. Zugleich zeigt er, wie die Preise mit
der Entfernung von den drei AuSgaugsPuukteu der Versorgung (russisch-Polnische
Grenze, Hamburg, Emmerich) steigen. Der Schlußsatz lautet: "Die Höhe der
Preise richtet sich nicht mehr, wie früher, nach den einheimischen Produktions¬
verhältnissen, sondern nach der Entfernung von den Seehäfen, welche die Ein- und
Ausfuhr vermitteln, und nach der Art und Zahl der Transportmittel."






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

Seimgen verweilt, so muß auch der Laie mit Irren umzugehen und sie zu be¬
handeln verstehen. Den Laie« nun erteilt der Verfasser für den Fall, daß sie in
diese traurige Notwendigkeit versetzt werden, vortreffliche Ratschläge, die bei der
zunehmenden Nervosität unsers Geschlechts und der stetig wachsenden Zahl der
Geisteskranken leider zeitgemäß genannt werden müssen.


Studien über Getreideverkehr und Getreidepreise in Deutschland. Von l)r. August
Köttgen. Jena, G. Fischer, 1M0

„So lauge Deutschland, sagt der Verfasser S. 4, noch ein getreideausführendes
Land war, d. h. bis zum Anfange der siebziger Jahre, erschien es als das Natur¬
gemäße, daß der Überfluß an Getreide von den Ostseehäfen ans seewärts versandt
wurde. Der Westen bezog seine Einfuhr über die Niederlande, ein andrer Teil
der Fehlbetragsgebiete versorgte sich aus Österreich-Ungarn. Auch als im Laufe
der Zeit das deutsche Reich ein Land mit vvrwiegeuder Getreideeinfuhr wurde,
änderte sich an diesen Verkehrsrichtuugen noch nichts. Erst mit den achtziger
Jahren trat ein Umschwung ein: der österreichische Anteil an der Getreideeinfuhr
ging mehr und mehr zurück, der russische hob sich in demselben Maße; die Zölle
verteuerten deu inländischen Preis über den Freihandelspreis hinaus, und die Aus-
fuhrgcbiete waren nicht mehr imstande, ihren Weizen auf den auswärtige» Markt
zu bringen; immer mehr suchten sie ihren Absatz in den deutschen Einfuhrgebieten."
Die Wege dieses neuen Handelsverkehrs hat nun der Verfasser auf kartographischen
Darstellungen der Eiseubahudirektion zu Erfurt verfolgt und teilt das Ergebnis
seiner Studien in statistischen Tabellen mit. Zugleich zeigt er, wie die Preise mit
der Entfernung von den drei AuSgaugsPuukteu der Versorgung (russisch-Polnische
Grenze, Hamburg, Emmerich) steigen. Der Schlußsatz lautet: „Die Höhe der
Preise richtet sich nicht mehr, wie früher, nach den einheimischen Produktions¬
verhältnissen, sondern nach der Entfernung von den Seehäfen, welche die Ein- und
Ausfuhr vermitteln, und nach der Art und Zahl der Transportmittel."






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0152] Litteratur Seimgen verweilt, so muß auch der Laie mit Irren umzugehen und sie zu be¬ handeln verstehen. Den Laie« nun erteilt der Verfasser für den Fall, daß sie in diese traurige Notwendigkeit versetzt werden, vortreffliche Ratschläge, die bei der zunehmenden Nervosität unsers Geschlechts und der stetig wachsenden Zahl der Geisteskranken leider zeitgemäß genannt werden müssen. Studien über Getreideverkehr und Getreidepreise in Deutschland. Von l)r. August Köttgen. Jena, G. Fischer, 1M0 „So lauge Deutschland, sagt der Verfasser S. 4, noch ein getreideausführendes Land war, d. h. bis zum Anfange der siebziger Jahre, erschien es als das Natur¬ gemäße, daß der Überfluß an Getreide von den Ostseehäfen ans seewärts versandt wurde. Der Westen bezog seine Einfuhr über die Niederlande, ein andrer Teil der Fehlbetragsgebiete versorgte sich aus Österreich-Ungarn. Auch als im Laufe der Zeit das deutsche Reich ein Land mit vvrwiegeuder Getreideeinfuhr wurde, änderte sich an diesen Verkehrsrichtuugen noch nichts. Erst mit den achtziger Jahren trat ein Umschwung ein: der österreichische Anteil an der Getreideeinfuhr ging mehr und mehr zurück, der russische hob sich in demselben Maße; die Zölle verteuerten deu inländischen Preis über den Freihandelspreis hinaus, und die Aus- fuhrgcbiete waren nicht mehr imstande, ihren Weizen auf den auswärtige» Markt zu bringen; immer mehr suchten sie ihren Absatz in den deutschen Einfuhrgebieten." Die Wege dieses neuen Handelsverkehrs hat nun der Verfasser auf kartographischen Darstellungen der Eiseubahudirektion zu Erfurt verfolgt und teilt das Ergebnis seiner Studien in statistischen Tabellen mit. Zugleich zeigt er, wie die Preise mit der Entfernung von den drei AuSgaugsPuukteu der Versorgung (russisch-Polnische Grenze, Hamburg, Emmerich) steigen. Der Schlußsatz lautet: „Die Höhe der Preise richtet sich nicht mehr, wie früher, nach den einheimischen Produktions¬ verhältnissen, sondern nach der Entfernung von den Seehäfen, welche die Ein- und Ausfuhr vermitteln, und nach der Art und Zahl der Transportmittel." Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/152>, abgerufen am 28.04.2024.