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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Beunett in sein Tagebuch (Juni 10): "Schumann ist bei mir eine Stunde
gewesen, um eine Flasche Porter zu trinken. Ich bin sehr traurig, von ihm
zu scheiden, denn ich glaube, er hat eins der besten Herzen, die ich je gekannt.
Mein Herz springt, wenn ich denke, daß ich Montag Leipzig verlasse, doch
weiß ich nicht, ob aus Trauer, daß ich von hier fortgehe, oder aus Freude,
mein England wiederzusehen."

Im Jahre 1837 hatte Schumann schon einmal den Gedanken, seine musi¬
kalischen Aufsätze in Buchform herauszugeben. Unterm 18. Mai schrieb er
an Zucealmaglio, den "Dorfküster Wedel" aus seiner Zeitschrift: "Sodann
hätte ich einmal bei Ihnen angepocht, ob wir nicht unsre frühern und zu¬
künftigen Gedanken über Musik, Sie Ihre Wedeliana, ich meine Davids-
bündlereien, in einem besondern Doppelwerke ediren wollten. Um manches
wäre es schade, sollte es in einer Zeitschrift untergehen. Die Verleger wären
nahe und meine Brüder. Es käme dann nur auf eine interessante Form der
Verschmelzung an, und wir müßten uns darüber noch weiter verständigen. . . .
Oft ist mir, als lebte ich nicht lange mehr, und so möchte ich noch einiges
wirken." Der Gedanke wurde aber nicht ausgeführt.

(Schluß folsit)




spanisches

S w
ar eine wunderbare Zeit, als unsre deutschen Romantiker
das Zauberlaud der spanischen Dichtung neu entdeckten und in
feurigen Zungen priesen. Vergessen waren, als Ludwig Tieck
an der Übersetzung des ,,Don Quixote" Spanisch lernte und
August Wilhelm Schlegel Calderons "Andacht zum Kreuz" und
"standhaften Prinzen" übersetzte, die Versuche, die schon im siebzehnten Jahr¬
hundert während der Unheilsperiode des dreißigjährigen Krieges gemacht wor¬
den waren, den Deutschen den Ersindnngsreichtum und die bewegliche Lebendig¬
keit der spanischen Litteratur zu vermitteln, vergessen die Thatsache, daß von
Ägidius Albcrtinus bis zu Moscherosch und Grimmelshausen eine ganze An¬
zahl deutscher Schriftsteller, namentlich Erzähler, in Ermanglung eines eignen
klaren Weges und Zieles den Spuren der Spanier nachgegangen waren. Auch
waren die Romantiker in der That die ersten, die Kenntnis von der fast un¬
übersehbaren Breite der spanischen Poesie, der außerordentlichen Volkstümlich¬
keit dieser Poesie in ihrem Heimatlande erlangten und besaßen. So viel wir


Beunett in sein Tagebuch (Juni 10): „Schumann ist bei mir eine Stunde
gewesen, um eine Flasche Porter zu trinken. Ich bin sehr traurig, von ihm
zu scheiden, denn ich glaube, er hat eins der besten Herzen, die ich je gekannt.
Mein Herz springt, wenn ich denke, daß ich Montag Leipzig verlasse, doch
weiß ich nicht, ob aus Trauer, daß ich von hier fortgehe, oder aus Freude,
mein England wiederzusehen."

Im Jahre 1837 hatte Schumann schon einmal den Gedanken, seine musi¬
kalischen Aufsätze in Buchform herauszugeben. Unterm 18. Mai schrieb er
an Zucealmaglio, den „Dorfküster Wedel" aus seiner Zeitschrift: „Sodann
hätte ich einmal bei Ihnen angepocht, ob wir nicht unsre frühern und zu¬
künftigen Gedanken über Musik, Sie Ihre Wedeliana, ich meine Davids-
bündlereien, in einem besondern Doppelwerke ediren wollten. Um manches
wäre es schade, sollte es in einer Zeitschrift untergehen. Die Verleger wären
nahe und meine Brüder. Es käme dann nur auf eine interessante Form der
Verschmelzung an, und wir müßten uns darüber noch weiter verständigen. . . .
Oft ist mir, als lebte ich nicht lange mehr, und so möchte ich noch einiges
wirken." Der Gedanke wurde aber nicht ausgeführt.

