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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Altes und Neues von Hans Hopfen

uns Hopfens Erzählungen gehören zu den Büchern, die mein
immer mit gutem Vorurteil in die Hand nimmt. Er genießt
einen vorzüglichen litterarischen Ruf, obwohl sich an seineu
Namen keine dichterische That von nationaler Bedeutung knüpft.
Es ist seine Gesamterscheinung mit all ihren Licht- und Schatten¬
seiten, die ihm so viele Freunde verschafft hat. Vorwaltend ist ein frischer,
burschikoser Zug in ihn?, er scheint so etwas wie ein litterarischer Natnrbursch
zu sein. In allen Formen der Dichtkunst hat er sich versucht, in der Lyrik,
in der Epik, im Drama, überall hat er teilweise sehr Anmutendes geschaffen,
feine Gedichte, sein "Pinsel Mings" (doch nur ein episch ausgeführter Witz,
weiter nichts), sein Schauspiel "In der Mark" enthalten schone Einzelheiten;
aber keines seiner Werke ist tadellos, keines ersten Ranges, keines durch¬
schlagend. Man muß litterarisch geschult sein, um ihm gerecht werden zu
können. Man kann ihm nicht Nachahmung, Nachempfindung größerer Meister
zum Vorwurf machen; man kann aber ebenso wenig einen ausgesprochenem Stil
in seiner Kunst nachweisen. Seiner Urwüchsigkeit fehlt doch die ausgiebige
künstlerische Natur; seine Dichtungen scheinen nicht alle organisch, notwendig,
von innen heraus gewachsen zu sein, sie sind nicht mit dem Menschen in ihm
geworden und haben sich nicht mit der zunehmenden Reife des Mannes vertieft.
Wohl hat er seit der "Peregretta" auch die äußere Form, die epische Technik
beherrschen lernen, aber er ist mehr in die Breite als in die Höhe gewachsen.
Seine Phantasie ist ohne Zweifel wahrhaft dichterisch und sehr empfänglich,
aber doch nur für das Äußerliche der menschlichen Erscheinung. Hopfen ist
vor allein Sittenmaler. Zu Hause ist er in Baiern, aber es ist ihm gar nicht
schwer gefallen, sich auch in Tirol, in Wien, in Berlin, in Paris, in Rom
heimisch zu machen. Er kennt den groben bairischen Bauer ebenso gut wie
das Volk der Pariser Salons, er kennt das Wiener Wäschcrmädel ebenso wie
die "höhere Tochter" des norddeutschen Bürgerstandes; er schildert sie mit
richtigen Lvkalfarben und in Liebe und Haß mit treffendem Urteil. Ebenso
den deutschen Studenten, den Soldatenstand aller Grade, den Wachtmeister so
gut wie den Major, den Schriftstellerstand, die Adlichen und die Schauspieler,
die Pfaffen und die Lebenskünstler, Halbwelt und Philister. Alles, was sich


