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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Das Iesuitengesetz

schrecken. Die Nation erwartet, daß jetzt etwas Ganzes und etwas Ordent¬
liches geschieht, nichts Halbes, nichts Zahmes und Zaghaftes. Die Energie
aber, die nus der Kaiserrede spricht, der frische, thatkräftige Geist, der sie be¬
seelt, schafft Licht und Luft und giebt uns die Bürgschaft, daß auf dem so
wichtigen Gebiete der Schulerziehung alle die guten Kräfte lebendig werden,
die zum Gedeihen des Ganzen nötig sind.




Das ^esuitengesetz
Lin Wort zur Verständigung

Tag bringt gegenwärtig die Nachricht von einer oder auch
von mehreren Katholikenversammliingen, deren Programm mit
unfehlbarer Gleichförmigkeit lautet! Bekämpfung der Sozial-
Demokratie -- Aufhellung des Jesnitengesetzes, Dem unbefangenen
Leser dieses Programmes ist der Zusammenhang zwischen diesen
beiden Zielpunkten allerdings nicht klar; aber er wird sofort von den Machern
der Versammlung belehrt, die Aufhebung des Jesuitcngesctzes sei das wirk¬
samste Mittel zur Bekämpfung der Sozialdemokratie. Ob irgend einer der
ultramontanen Führer das selber glaubt? Da wir ihnen nicht ins Herz sehen
können, enthalten wir uns einer Antwort ans diese Frage; wohl aber sagen
wir: jedem Protestanten muß jene Versicherung wie reiner Hohn klingen, und
jeder deutsche Katholik, dem nicht religiöser Fanatismus die Sinne umnebelt,
wird sie mit Trauer vernehmen.

Die Gefahr, die dem Vaterland und der Kultur von der Sozialdemokratin'
in ihrer jetzigen Gestalt droht, ist groß -- so groß, daß man erwarten sollte,
es würden alle, denen jene Güter am Herzen liegen, alle, die nicht an die
Stelle der Religiosität die Bestialität gesetzt sehen wünschen, alle, die sich an
etwas Höheres gebunden fühlen als an die Triebe der rohen Sinnlichkeit, sich
zur Abwehr jener Gefahr zusammenschließen, ohne erst lange einer des andern
kirchliche Rechtgläubigkeit zu untersuchen. Und da kommen diese ultramontanen
Führer und schlagen als bestes Mittel zur Bekämpfung jener Gefahr die Zu¬
lassung eines Ordens vor, der, wie jeder Schüler weiß, gestiftet ist zur Be¬
kämpfung -- etwa der Sozialdemokratie? nicht doch: zur Bekämpfung des
"Gifts der protestantische" Ketzerei," sie schlagen die Zulassung eines Ordens
vor, dessen Thätigkeit unfehlbar die Feindseligkeit der Bekenntnisse zum Haß
steigern würde, eines Ordens, dein -- man denke nur an den dreißigjährigen


Das Iesuitengesetz

schrecken. Die Nation erwartet, daß jetzt etwas Ganzes und etwas Ordent¬
liches geschieht, nichts Halbes, nichts Zahmes und Zaghaftes. Die Energie
aber, die nus der Kaiserrede spricht, der frische, thatkräftige Geist, der sie be¬
seelt, schafft Licht und Luft und giebt uns die Bürgschaft, daß auf dem so
wichtigen Gebiete der Schulerziehung alle die guten Kräfte lebendig werden,
die zum Gedeihen des Ganzen nötig sind.




Das ^esuitengesetz
Lin Wort zur Verständigung

Tag bringt gegenwärtig die Nachricht von einer oder auch
von mehreren Katholikenversammliingen, deren Programm mit
unfehlbarer Gleichförmigkeit lautet! Bekämpfung der Sozial-
Demokratie — Aufhellung des Jesnitengesetzes, Dem unbefangenen
Leser dieses Programmes ist der Zusammenhang zwischen diesen
beiden Zielpunkten allerdings nicht klar; aber er wird sofort von den Machern
der Versammlung belehrt, die Aufhebung des Jesuitcngesctzes sei das wirk¬
samste Mittel zur Bekämpfung der Sozialdemokratie. Ob irgend einer der
ultramontanen Führer das selber glaubt? Da wir ihnen nicht ins Herz sehen
können, enthalten wir uns einer Antwort ans diese Frage; wohl aber sagen
wir: jedem Protestanten muß jene Versicherung wie reiner Hohn klingen, und
jeder deutsche Katholik, dem nicht religiöser Fanatismus die Sinne umnebelt,
wird sie mit Trauer vernehmen.

