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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Litteratur

Änderung der Gewerbeordnung, da sie in ihr eine Beeinträchtigung des freien
Arbeitsertrages zu Ungunsten der Arbeitgeber sehen, und sie sprechen in der Ein¬
leitung diese Bedenken mit dem Hinweis auf die neuesten Vorgänge in England,
in denen sich ein Geist der Disziplinlosigkeit, der Auflehnung und Meuterei offen¬
bare, mit kräftigen Worten aus.


Asiatische Haudlnu gskompaguien Friedrichs des Großen. Ein Beitrag zur
Geschichte des preußischen Seehandels und Akticnweseus. Von Viktor Ring, Richter am
Amtsgericht I zu Berlin. Berlin, Karl Heymcmn, 1390

Von den Koloniegründungen des Großen Kurfürsten ist in den letzten Jahren
oft genug die Rede gewesen. Viktor Ring stillt die Lücke zwischen damals und
heute einigermaßen aus, indem er die überseeischen Unternehmungen Friedrichs des
Großen darstellt, gestützt auf Aktenstücke des Staatsarchivs zu Berlin und des
Stadtarchivs zu Enden, die wörtlich mitgeteilt werden. Die Einleitung enthält
eine kurze Rechtfertigung des auf den nationalen Egoismus gegründeten Merkantil¬
systems, das der große König mit aller Entschiedenheit befolgte. Nach verschiednen
Anläufen kam es 1750 und 1751 zur Gründung einer asiatischen und einer ben¬
galischen Handlungskvmpaguie zu Enden, die leider beide nach kurzem Bestände
wieder eingingen. Auch ein Wiederbelebungsversuch im Jahre 1782 hatte nur
geringen Erfolg. Die Unternehmungen scheiterten an der Ungunst der Zeiten.
Preußen war durch den siebenjährigen Krieg in Anspruch genommen, die Hafen¬
stadt Emden zu weit entfernt vom Mittelpunkte des Staates, die Unternehmer
meist unfähig, zum Teil ausländische Spekulanten, und die Seemächte, England
und Holland, arbeiteten aus allen Kräften dagegen. Die Verfassung jener Kom¬
pagnie ist der unsrer heutigen Aktiengesellschaften merkwürdig ähnlich. "Wenigstens
-- sagt der Verfasser im Vorwort -- wird ein künftiges Buch über deutsches
Aktienrecht ueben der ältern Handlungskompaguie Hollands, Englands und Frank¬
reichs fortab (sie;) auch derjenigen des Vaterlandes gedenken und von der Meinung
zurückkommen können, als sei die theoretische Durchbildung des deutschen Aktien¬
wesens ein Erzeugnis neuester Zeit." Der Verfasser druckt auch die interessanten
"Vorschläge eines Patrioten" ab "wegen Errichtung eines Etablissements auf der
Küste von Afrika" zum Aufnehmen der Handlung und zu Kultivirung solcher Ge¬
wächse, welche bisher" aus Ost- und West-Indien, aus der zweiten Hand erkaufst
werden müssen." Der Patriot -- es ist der Regierungspräsident von Derschau
in Aurich --- meint: "Man kann wohl mit Grund sagen, daß bey jetziger Situation
der Sache die Königl. Preuß. Staaten fast zu spät auf den Schauplatz der See-
Handlung auftreten würden, indem sie die vortheilhaftesten Handlungsplätze in allen
3 Welttheilen schon von andern oeeupiret finden." So geschrieben Anno 1762!
Also damals schon "fast zu spät!" Was sollen wir Heutigen erst sagen?






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

Änderung der Gewerbeordnung, da sie in ihr eine Beeinträchtigung des freien
Arbeitsertrages zu Ungunsten der Arbeitgeber sehen, und sie sprechen in der Ein¬
leitung diese Bedenken mit dem Hinweis auf die neuesten Vorgänge in England,
in denen sich ein Geist der Disziplinlosigkeit, der Auflehnung und Meuterei offen¬
bare, mit kräftigen Worten aus.


Asiatische Haudlnu gskompaguien Friedrichs des Großen. Ein Beitrag zur
Geschichte des preußischen Seehandels und Akticnweseus. Von Viktor Ring, Richter am
Amtsgericht I zu Berlin. Berlin, Karl Heymcmn, 1390