Grenzlwtm II 1891 48


Altes und Neues von Hans Hopfen

uns Hopfens Erzählungen gehören zu den Büchern, die mein
immer mit gutem Vorurteil in die Hand nimmt. Er genießt
einen vorzüglichen litterarischen Ruf, obwohl sich an seineu
Namen keine dichterische That von nationaler Bedeutung knüpft.
Es ist seine Gesamterscheinung mit all ihren Licht- und Schatten¬
seiten, die ihm so viele Freunde verschafft hat. Vorwaltend ist ein frischer,
burschikoser Zug in ihn?, er scheint so etwas wie ein litterarischer Natnrbursch
zu sein. In allen Formen der Dichtkunst hat er sich versucht, in der Lyrik,
in der Epik, im Drama, überall hat er teilweise sehr Anmutendes geschaffen,
feine Gedichte, sein „Pinsel Mings" (doch nur ein episch ausgeführter Witz,
weiter nichts), sein Schauspiel „In der Mark" enthalten schone Einzelheiten;
aber keines seiner Werke ist tadellos, keines ersten Ranges, keines durch¬
schlagend. Man muß litterarisch geschult sein, um ihm gerecht werden zu
können. Man kann ihm nicht Nachahmung, Nachempfindung größerer Meister
zum Vorwurf machen; man kann aber ebenso wenig einen ausgesprochenem Stil
in seiner Kunst nachweisen. Seiner Urwüchsigkeit fehlt doch die ausgiebige
künstlerische Natur; seine Dichtungen scheinen nicht alle organisch, notwendig,
von innen heraus gewachsen zu sein, sie sind nicht mit dem Menschen in ihm
geworden und haben sich nicht mit der zunehmenden Reife des Mannes vertieft.
Wohl hat er seit der „Peregretta" auch die äußere Form, die epische Technik
beherrschen lernen, aber er ist mehr in die Breite als in die Höhe gewachsen.
Seine Phantasie ist ohne Zweifel wahrhaft dichterisch und sehr empfänglich,
aber doch nur für das Äußerliche der menschlichen Erscheinung. Hopfen ist
vor allein Sittenmaler. Zu Hause ist er in Baiern, aber es ist ihm gar nicht
schwer gefallen, sich auch in Tirol, in Wien, in Berlin, in Paris, in Rom
heimisch zu machen. Er kennt den groben bairischen Bauer ebenso gut wie
das Volk der Pariser Salons, er kennt das Wiener Wäschcrmädel ebenso wie
die „höhere Tochter" des norddeutschen Bürgerstandes; er schildert sie mit
richtigen Lvkalfarben und in Liebe und Haß mit treffendem Urteil. Ebenso
den deutschen Studenten, den Soldatenstand aller Grade, den Wachtmeister so
gut wie den Major, den Schriftstellerstand, die Adlichen und die Schauspieler,
die Pfaffen und die Lebenskünstler, Halbwelt und Philister. Alles, was sich


Grenzlwtm II 1891 48
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[0381] [Abbildung] Altes und Neues von Hans Hopfen uns Hopfens Erzählungen gehören zu den Büchern, die mein immer mit gutem Vorurteil in die Hand nimmt. Er genießt einen vorzüglichen litterarischen Ruf, obwohl sich an seineu Namen keine dichterische That von nationaler Bedeutung knüpft. Es ist seine Gesamterscheinung mit all ihren Licht- und Schatten¬ seiten, die ihm so viele Freunde verschafft hat. Vorwaltend ist ein frischer, burschikoser Zug in ihn?, er scheint so etwas wie ein litterarischer Natnrbursch zu sein. In allen Formen der Dichtkunst hat er sich versucht, in der Lyrik, in der Epik, im Drama, überall hat er teilweise sehr Anmutendes geschaffen, feine Gedichte, sein „Pinsel Mings" (doch nur ein episch ausgeführter Witz, weiter nichts), sein Schauspiel „In der Mark" enthalten schone Einzelheiten; aber keines seiner Werke ist tadellos, keines ersten Ranges, keines durch¬ schlagend. Man muß litterarisch geschult sein, um ihm gerecht werden zu können. Man kann ihm nicht Nachahmung, Nachempfindung größerer Meister zum Vorwurf machen; man kann aber ebenso wenig einen ausgesprochenem Stil in seiner Kunst nachweisen. Seiner Urwüchsigkeit fehlt doch die ausgiebige künstlerische Natur; seine Dichtungen scheinen nicht alle organisch, notwendig, von innen heraus gewachsen zu sein, sie sind nicht mit dem Menschen in ihm geworden und haben sich nicht mit der zunehmenden Reife des Mannes vertieft. Wohl hat er seit der „Peregretta" auch die äußere Form, die epische Technik beherrschen lernen, aber er ist mehr in die Breite als in die Höhe gewachsen. Seine Phantasie ist ohne Zweifel wahrhaft dichterisch und sehr empfänglich, aber doch nur für das Äußerliche der menschlichen Erscheinung. Hopfen ist vor allein Sittenmaler. Zu Hause ist er in Baiern, aber es ist ihm gar nicht schwer gefallen, sich auch in Tirol, in Wien, in Berlin, in Paris, in Rom heimisch zu machen. Er kennt den groben bairischen Bauer ebenso gut wie das Volk der Pariser Salons, er kennt das Wiener Wäschcrmädel ebenso wie die „höhere Tochter" des norddeutschen Bürgerstandes; er schildert sie mit richtigen Lvkalfarben und in Liebe und Haß mit treffendem Urteil. Ebenso den deutschen Studenten, den Soldatenstand aller Grade, den Wachtmeister so gut wie den Major, den Schriftstellerstand, die Adlichen und die Schauspieler, die Pfaffen und die Lebenskünstler, Halbwelt und Philister. Alles, was sich Grenzlwtm II 1891 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/381>, abgerufen am 04.05.2024.