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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Mildenlnuchs Haubenlerche

klar geworden ist. Hoffentlich wird bei uns in Deutschland, wenn wir über
kurz oder lang auch so weit kommen sollten, die Frage, ob der Großbetrieb
verstaatlicht oder der Staat von einem Dutzend Privatleuten in die Tasche
gesteckt werden soll, zu Gunsten des Staates, des Volkes entschieden werden.

Besser freilich wäre es, man ließe es nicht erst zu einer so gefährlichen
Entscheidung kommen. "Dem sozialen Zustande -- sagt Rodbertns S. 229 --
kann die Richtung gegeben werden, daß die Grund- und Kapitalbesitzer, anstatt
wie heute die alleinige" Herren des Genusses, die Götter der Gesellschaft,
deuen die Arbeit nur zu opfern hat, zu sein, mehr das Ansehen nützlicher
Menschen gewinnen, die für die Leitung der produktiven Unternehmungen in
ihrer Reute eine Belohnung erhalten. Einen solchen Dienst produktiver Leitung
hat die Gesellschaft ja zu bezahlen. Mag also das Grund- und Kapital¬
eigentum zunächst bestehen bleiben und mir mehr Amt und seine Rente mehr
Gehalt werden."

Wir können weder glauben, daß die Volkswirtschaftslehre allein unter
allen Wissenschaften zu ewigem Stillstände verurteilt, noch daß ein Fortschritt
ans dem von Rodbertns gebahnten Wege für das Leben ganz unfruchtbar
bleiben sollte. Vielleicht sind unsre Leser derselben Ansicht.




UAldenbruchs Haubenlerche

ur die meisten Leser der grünen Hefte würde ich wohl zu spät
kommen, wenn ich jetzt noch eine eigentliche Inhaltsangabe von
Wildenbruchs neuester dramatischer Dichtung bringen wollte, die
ja den Beweis ihrer theatralischen Lebensfähigkeit, namentlich
durch die Aufführungen auf dein "Deutschen Theater" in Berlin,
in deu letzten Wochen hinreichend geliefert hat. Aber einige Betrachtungen über
das Stück werde" doch vielleicht auch heute noch willkommen sein. Denn
einerseits ist doch -- wie man auch sonst Wildenbruch beurteilen mag -- das
eine unleugbar, daß er sich namentlich durch seine Dramen über denen die
Bedeutung seiner Novellen oft allzu sehr vergessen wird -- unter allen lebenden
dramatischen Dichtern höhern Stils den festesten Platz im Herzen des deutschen
Volkes gesichert hat, und anderseits zeigt er sich in der "Haubenlerche" von
einer neuen Seite und erregt dadurch erhöhte Teilnahme. Wir kannten ihn
bisher wesentlich als Schöpfer geschichtlicher Dramen, die vorwiegend aus der
deutschen, neuerdings besonders aus der brandenlmrgisch-Preußischen Geschichte
ihren Stoff entlehnten. In der "Haubenlerche" bleibt er der spezifisch deutsche


Mildenlnuchs Haubenlerche

klar geworden ist. Hoffentlich wird bei uns in Deutschland, wenn wir über
kurz oder lang auch so weit kommen sollten, die Frage, ob der Großbetrieb
verstaatlicht oder der Staat von einem Dutzend Privatleuten in die Tasche
gesteckt werden soll, zu Gunsten des Staates, des Volkes entschieden werden.

Besser freilich wäre es, man ließe es nicht erst zu einer so gefährlichen
Entscheidung kommen. „Dem sozialen Zustande — sagt Rodbertns S. 229 —
kann die Richtung gegeben werden, daß die Grund- und Kapitalbesitzer, anstatt
wie heute die alleinige« Herren des Genusses, die Götter der Gesellschaft,
deuen die Arbeit nur zu opfern hat, zu sein, mehr das Ansehen nützlicher
Menschen gewinnen, die für die Leitung der produktiven Unternehmungen in
ihrer Reute eine Belohnung erhalten. Einen solchen Dienst produktiver Leitung
hat die Gesellschaft ja zu bezahlen. Mag also das Grund- und Kapital¬
eigentum zunächst bestehen bleiben und mir mehr Amt und seine Rente mehr
Gehalt werden."

Wir können weder glauben, daß die Volkswirtschaftslehre allein unter
allen Wissenschaften zu ewigem Stillstände verurteilt, noch daß ein Fortschritt
ans dem von Rodbertns gebahnten Wege für das Leben ganz unfruchtbar
bleiben sollte. Vielleicht sind unsre Leser derselben Ansicht.