Die Gefahr, die dem Vaterland und der Kultur von der Sozialdemokratin'
in ihrer jetzigen Gestalt droht, ist groß — so groß, daß man erwarten sollte,
es würden alle, denen jene Güter am Herzen liegen, alle, die nicht an die
Stelle der Religiosität die Bestialität gesetzt sehen wünschen, alle, die sich an
etwas Höheres gebunden fühlen als an die Triebe der rohen Sinnlichkeit, sich
zur Abwehr jener Gefahr zusammenschließen, ohne erst lange einer des andern
kirchliche Rechtgläubigkeit zu untersuchen. Und da kommen diese ultramontanen
Führer und schlagen als bestes Mittel zur Bekämpfung jener Gefahr die Zu¬
lassung eines Ordens vor, der, wie jeder Schüler weiß, gestiftet ist zur Be¬
kämpfung — etwa der Sozialdemokratie? nicht doch: zur Bekämpfung des
„Gifts der protestantische» Ketzerei," sie schlagen die Zulassung eines Ordens
vor, dessen Thätigkeit unfehlbar die Feindseligkeit der Bekenntnisse zum Haß
steigern würde, eines Ordens, dein — man denke nur an den dreißigjährigen


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[0550] Das Iesuitengesetz schrecken. Die Nation erwartet, daß jetzt etwas Ganzes und etwas Ordent¬ liches geschieht, nichts Halbes, nichts Zahmes und Zaghaftes. Die Energie aber, die nus der Kaiserrede spricht, der frische, thatkräftige Geist, der sie be¬ seelt, schafft Licht und Luft und giebt uns die Bürgschaft, daß auf dem so wichtigen Gebiete der Schulerziehung alle die guten Kräfte lebendig werden, die zum Gedeihen des Ganzen nötig sind. Das ^esuitengesetz Lin Wort zur Verständigung Tag bringt gegenwärtig die Nachricht von einer oder auch von mehreren Katholikenversammliingen, deren Programm mit unfehlbarer Gleichförmigkeit lautet! Bekämpfung der Sozial- Demokratie — Aufhellung des Jesnitengesetzes, Dem unbefangenen Leser dieses Programmes ist der Zusammenhang zwischen diesen beiden Zielpunkten allerdings nicht klar; aber er wird sofort von den Machern der Versammlung belehrt, die Aufhebung des Jesuitcngesctzes sei das wirk¬ samste Mittel zur Bekämpfung der Sozialdemokratie. Ob irgend einer der ultramontanen Führer das selber glaubt? Da wir ihnen nicht ins Herz sehen können, enthalten wir uns einer Antwort ans diese Frage; wohl aber sagen wir: jedem Protestanten muß jene Versicherung wie reiner Hohn klingen, und jeder deutsche Katholik, dem nicht religiöser Fanatismus die Sinne umnebelt, wird sie mit Trauer vernehmen. Die Gefahr, die dem Vaterland und der Kultur von der Sozialdemokratin' in ihrer jetzigen Gestalt droht, ist groß — so groß, daß man erwarten sollte, es würden alle, denen jene Güter am Herzen liegen, alle, die nicht an die Stelle der Religiosität die Bestialität gesetzt sehen wünschen, alle, die sich an etwas Höheres gebunden fühlen als an die Triebe der rohen Sinnlichkeit, sich zur Abwehr jener Gefahr zusammenschließen, ohne erst lange einer des andern kirchliche Rechtgläubigkeit zu untersuchen. Und da kommen diese ultramontanen Führer und schlagen als bestes Mittel zur Bekämpfung jener Gefahr die Zu¬ lassung eines Ordens vor, der, wie jeder Schüler weiß, gestiftet ist zur Be¬ kämpfung — etwa der Sozialdemokratie? nicht doch: zur Bekämpfung des „Gifts der protestantische» Ketzerei," sie schlagen die Zulassung eines Ordens vor, dessen Thätigkeit unfehlbar die Feindseligkeit der Bekenntnisse zum Haß steigern würde, eines Ordens, dein — man denke nur an den dreißigjährigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/550>, abgerufen am 27.04.2024.