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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr.

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Me ist der deutschen Landwirtschaft zu helfen?

lagen, im Minen der deutschen Landwirtschaft erhoben, hören
wir genug. Aber ein redlich denkender Mann, dein das Wohl
des Vaterlandes am Herze" liegt, und der sich gern belehren
möchte, auf welche Weise eine so wichtige Quelle der Nativnal-
lraft, wie der Landbau, gesund und blühend erhalten werden
könne, findet sich in der schlimmsten Lage. Anstatt ruhiger Belehrung empfängt
er überall leidenschaftliches Geschrei von Leuten, die vermeinen, das genaueste
Verständnis zu haben von dem, was der Landwirtschaft notthne, während sie
doch nur einen durch örtliche Abgrenzung oder durch besondre Lebensverhültnisse
eng umschlossenen Teil der Landwirtschaft verstehen und vertreten. Die deutsche
Landwirtschaft -- wie sollte es nach dem Verlauf der deutschen Geschichte auch
anders sein? -- ist kein gleichartiges Ganze, souderu eine uach deu verschieden¬
artigsten Zielen anseinauderstrebeuoe Welt. Nur in einem Punkte sind alle diese
^oudergruppeu einig, in der Unzufriedenheit mit ihrem Zustande. In den
Mitteln der Abhilfe streben sie heftig auseinander. Indessen, lohnende Preise
für ihre Erzeugnisse wollen doch alle, darin besteht doch noch die Einheit, die
uicht verschwinden kann. Nur giebt diese Einheit keine Fingerzeige, der Zwie¬
spalt beginnt sofort, wenn es sich um die Frage handelt: Wie kaun man auf
die Dauer lohnende Preise erzielen? So viel Einsicht ist doch nnter der land¬
wirtschafttreibenden Bevölkerung vorhanden, daß nicht alle die Rettung im
Schutzzoll sehen, sondern sehr wohl bemerken, daß der Schutzzoll ein gefähr¬
liches und unzuverlässiges Werkzeug ist.

Werfen wir nur kurz einen Blick auf die landwirtschaftliche" Gruppen.
Da sind die großen Grundbesitzer im ganzen Osten, namentlich um die Weichsel
und die Oder. Dann kommeu die Grundbesitzer um die Elbe, die, was Absatz-


Grenzboten I 1891 67


Me ist der deutschen Landwirtschaft zu helfen?

lagen, im Minen der deutschen Landwirtschaft erhoben, hören
wir genug. Aber ein redlich denkender Mann, dein das Wohl
des Vaterlandes am Herze» liegt, und der sich gern belehren
möchte, auf welche Weise eine so wichtige Quelle der Nativnal-
lraft, wie der Landbau, gesund und blühend erhalten werden
könne, findet sich in der schlimmsten Lage. Anstatt ruhiger Belehrung empfängt
er überall leidenschaftliches Geschrei von Leuten, die vermeinen, das genaueste
Verständnis zu haben von dem, was der Landwirtschaft notthne, während sie
doch nur einen durch örtliche Abgrenzung oder durch besondre Lebensverhültnisse
eng umschlossenen Teil der Landwirtschaft verstehen und vertreten. Die deutsche
Landwirtschaft — wie sollte es nach dem Verlauf der deutschen Geschichte auch
anders sein? — ist kein gleichartiges Ganze, souderu eine uach deu verschieden¬
artigsten Zielen anseinauderstrebeuoe Welt. Nur in einem Punkte sind alle diese
^oudergruppeu einig, in der Unzufriedenheit mit ihrem Zustande. In den
Mitteln der Abhilfe streben sie heftig auseinander. Indessen, lohnende Preise
für ihre Erzeugnisse wollen doch alle, darin besteht doch noch die Einheit, die
uicht verschwinden kann. Nur giebt diese Einheit keine Fingerzeige, der Zwie¬
spalt beginnt sofort, wenn es sich um die Frage handelt: Wie kaun man auf
die Dauer lohnende Preise erzielen? So viel Einsicht ist doch nnter der land¬
wirtschafttreibenden Bevölkerung vorhanden, daß nicht alle die Rettung im
Schutzzoll sehen, sondern sehr wohl bemerken, daß der Schutzzoll ein gefähr¬
liches und unzuverlässiges Werkzeug ist.

Werfen wir nur kurz einen Blick auf die landwirtschaftliche» Gruppen.
Da sind die großen Grundbesitzer im ganzen Osten, namentlich um die Weichsel
und die Oder. Dann kommeu die Grundbesitzer um die Elbe, die, was Absatz-


Grenzboten I 1891 67
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[0537] [Abbildung] Me ist der deutschen Landwirtschaft zu helfen? lagen, im Minen der deutschen Landwirtschaft erhoben, hören wir genug. Aber ein redlich denkender Mann, dein das Wohl des Vaterlandes am Herze» liegt, und der sich gern belehren möchte, auf welche Weise eine so wichtige Quelle der Nativnal- lraft, wie der Landbau, gesund und blühend erhalten werden könne, findet sich in der schlimmsten Lage. Anstatt ruhiger Belehrung empfängt er überall leidenschaftliches Geschrei von Leuten, die vermeinen, das genaueste Verständnis zu haben von dem, was der Landwirtschaft notthne, während sie doch nur einen durch örtliche Abgrenzung oder durch besondre Lebensverhültnisse eng umschlossenen Teil der Landwirtschaft verstehen und vertreten. Die deutsche Landwirtschaft — wie sollte es nach dem Verlauf der deutschen Geschichte auch anders sein? — ist kein gleichartiges Ganze, souderu eine uach deu verschieden¬ artigsten Zielen anseinauderstrebeuoe Welt. Nur in einem Punkte sind alle diese ^oudergruppeu einig, in der Unzufriedenheit mit ihrem Zustande. In den Mitteln der Abhilfe streben sie heftig auseinander. Indessen, lohnende Preise für ihre Erzeugnisse wollen doch alle, darin besteht doch noch die Einheit, die uicht verschwinden kann. Nur giebt diese Einheit keine Fingerzeige, der Zwie¬ spalt beginnt sofort, wenn es sich um die Frage handelt: Wie kaun man auf die Dauer lohnende Preise erzielen? So viel Einsicht ist doch nnter der land¬ wirtschafttreibenden Bevölkerung vorhanden, daß nicht alle die Rettung im Schutzzoll sehen, sondern sehr wohl bemerken, daß der Schutzzoll ein gefähr¬ liches und unzuverlässiges Werkzeug ist. Werfen wir nur kurz einen Blick auf die landwirtschaftliche» Gruppen. Da sind die großen Grundbesitzer im ganzen Osten, namentlich um die Weichsel und die Oder. Dann kommeu die Grundbesitzer um die Elbe, die, was Absatz- Grenzboten I 1891 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209232/537>, abgerufen am 06.05.2024.