UAldenbruchs Haubenlerche

ur die meisten Leser der grünen Hefte würde ich wohl zu spät
kommen, wenn ich jetzt noch eine eigentliche Inhaltsangabe von
Wildenbruchs neuester dramatischer Dichtung bringen wollte, die
ja den Beweis ihrer theatralischen Lebensfähigkeit, namentlich
durch die Aufführungen auf dein „Deutschen Theater" in Berlin,
in deu letzten Wochen hinreichend geliefert hat. Aber einige Betrachtungen über
das Stück werde» doch vielleicht auch heute noch willkommen sein. Denn
einerseits ist doch — wie man auch sonst Wildenbruch beurteilen mag — das
eine unleugbar, daß er sich namentlich durch seine Dramen über denen die
Bedeutung seiner Novellen oft allzu sehr vergessen wird — unter allen lebenden
dramatischen Dichtern höhern Stils den festesten Platz im Herzen des deutschen
Volkes gesichert hat, und anderseits zeigt er sich in der „Haubenlerche" von
einer neuen Seite und erregt dadurch erhöhte Teilnahme. Wir kannten ihn
bisher wesentlich als Schöpfer geschichtlicher Dramen, die vorwiegend aus der
deutschen, neuerdings besonders aus der brandenlmrgisch-Preußischen Geschichte
ihren Stoff entlehnten. In der „Haubenlerche" bleibt er der spezifisch deutsche


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[0283] Mildenlnuchs Haubenlerche klar geworden ist. Hoffentlich wird bei uns in Deutschland, wenn wir über kurz oder lang auch so weit kommen sollten, die Frage, ob der Großbetrieb verstaatlicht oder der Staat von einem Dutzend Privatleuten in die Tasche gesteckt werden soll, zu Gunsten des Staates, des Volkes entschieden werden. Besser freilich wäre es, man ließe es nicht erst zu einer so gefährlichen Entscheidung kommen. „Dem sozialen Zustande — sagt Rodbertns S. 229 — kann die Richtung gegeben werden, daß die Grund- und Kapitalbesitzer, anstatt wie heute die alleinige« Herren des Genusses, die Götter der Gesellschaft, deuen die Arbeit nur zu opfern hat, zu sein, mehr das Ansehen nützlicher Menschen gewinnen, die für die Leitung der produktiven Unternehmungen in ihrer Reute eine Belohnung erhalten. Einen solchen Dienst produktiver Leitung hat die Gesellschaft ja zu bezahlen. Mag also das Grund- und Kapital¬ eigentum zunächst bestehen bleiben und mir mehr Amt und seine Rente mehr Gehalt werden." Wir können weder glauben, daß die Volkswirtschaftslehre allein unter allen Wissenschaften zu ewigem Stillstände verurteilt, noch daß ein Fortschritt ans dem von Rodbertns gebahnten Wege für das Leben ganz unfruchtbar bleiben sollte. Vielleicht sind unsre Leser derselben Ansicht. UAldenbruchs Haubenlerche ur die meisten Leser der grünen Hefte würde ich wohl zu spät kommen, wenn ich jetzt noch eine eigentliche Inhaltsangabe von Wildenbruchs neuester dramatischer Dichtung bringen wollte, die ja den Beweis ihrer theatralischen Lebensfähigkeit, namentlich durch die Aufführungen auf dein „Deutschen Theater" in Berlin, in deu letzten Wochen hinreichend geliefert hat. Aber einige Betrachtungen über das Stück werde» doch vielleicht auch heute noch willkommen sein. Denn einerseits ist doch — wie man auch sonst Wildenbruch beurteilen mag — das eine unleugbar, daß er sich namentlich durch seine Dramen über denen die Bedeutung seiner Novellen oft allzu sehr vergessen wird — unter allen lebenden dramatischen Dichtern höhern Stils den festesten Platz im Herzen des deutschen Volkes gesichert hat, und anderseits zeigt er sich in der „Haubenlerche" von einer neuen Seite und erregt dadurch erhöhte Teilnahme. Wir kannten ihn bisher wesentlich als Schöpfer geschichtlicher Dramen, die vorwiegend aus der deutschen, neuerdings besonders aus der brandenlmrgisch-Preußischen Geschichte ihren Stoff entlehnten. In der „Haubenlerche" bleibt er der spezifisch deutsche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/283>, abgerufen am 27.04.2024.