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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Die Unteroffizierprämien

Auch den Mahnruf wollen wir von Bebel hinnehmen und beherzigen,
mit dem er seine Broschüre schließt: "Es wird Zeit, daß das Bürgertum nach¬
holt, was es versäumte und ohne Schädigung seiner Existenz als herrschende
Klasse gewähren kann, will es das Schicksal der Feudalmacht nicht baldigst
teilen."




Die Unteroffizierprämien

eher die Frage, woraus sich der Arbeitsstoff der nächsten Neichs-
tcigssession zusammensetzen werde, sind schon die verschiedensten
Vermutungen laut geworden. Wenn hier ihrer Reihe noch eine
hinzugefügt wird, so geschieht das nicht, um einfach mehr Wasser
in das Meer der Gerüchte zu gießen, sondern weil die Wichtig¬
keit der zu erwartenden Vorlage derart ist, daß sie die gründlichste Betrachtung
verdient, ihrer mindestens in demselben Maße wert ist, wie die vor einiger
Zeit an dieser Stelle besprochene Erhöhung der Offiziersgehalte in den niederen
Stellen.

Die Unteroffiziervorlage, denn diese meine ich, ist uus ein alter Bekannter.
Jedermann wird sich entsinnen, daß die Heeresverwaltung im vorigen Jahre
die Bewilligung von Prämien für solche Unteroffiziere forderte, die sich zum
Weiterdienen über die gesetzliche Dienstzeit hinaus verpflichten, oder wie der
Kunstausdruck lautet, kapituliren. Die Vorlage wurde damals nicht nur nicht
angenommen, sondern kurz beiseite geschoben, ein Schicksal, das sie ohne Zweifel
nicht verdient.

Warum find die Prämien gewünscht worden? Doch nur, weil man ohne
sie den Ersatz unsers Unteroffizierkorps in Zukunft nicht mehr für gesichert
hält, weil man einen Uuteroffiziermangel befürchtet. Ja wenn man bedenkt,
daß jetzt schon viele Kompagnien u. s. w. der unter verhältnismäßig an¬
genehmen Verhältnissen im Innern des Reiches zwischen Weichsel und Rhein
stehenden Truppenteile in ihrem magern Etat von vierzehn bis fünfzehn Unter¬
offizieren zwei, drei und mehr Feststellen aufweisen, so ist man sogar vielleicht
zu der Behauptung berechtigt, wir befänden uns bereits mitten in einer Zeit
des Unteroffiziermangels.

Und welche Nachteile würde dies haben? höre ich fragen, das Wohl und
Wehe unsers Heeres hängt doch schließlich nicht an den Unteroffizieren? Nun,
die Nachteile liegen für den Kundigen auf der Hand. Sie find in der That
groß und so gefährlich, daß sie allerdings den stolzen Bau unsers Heeres ins
Wanken bringen könnten.


Die Unteroffizierprämien

Auch den Mahnruf wollen wir von Bebel hinnehmen und beherzigen,
mit dem er seine Broschüre schließt: „Es wird Zeit, daß das Bürgertum nach¬
holt, was es versäumte und ohne Schädigung seiner Existenz als herrschende
Klasse gewähren kann, will es das Schicksal der Feudalmacht nicht baldigst
teilen."




Die Unteroffizierprämien

eher die Frage, woraus sich der Arbeitsstoff der nächsten Neichs-
tcigssession zusammensetzen werde, sind schon die verschiedensten
Vermutungen laut geworden. Wenn hier ihrer Reihe noch eine
hinzugefügt wird, so geschieht das nicht, um einfach mehr Wasser
in das Meer der Gerüchte zu gießen, sondern weil die Wichtig¬
keit der zu erwartenden Vorlage derart ist, daß sie die gründlichste Betrachtung
verdient, ihrer mindestens in demselben Maße wert ist, wie die vor einiger
Zeit an dieser Stelle besprochene Erhöhung der Offiziersgehalte in den niederen
Stellen.

Die Unteroffiziervorlage, denn diese meine ich, ist uus ein alter Bekannter.
Jedermann wird sich entsinnen, daß die Heeresverwaltung im vorigen Jahre
die Bewilligung von Prämien für solche Unteroffiziere forderte, die sich zum
Weiterdienen über die gesetzliche Dienstzeit hinaus verpflichten, oder wie der
Kunstausdruck lautet, kapituliren. Die Vorlage wurde damals nicht nur nicht
angenommen, sondern kurz beiseite geschoben, ein Schicksal, das sie ohne Zweifel
nicht verdient.

