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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr.

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Wünsche für die Statistik

uf keinem wissenschaftlichen Gebiete häufen sich die Veröffent¬
lichungen in solchem Maße, wie uns dem der Statistik. Es
erweitert sich nicht nur fortwährend der Kreis der Erscheinungen,
die in den Bereich der Beobachtungen gezogen werden, sondern
es wächst auch mit jedem Jahresabschluß neuer Stoff zu, und
dabei ist nicht, wie auf audern Gebieten des Wissens, z.V. in den Natur¬
wissenschaften, der Geschichte, der vergleichenden Sprachforschung ". s. w., für
irgend eine Zeit ein Abschluß, eine Erschöpfung des Gegenstandes zu erwarten,
sondern jeder Zeitabschnitt, jede regelmäßig wiederkehrende Zählung vermehrt
wieder unerbittlich den Vorrat an Erfahrungen und Beobachtungen, die der
Verarbeitung und der Nutzbarmachung harren. In dieser mit rühmenswertem
Eifer, aber ohne erkennbares Ziel rastlos wiederkehrende" Anhäufung von
Urstoff für die Forschung erkennen wir den von Goethe gekennzeichneten "ehr¬
würdigen deutschen Fleiß, der mehr auf die Sammlung und Entwicklung von
Einzelheiten als auf Resultate losgeht." Wer sich die große Anzahl statistischer
und volkswirtschaftlicher Zeitschriften, die allein in Deutschland erscheinen, der
statistischen Jahrbücher und Berichte, der Besprechungen, Abhandlungen u.s. w.
vergegenwärtigt, wer z. B. den kürzlich im Druck erschienenen Katalog der
Bibliothek des königlich sächsischen statistischen Bureaus durchblättert, der
etwa 19 000 Titel für die jüngste der Wissenschaften aufzählt, dem muß sich
der Gedanke aufdrängen, wohin denn eine solche Anhäufung von Stoff führen
soll, wer wohl dereinst dafür bestimmt sein mag, diesen Stoss zu sichten und
daraus das für die Wissenschaft und das Leben verwertbare herauszuziehen.
Es ist anch nicht ans den Eintritt eines Zeitpunktes zu rechnen, wo man
sagen wird, die bisher gewonnenen Zahlenreihen seien genügend, daraus


Grenzboten II 1891 "3


Wünsche für die Statistik

uf keinem wissenschaftlichen Gebiete häufen sich die Veröffent¬
lichungen in solchem Maße, wie uns dem der Statistik. Es
erweitert sich nicht nur fortwährend der Kreis der Erscheinungen,
die in den Bereich der Beobachtungen gezogen werden, sondern
es wächst auch mit jedem Jahresabschluß neuer Stoff zu, und
dabei ist nicht, wie auf audern Gebieten des Wissens, z.V. in den Natur¬
wissenschaften, der Geschichte, der vergleichenden Sprachforschung ». s. w., für
irgend eine Zeit ein Abschluß, eine Erschöpfung des Gegenstandes zu erwarten,
sondern jeder Zeitabschnitt, jede regelmäßig wiederkehrende Zählung vermehrt
wieder unerbittlich den Vorrat an Erfahrungen und Beobachtungen, die der
Verarbeitung und der Nutzbarmachung harren. In dieser mit rühmenswertem
Eifer, aber ohne erkennbares Ziel rastlos wiederkehrende» Anhäufung von
Urstoff für die Forschung erkennen wir den von Goethe gekennzeichneten „ehr¬
würdigen deutschen Fleiß, der mehr auf die Sammlung und Entwicklung von
Einzelheiten als auf Resultate losgeht." Wer sich die große Anzahl statistischer
und volkswirtschaftlicher Zeitschriften, die allein in Deutschland erscheinen, der
statistischen Jahrbücher und Berichte, der Besprechungen, Abhandlungen u.s. w.
vergegenwärtigt, wer z. B. den kürzlich im Druck erschienenen Katalog der
Bibliothek des königlich sächsischen statistischen Bureaus durchblättert, der
etwa 19 000 Titel für die jüngste der Wissenschaften aufzählt, dem muß sich
der Gedanke aufdrängen, wohin denn eine solche Anhäufung von Stoff führen
soll, wer wohl dereinst dafür bestimmt sein mag, diesen Stoss zu sichten und
daraus das für die Wissenschaft und das Leben verwertbare herauszuziehen.
Es ist anch nicht ans den Eintritt eines Zeitpunktes zu rechnen, wo man
sagen wird, die bisher gewonnenen Zahlenreihen seien genügend, daraus


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[0501] [Abbildung] Wünsche für die Statistik uf keinem wissenschaftlichen Gebiete häufen sich die Veröffent¬ lichungen in solchem Maße, wie uns dem der Statistik. Es erweitert sich nicht nur fortwährend der Kreis der Erscheinungen, die in den Bereich der Beobachtungen gezogen werden, sondern es wächst auch mit jedem Jahresabschluß neuer Stoff zu, und dabei ist nicht, wie auf audern Gebieten des Wissens, z.V. in den Natur¬ wissenschaften, der Geschichte, der vergleichenden Sprachforschung ». s. w., für irgend eine Zeit ein Abschluß, eine Erschöpfung des Gegenstandes zu erwarten, sondern jeder Zeitabschnitt, jede regelmäßig wiederkehrende Zählung vermehrt wieder unerbittlich den Vorrat an Erfahrungen und Beobachtungen, die der Verarbeitung und der Nutzbarmachung harren. In dieser mit rühmenswertem Eifer, aber ohne erkennbares Ziel rastlos wiederkehrende» Anhäufung von Urstoff für die Forschung erkennen wir den von Goethe gekennzeichneten „ehr¬ würdigen deutschen Fleiß, der mehr auf die Sammlung und Entwicklung von Einzelheiten als auf Resultate losgeht." Wer sich die große Anzahl statistischer und volkswirtschaftlicher Zeitschriften, die allein in Deutschland erscheinen, der statistischen Jahrbücher und Berichte, der Besprechungen, Abhandlungen u.s. w. vergegenwärtigt, wer z. B. den kürzlich im Druck erschienenen Katalog der Bibliothek des königlich sächsischen statistischen Bureaus durchblättert, der etwa 19 000 Titel für die jüngste der Wissenschaften aufzählt, dem muß sich der Gedanke aufdrängen, wohin denn eine solche Anhäufung von Stoff führen soll, wer wohl dereinst dafür bestimmt sein mag, diesen Stoss zu sichten und daraus das für die Wissenschaft und das Leben verwertbare herauszuziehen. Es ist anch nicht ans den Eintritt eines Zeitpunktes zu rechnen, wo man sagen wird, die bisher gewonnenen Zahlenreihen seien genügend, daraus Grenzboten II 1891 «3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_209866/501>, abgerufen am 04.05.2024.