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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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vo" dein übrigens kein Mensch in Leipzig etwas weis;? "Ich wünschte in
Leipzig den berühmten Apfelbaum zu sehen, von dem Mndame de Staöl spricht.
Man hat ihn mit einem sorgfältig verschlossenen Eisengitter umgeben, und
sobald sich die Polizisten weggewandt haben, erklettert jeder das Gitter, um
Äpfel zu stehlen. Und doch ist der Besitzer dieses denkwürdigen Baumes nicht
so frech bestohlen worden, wie ich von dem Kutscher, der mich dahin fuhr,
trotzdem daß der gedruckte offizielle Tarif in seinem Wagen ihm schon das
Anrecht auf einen mehr als genügenden Fahrpreis gab."

Doch es ist des Tollen schon zu viel. Der Artikel der Kovuo clvs cloux
mcmclos könnte dem zukünftigen Geschichtschreiber als Beitrag zur Kenn-
zeichnung der geistigen Verschlämmnng der grauclo imtio" dienen, die mit
Behagen die Lügen und einfältigen Geschichten genießt, die man ihr zur Ab¬
wechslung auftischt. Wir aber, die wir uns als Deutsche fühlen und stolz
darauf sind, könnten für solch alberne Ausbrüche gallischer Bosheit nur ein
mitleidiges Lächeln haben, wenn wir uns uicht sagen müßten, daß Nur zum
Teil selbst daran schuld sind, daß sich diese Narrengcsellschaft über nus erheben
zu dürfen glaubt. Unsre kindische Verehrung alles Ausländischen rächt sich
hier. Warum giebt man uicht der lisvuo alö" clvux monclos ganz allgemein
in Deutschland die einzig gebührende Antwort ans einen solchen Artikel dadurch,
daß man sie abbestellt? Ein großer Teil ihres Leserkreises ist in Deutschland
zu suchen, wie überhaupt der deutsche Markt einem ganz beträchtlichen Teil
der französischen Bücherprvduktion Absatz verschafft; man kaufe einmal ein
Jahr lang keine französische Ware, dann wird in einem ganz andern Tone
gesungen werden. Wir haben es selbst jeder einzelne in der Hand, uns jenseits
der Vogesen Respekt zu verschaffen.




Gin Höhlenprozeß
Alte und neue Rechtsanschauungen

ffiS^Z)n der Sauerngurkenzeit des vorigen Jahres lieferten den württem-
bergischen Zeitungen die Nachrichten "vom Höhlenprozeß" einen
willkommnen Stoss zur Ausfüllung ihrer Spalten. Das war
allerdings ein Prozeß, wie er in vielen andern deutschen Gauen
nicht vorkommen kann. In der norddeutschen Tiefebene so gut wie
im süddeutschen Gebirgsland mag man Ränber- und Diebshöhlen finden, die
zu Kriminalprozessen Anlaß gegeben haben; aber Tropfsteinhöhlen kommen dort


vo» dein übrigens kein Mensch in Leipzig etwas weis;? „Ich wünschte in
Leipzig den berühmten Apfelbaum zu sehen, von dem Mndame de Staöl spricht.
Man hat ihn mit einem sorgfältig verschlossenen Eisengitter umgeben, und
sobald sich die Polizisten weggewandt haben, erklettert jeder das Gitter, um
Äpfel zu stehlen. Und doch ist der Besitzer dieses denkwürdigen Baumes nicht
so frech bestohlen worden, wie ich von dem Kutscher, der mich dahin fuhr,
trotzdem daß der gedruckte offizielle Tarif in seinem Wagen ihm schon das
Anrecht auf einen mehr als genügenden Fahrpreis gab."

Doch es ist des Tollen schon zu viel. Der Artikel der Kovuo clvs cloux
mcmclos könnte dem zukünftigen Geschichtschreiber als Beitrag zur Kenn-
zeichnung der geistigen Verschlämmnng der grauclo imtio» dienen, die mit
Behagen die Lügen und einfältigen Geschichten genießt, die man ihr zur Ab¬
wechslung auftischt. Wir aber, die wir uns als Deutsche fühlen und stolz
darauf sind, könnten für solch alberne Ausbrüche gallischer Bosheit nur ein
mitleidiges Lächeln haben, wenn wir uns uicht sagen müßten, daß Nur zum
Teil selbst daran schuld sind, daß sich diese Narrengcsellschaft über nus erheben
zu dürfen glaubt. Unsre kindische Verehrung alles Ausländischen rächt sich
hier. Warum giebt man uicht der lisvuo alö« clvux monclos ganz allgemein
in Deutschland die einzig gebührende Antwort ans einen solchen Artikel dadurch,
daß man sie abbestellt? Ein großer Teil ihres Leserkreises ist in Deutschland
zu suchen, wie überhaupt der deutsche Markt einem ganz beträchtlichen Teil
der französischen Bücherprvduktion Absatz verschafft; man kaufe einmal ein
Jahr lang keine französische Ware, dann wird in einem ganz andern Tone
gesungen werden. Wir haben es selbst jeder einzelne in der Hand, uns jenseits
der Vogesen Respekt zu verschaffen.




Gin Höhlenprozeß
Alte und neue Rechtsanschauungen

ffiS^Z)n der Sauerngurkenzeit des vorigen Jahres lieferten den württem-
bergischen Zeitungen die Nachrichten „vom Höhlenprozeß" einen
willkommnen Stoss zur Ausfüllung ihrer Spalten. Das war
allerdings ein Prozeß, wie er in vielen andern deutschen Gauen
nicht vorkommen kann. In der norddeutschen Tiefebene so gut wie
im süddeutschen Gebirgsland mag man Ränber- und Diebshöhlen finden, die
zu Kriminalprozessen Anlaß gegeben haben; aber Tropfsteinhöhlen kommen dort


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/266>, abgerufen am 03.05.2024.