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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Rothschild und Rußland

S ist interessant, zu sehen, daß es heute noch eine Großmacht
giebt, die es wagt, Nußland die Stirn zu bieten. Wir sind
daran seit langem nicht nichr gewöhnt, sondern halten es für
ganz natürlich und billig, wenn sich gewisse Staaten Europas im
Wettkriechen üben oder doch wenigstens ängstlich vermeiden, den
Zaren zu ärgern. Für ganz erstaunlich aber müßte es gelte", wenn es ein
europäischer Staat unternehmen wollte, was das Hans Rothschild unternommen
hat, nämlich sich mittelbar in die innern Zustünde Rußlands einzumischen.
Denn etwas derart ist es, wenn Rothschild -- sei es nun der von London
oder der von Paris oder beide -- plötzlich den Beutel vor der schon aus¬
gestreckte" Hand des Herr" Wyschuegradski in die Tasche zurücksteckt mit der
Eröffnung, Rußland möge erst sein Versälle" gegen seine Juden ändern, dann
könne es Geld bekomme", uicht eher. Die diplomatische" Beziehungen Ru߬
lands zum Hause Rothschild werde" um" wohl abgebrochen, die Gesandte"
abberufen werden, aber wer zuletzt in dem Kampfe siegen wird, ist "och keines-
wegs vorauszusehen. Rothschild wird zunächst, und mit volle": Recht, seineu
Triumph feiern in der Meinung Europas, und die Juden werde" stolz auf
ih" sei". Ob diese" russischen Juden jedoch der Schritt des Börsenherr"
durchaus zum Nutze" gereichen wird, das ist recht sehr fraglich. Bleibt es
bei dieseni einen Schlage, wird der Kampf nicht mit irgend welchen Waffe"
weitergeführt, so fürchte" wir, daß der russische Jude nach wie vor gehauen
werden wird; ii" Ärger über den von Rothschild empfangenen Schlag wird
man in Rußland vielleicht noch weiter als bisher ausholen. Aber die Juden
sind in ihrer Politik zäher und gewandter als andre Mächte, n"d wer weiß,
was die Börse zuletzt noch ausrichtet! Ist es doch "och nicht lange her, daß
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Grenzlww, II 1891 57


Rothschild und Rußland

S ist interessant, zu sehen, daß es heute noch eine Großmacht
giebt, die es wagt, Nußland die Stirn zu bieten. Wir sind
daran seit langem nicht nichr gewöhnt, sondern halten es für
ganz natürlich und billig, wenn sich gewisse Staaten Europas im
Wettkriechen üben oder doch wenigstens ängstlich vermeiden, den
Zaren zu ärgern. Für ganz erstaunlich aber müßte es gelte», wenn es ein
europäischer Staat unternehmen wollte, was das Hans Rothschild unternommen
hat, nämlich sich mittelbar in die innern Zustünde Rußlands einzumischen.
Denn etwas derart ist es, wenn Rothschild — sei es nun der von London
oder der von Paris oder beide — plötzlich den Beutel vor der schon aus¬
gestreckte» Hand des Herr» Wyschuegradski in die Tasche zurücksteckt mit der
Eröffnung, Rußland möge erst sein Versälle» gegen seine Juden ändern, dann
könne es Geld bekomme», uicht eher. Die diplomatische» Beziehungen Ru߬
lands zum Hause Rothschild werde» um» wohl abgebrochen, die Gesandte»
abberufen werden, aber wer zuletzt in dem Kampfe siegen wird, ist »och keines-
wegs vorauszusehen. Rothschild wird zunächst, und mit volle»: Recht, seineu
Triumph feiern in der Meinung Europas, und die Juden werde» stolz auf
ih» sei». Ob diese» russischen Juden jedoch der Schritt des Börsenherr»
durchaus zum Nutze» gereichen wird, das ist recht sehr fraglich. Bleibt es
bei dieseni einen Schlage, wird der Kampf nicht mit irgend welchen Waffe»
weitergeführt, so fürchte» wir, daß der russische Jude nach wie vor gehauen
werden wird; ii» Ärger über den von Rothschild empfangenen Schlag wird
man in Rußland vielleicht noch weiter als bisher ausholen. Aber die Juden
sind in ihrer Politik zäher und gewandter als andre Mächte, n»d wer weiß,
was die Börse zuletzt noch ausrichtet! Ist es doch »och nicht lange her, daß
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Grenzlww, II 1891 57
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[0453] [Abbildung] Rothschild und Rußland S ist interessant, zu sehen, daß es heute noch eine Großmacht giebt, die es wagt, Nußland die Stirn zu bieten. Wir sind daran seit langem nicht nichr gewöhnt, sondern halten es für ganz natürlich und billig, wenn sich gewisse Staaten Europas im Wettkriechen üben oder doch wenigstens ängstlich vermeiden, den Zaren zu ärgern. Für ganz erstaunlich aber müßte es gelte», wenn es ein europäischer Staat unternehmen wollte, was das Hans Rothschild unternommen hat, nämlich sich mittelbar in die innern Zustünde Rußlands einzumischen. Denn etwas derart ist es, wenn Rothschild — sei es nun der von London oder der von Paris oder beide — plötzlich den Beutel vor der schon aus¬ gestreckte» Hand des Herr» Wyschuegradski in die Tasche zurücksteckt mit der Eröffnung, Rußland möge erst sein Versälle» gegen seine Juden ändern, dann könne es Geld bekomme», uicht eher. Die diplomatische» Beziehungen Ru߬ lands zum Hause Rothschild werde» um» wohl abgebrochen, die Gesandte» abberufen werden, aber wer zuletzt in dem Kampfe siegen wird, ist »och keines- wegs vorauszusehen. Rothschild wird zunächst, und mit volle»: Recht, seineu Triumph feiern in der Meinung Europas, und die Juden werde» stolz auf ih» sei». Ob diese» russischen Juden jedoch der Schritt des Börsenherr» durchaus zum Nutze» gereichen wird, das ist recht sehr fraglich. Bleibt es bei dieseni einen Schlage, wird der Kampf nicht mit irgend welchen Waffe» weitergeführt, so fürchte» wir, daß der russische Jude nach wie vor gehauen werden wird; ii» Ärger über den von Rothschild empfangenen Schlag wird man in Rußland vielleicht noch weiter als bisher ausholen. Aber die Juden sind in ihrer Politik zäher und gewandter als andre Mächte, n»d wer weiß, was die Börse zuletzt noch ausrichtet! Ist es doch »och nicht lange her, daß ' Grenzlww, II 1891 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/453>, abgerufen am 04.05.2024.