Warum find die Prämien gewünscht worden? Doch nur, weil man ohne
sie den Ersatz unsers Unteroffizierkorps in Zukunft nicht mehr für gesichert
hält, weil man einen Uuteroffiziermangel befürchtet. Ja wenn man bedenkt,
daß jetzt schon viele Kompagnien u. s. w. der unter verhältnismäßig an¬
genehmen Verhältnissen im Innern des Reiches zwischen Weichsel und Rhein
stehenden Truppenteile in ihrem magern Etat von vierzehn bis fünfzehn Unter¬
offizieren zwei, drei und mehr Feststellen aufweisen, so ist man sogar vielleicht
zu der Behauptung berechtigt, wir befänden uns bereits mitten in einer Zeit
des Unteroffiziermangels.

Und welche Nachteile würde dies haben? höre ich fragen, das Wohl und
Wehe unsers Heeres hängt doch schließlich nicht an den Unteroffizieren? Nun,
die Nachteile liegen für den Kundigen auf der Hand. Sie find in der That
groß und so gefährlich, daß sie allerdings den stolzen Bau unsers Heeres ins
Wanken bringen könnten.


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[0236] Die Unteroffizierprämien Auch den Mahnruf wollen wir von Bebel hinnehmen und beherzigen, mit dem er seine Broschüre schließt: „Es wird Zeit, daß das Bürgertum nach¬ holt, was es versäumte und ohne Schädigung seiner Existenz als herrschende Klasse gewähren kann, will es das Schicksal der Feudalmacht nicht baldigst teilen." Die Unteroffizierprämien eher die Frage, woraus sich der Arbeitsstoff der nächsten Neichs- tcigssession zusammensetzen werde, sind schon die verschiedensten Vermutungen laut geworden. Wenn hier ihrer Reihe noch eine hinzugefügt wird, so geschieht das nicht, um einfach mehr Wasser in das Meer der Gerüchte zu gießen, sondern weil die Wichtig¬ keit der zu erwartenden Vorlage derart ist, daß sie die gründlichste Betrachtung verdient, ihrer mindestens in demselben Maße wert ist, wie die vor einiger Zeit an dieser Stelle besprochene Erhöhung der Offiziersgehalte in den niederen Stellen. Die Unteroffiziervorlage, denn diese meine ich, ist uus ein alter Bekannter. Jedermann wird sich entsinnen, daß die Heeresverwaltung im vorigen Jahre die Bewilligung von Prämien für solche Unteroffiziere forderte, die sich zum Weiterdienen über die gesetzliche Dienstzeit hinaus verpflichten, oder wie der Kunstausdruck lautet, kapituliren. Die Vorlage wurde damals nicht nur nicht angenommen, sondern kurz beiseite geschoben, ein Schicksal, das sie ohne Zweifel nicht verdient. Warum find die Prämien gewünscht worden? Doch nur, weil man ohne sie den Ersatz unsers Unteroffizierkorps in Zukunft nicht mehr für gesichert hält, weil man einen Uuteroffiziermangel befürchtet. Ja wenn man bedenkt, daß jetzt schon viele Kompagnien u. s. w. der unter verhältnismäßig an¬ genehmen Verhältnissen im Innern des Reiches zwischen Weichsel und Rhein stehenden Truppenteile in ihrem magern Etat von vierzehn bis fünfzehn Unter¬ offizieren zwei, drei und mehr Feststellen aufweisen, so ist man sogar vielleicht zu der Behauptung berechtigt, wir befänden uns bereits mitten in einer Zeit des Unteroffiziermangels. Und welche Nachteile würde dies haben? höre ich fragen, das Wohl und Wehe unsers Heeres hängt doch schließlich nicht an den Unteroffizieren? Nun, die Nachteile liegen für den Kundigen auf der Hand. Sie find in der That groß und so gefährlich, daß sie allerdings den stolzen Bau unsers Heeres ins Wanken bringen könnten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/236>, abgerufen am 28.04.2024.