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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Der Entwurf des preußischen Einkommensteuergesetzes

er mit Spannung erwartete Entwurf eines Einkommensteuer¬
gesetzes ist vor wenige" Tagen dem preußischen Abgeordneten-
hause von dem neuen Finanzminister Miguel dargelegt worden
und hat in der Parteipressc bereits verschiedne Beurteilung ge¬
sunden. Wie der genannte Minister uns der nationalliberalen
Partei hervorgegangen ist, so hat die Presse dieser Partei auch bis jetzt nur
Worte unbedingtester Anerkennung für den Entwurf. Der Entwurf, so lauten
diese Urteile, sei ein kühner Schritt nach vorwärts, verfolge hohe, weise über¬
legte Ziele, sei insbesondre geeignet, die soziale Erregung im Lande zu be¬
schwichtigen und allgemeine Beruhigung herbeizuführen, fördere auch die
preußische Steuergesetzgebung in unerwartetem Grade. Nur von der äußersten
Linken erheben sich einzelne Gegenstimmen. Die konservative Presse schweigt
noch, ihr Losungswort: aclmirM kommt much hier zur Geltung. Und doch
dürfte die konservative Partei, insbesondre soweit sie dem Staude der Grund¬
besitzer angehört, viel mehr als die liberale ihre Interessen in dem Gesetz¬
entwürfe vertreten sehen. Der Grundbesitz hat aus dem neuen Gesetze keine
Mehrbelastung zu befürchten, wie aus den nachfolgenden Ausführungen hervor¬
gehen wird.

Der Gesetzentwurf eignet sich aber auch kaum als Kampfplatz für die
politischen Parteien, da er nur eine Entlastung der Minderbegüterten, die
richtige Ermittelung des wirklichen Einkommens, daher Gleichmäßigkeit der
Besteuerung beabsichtigt, und es geziemt sich, deu Entwurf nur sachlich und
ohne Rücksicht auf das politische Parteitreiben"zu prüfen und nach Umständen
zu verbessern. Wir versuchen dies, stellen uns aber dabei nicht die Aufgabe,
das Gesetz in allen seinen Bestimmungen zu erörtern. Nur die hauptsächlichsten


Grenzboten IV 1390 5>6


Der Entwurf des preußischen Einkommensteuergesetzes

er mit Spannung erwartete Entwurf eines Einkommensteuer¬
gesetzes ist vor wenige» Tagen dem preußischen Abgeordneten-
hause von dem neuen Finanzminister Miguel dargelegt worden
und hat in der Parteipressc bereits verschiedne Beurteilung ge¬
sunden. Wie der genannte Minister uns der nationalliberalen
Partei hervorgegangen ist, so hat die Presse dieser Partei auch bis jetzt nur
Worte unbedingtester Anerkennung für den Entwurf. Der Entwurf, so lauten
diese Urteile, sei ein kühner Schritt nach vorwärts, verfolge hohe, weise über¬
legte Ziele, sei insbesondre geeignet, die soziale Erregung im Lande zu be¬
schwichtigen und allgemeine Beruhigung herbeizuführen, fördere auch die
preußische Steuergesetzgebung in unerwartetem Grade. Nur von der äußersten
Linken erheben sich einzelne Gegenstimmen. Die konservative Presse schweigt
noch, ihr Losungswort: aclmirM kommt much hier zur Geltung. Und doch
dürfte die konservative Partei, insbesondre soweit sie dem Staude der Grund¬
besitzer angehört, viel mehr als die liberale ihre Interessen in dem Gesetz¬
entwürfe vertreten sehen. Der Grundbesitz hat aus dem neuen Gesetze keine
Mehrbelastung zu befürchten, wie aus den nachfolgenden Ausführungen hervor¬
gehen wird.

Der Gesetzentwurf eignet sich aber auch kaum als Kampfplatz für die
politischen Parteien, da er nur eine Entlastung der Minderbegüterten, die
richtige Ermittelung des wirklichen Einkommens, daher Gleichmäßigkeit der
Besteuerung beabsichtigt, und es geziemt sich, deu Entwurf nur sachlich und
ohne Rücksicht auf das politische Parteitreiben"zu prüfen und nach Umständen
zu verbessern. Wir versuchen dies, stellen uns aber dabei nicht die Aufgabe,
das Gesetz in allen seinen Bestimmungen zu erörtern. Nur die hauptsächlichsten


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[0449] [Abbildung] Der Entwurf des preußischen Einkommensteuergesetzes er mit Spannung erwartete Entwurf eines Einkommensteuer¬ gesetzes ist vor wenige» Tagen dem preußischen Abgeordneten- hause von dem neuen Finanzminister Miguel dargelegt worden und hat in der Parteipressc bereits verschiedne Beurteilung ge¬ sunden. Wie der genannte Minister uns der nationalliberalen Partei hervorgegangen ist, so hat die Presse dieser Partei auch bis jetzt nur Worte unbedingtester Anerkennung für den Entwurf. Der Entwurf, so lauten diese Urteile, sei ein kühner Schritt nach vorwärts, verfolge hohe, weise über¬ legte Ziele, sei insbesondre geeignet, die soziale Erregung im Lande zu be¬ schwichtigen und allgemeine Beruhigung herbeizuführen, fördere auch die preußische Steuergesetzgebung in unerwartetem Grade. Nur von der äußersten Linken erheben sich einzelne Gegenstimmen. Die konservative Presse schweigt noch, ihr Losungswort: aclmirM kommt much hier zur Geltung. Und doch dürfte die konservative Partei, insbesondre soweit sie dem Staude der Grund¬ besitzer angehört, viel mehr als die liberale ihre Interessen in dem Gesetz¬ entwürfe vertreten sehen. Der Grundbesitz hat aus dem neuen Gesetze keine Mehrbelastung zu befürchten, wie aus den nachfolgenden Ausführungen hervor¬ gehen wird. Der Gesetzentwurf eignet sich aber auch kaum als Kampfplatz für die politischen Parteien, da er nur eine Entlastung der Minderbegüterten, die richtige Ermittelung des wirklichen Einkommens, daher Gleichmäßigkeit der Besteuerung beabsichtigt, und es geziemt sich, deu Entwurf nur sachlich und ohne Rücksicht auf das politische Parteitreiben"zu prüfen und nach Umständen zu verbessern. Wir versuchen dies, stellen uns aber dabei nicht die Aufgabe, das Gesetz in allen seinen Bestimmungen zu erörtern. Nur die hauptsächlichsten Grenzboten IV 1390 5>6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/449>, abgerufen am 27.04.2024.