(Schluß folsit)




spanisches

S w
ar eine wunderbare Zeit, als unsre deutschen Romantiker
das Zauberlaud der spanischen Dichtung neu entdeckten und in
feurigen Zungen priesen. Vergessen waren, als Ludwig Tieck
an der Übersetzung des ,,Don Quixote" Spanisch lernte und
August Wilhelm Schlegel Calderons „Andacht zum Kreuz" und
„standhaften Prinzen" übersetzte, die Versuche, die schon im siebzehnten Jahr¬
hundert während der Unheilsperiode des dreißigjährigen Krieges gemacht wor¬
den waren, den Deutschen den Ersindnngsreichtum und die bewegliche Lebendig¬
keit der spanischen Litteratur zu vermitteln, vergessen die Thatsache, daß von
Ägidius Albcrtinus bis zu Moscherosch und Grimmelshausen eine ganze An¬
zahl deutscher Schriftsteller, namentlich Erzähler, in Ermanglung eines eignen
klaren Weges und Zieles den Spuren der Spanier nachgegangen waren. Auch
waren die Romantiker in der That die ersten, die Kenntnis von der fast un¬
übersehbaren Breite der spanischen Poesie, der außerordentlichen Volkstümlich¬
keit dieser Poesie in ihrem Heimatlande erlangten und besaßen. So viel wir


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[0344] Beunett in sein Tagebuch (Juni 10): „Schumann ist bei mir eine Stunde gewesen, um eine Flasche Porter zu trinken. Ich bin sehr traurig, von ihm zu scheiden, denn ich glaube, er hat eins der besten Herzen, die ich je gekannt. Mein Herz springt, wenn ich denke, daß ich Montag Leipzig verlasse, doch weiß ich nicht, ob aus Trauer, daß ich von hier fortgehe, oder aus Freude, mein England wiederzusehen." Im Jahre 1837 hatte Schumann schon einmal den Gedanken, seine musi¬ kalischen Aufsätze in Buchform herauszugeben. Unterm 18. Mai schrieb er an Zucealmaglio, den „Dorfküster Wedel" aus seiner Zeitschrift: „Sodann hätte ich einmal bei Ihnen angepocht, ob wir nicht unsre frühern und zu¬ künftigen Gedanken über Musik, Sie Ihre Wedeliana, ich meine Davids- bündlereien, in einem besondern Doppelwerke ediren wollten. Um manches wäre es schade, sollte es in einer Zeitschrift untergehen. Die Verleger wären nahe und meine Brüder. Es käme dann nur auf eine interessante Form der Verschmelzung an, und wir müßten uns darüber noch weiter verständigen. . . . Oft ist mir, als lebte ich nicht lange mehr, und so möchte ich noch einiges wirken." Der Gedanke wurde aber nicht ausgeführt. (Schluß folsit) spanisches S w ar eine wunderbare Zeit, als unsre deutschen Romantiker das Zauberlaud der spanischen Dichtung neu entdeckten und in feurigen Zungen priesen. Vergessen waren, als Ludwig Tieck an der Übersetzung des ,,Don Quixote" Spanisch lernte und August Wilhelm Schlegel Calderons „Andacht zum Kreuz" und „standhaften Prinzen" übersetzte, die Versuche, die schon im siebzehnten Jahr¬ hundert während der Unheilsperiode des dreißigjährigen Krieges gemacht wor¬ den waren, den Deutschen den Ersindnngsreichtum und die bewegliche Lebendig¬ keit der spanischen Litteratur zu vermitteln, vergessen die Thatsache, daß von Ägidius Albcrtinus bis zu Moscherosch und Grimmelshausen eine ganze An¬ zahl deutscher Schriftsteller, namentlich Erzähler, in Ermanglung eines eignen klaren Weges und Zieles den Spuren der Spanier nachgegangen waren. Auch waren die Romantiker in der That die ersten, die Kenntnis von der fast un¬ übersehbaren Breite der spanischen Poesie, der außerordentlichen Volkstümlich¬ keit dieser Poesie in ihrem Heimatlande erlangten und besaßen. So viel wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/344>, abgerufen am 04.05.2024.