Von den Koloniegründungen des Großen Kurfürsten ist in den letzten Jahren
oft genug die Rede gewesen. Viktor Ring stillt die Lücke zwischen damals und
heute einigermaßen aus, indem er die überseeischen Unternehmungen Friedrichs des
Großen darstellt, gestützt auf Aktenstücke des Staatsarchivs zu Berlin und des
Stadtarchivs zu Enden, die wörtlich mitgeteilt werden. Die Einleitung enthält
eine kurze Rechtfertigung des auf den nationalen Egoismus gegründeten Merkantil¬
systems, das der große König mit aller Entschiedenheit befolgte. Nach verschiednen
Anläufen kam es 1750 und 1751 zur Gründung einer asiatischen und einer ben¬
galischen Handlungskvmpaguie zu Enden, die leider beide nach kurzem Bestände
wieder eingingen. Auch ein Wiederbelebungsversuch im Jahre 1782 hatte nur
geringen Erfolg. Die Unternehmungen scheiterten an der Ungunst der Zeiten.
Preußen war durch den siebenjährigen Krieg in Anspruch genommen, die Hafen¬
stadt Emden zu weit entfernt vom Mittelpunkte des Staates, die Unternehmer
meist unfähig, zum Teil ausländische Spekulanten, und die Seemächte, England
und Holland, arbeiteten aus allen Kräften dagegen. Die Verfassung jener Kom¬
pagnie ist der unsrer heutigen Aktiengesellschaften merkwürdig ähnlich. „Wenigstens
— sagt der Verfasser im Vorwort — wird ein künftiges Buch über deutsches
Aktienrecht ueben der ältern Handlungskompaguie Hollands, Englands und Frank¬
reichs fortab (sie;) auch derjenigen des Vaterlandes gedenken und von der Meinung
zurückkommen können, als sei die theoretische Durchbildung des deutschen Aktien¬
wesens ein Erzeugnis neuester Zeit." Der Verfasser druckt auch die interessanten
„Vorschläge eines Patrioten" ab „wegen Errichtung eines Etablissements auf der
Küste von Afrika" zum Aufnehmen der Handlung und zu Kultivirung solcher Ge¬
wächse, welche bisher» aus Ost- und West-Indien, aus der zweiten Hand erkaufst
werden müssen." Der Patriot — es ist der Regierungspräsident von Derschau
in Aurich -— meint: „Man kann wohl mit Grund sagen, daß bey jetziger Situation
der Sache die Königl. Preuß. Staaten fast zu spät auf den Schauplatz der See-
Handlung auftreten würden, indem sie die vortheilhaftesten Handlungsplätze in allen
3 Welttheilen schon von andern oeeupiret finden." So geschrieben Anno 1762!
Also damals schon „fast zu spät!" Was sollen wir Heutigen erst sagen?






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0208] Litteratur Änderung der Gewerbeordnung, da sie in ihr eine Beeinträchtigung des freien Arbeitsertrages zu Ungunsten der Arbeitgeber sehen, und sie sprechen in der Ein¬ leitung diese Bedenken mit dem Hinweis auf die neuesten Vorgänge in England, in denen sich ein Geist der Disziplinlosigkeit, der Auflehnung und Meuterei offen¬ bare, mit kräftigen Worten aus. Asiatische Haudlnu gskompaguien Friedrichs des Großen. Ein Beitrag zur Geschichte des preußischen Seehandels und Akticnweseus. Von Viktor Ring, Richter am Amtsgericht I zu Berlin. Berlin, Karl Heymcmn, 1390 Von den Koloniegründungen des Großen Kurfürsten ist in den letzten Jahren oft genug die Rede gewesen. Viktor Ring stillt die Lücke zwischen damals und heute einigermaßen aus, indem er die überseeischen Unternehmungen Friedrichs des Großen darstellt, gestützt auf Aktenstücke des Staatsarchivs zu Berlin und des Stadtarchivs zu Enden, die wörtlich mitgeteilt werden. Die Einleitung enthält eine kurze Rechtfertigung des auf den nationalen Egoismus gegründeten Merkantil¬ systems, das der große König mit aller Entschiedenheit befolgte. Nach verschiednen Anläufen kam es 1750 und 1751 zur Gründung einer asiatischen und einer ben¬ galischen Handlungskvmpaguie zu Enden, die leider beide nach kurzem Bestände wieder eingingen. Auch ein Wiederbelebungsversuch im Jahre 1782 hatte nur geringen Erfolg. Die Unternehmungen scheiterten an der Ungunst der Zeiten. Preußen war durch den siebenjährigen Krieg in Anspruch genommen, die Hafen¬ stadt Emden zu weit entfernt vom Mittelpunkte des Staates, die Unternehmer meist unfähig, zum Teil ausländische Spekulanten, und die Seemächte, England und Holland, arbeiteten aus allen Kräften dagegen. Die Verfassung jener Kom¬ pagnie ist der unsrer heutigen Aktiengesellschaften merkwürdig ähnlich. „Wenigstens — sagt der Verfasser im Vorwort — wird ein künftiges Buch über deutsches Aktienrecht ueben der ältern Handlungskompaguie Hollands, Englands und Frank¬ reichs fortab (sie;) auch derjenigen des Vaterlandes gedenken und von der Meinung zurückkommen können, als sei die theoretische Durchbildung des deutschen Aktien¬ wesens ein Erzeugnis neuester Zeit." Der Verfasser druckt auch die interessanten „Vorschläge eines Patrioten" ab „wegen Errichtung eines Etablissements auf der Küste von Afrika" zum Aufnehmen der Handlung und zu Kultivirung solcher Ge¬ wächse, welche bisher» aus Ost- und West-Indien, aus der zweiten Hand erkaufst werden müssen." Der Patriot — es ist der Regierungspräsident von Derschau in Aurich -— meint: „Man kann wohl mit Grund sagen, daß bey jetziger Situation der Sache die Königl. Preuß. Staaten fast zu spät auf den Schauplatz der See- Handlung auftreten würden, indem sie die vortheilhaftesten Handlungsplätze in allen 3 Welttheilen schon von andern oeeupiret finden." So geschrieben Anno 1762! Also damals schon „fast zu spät!" Was sollen wir Heutigen erst sagen? Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/208>, abgerufen am 28.04.2024.