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Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr.

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Militarismus und ^chulerziehung

ilitcirisnms und Schillerziehung stehen im Gegensatze zu einander.
Sie bezeichnen zwei Gebiete, von denen jedes seine eigentümlichen
Bedingungen, Einrichtungen und Gesetze hat, die nicht ungestraft
auf das andre übertragen werden können.

Von dem Werte des Militarismus sind alle Vaterlands-
freunde tief durchdrungen. Die erziehende Macht, die in ihm liegt, und von
der unser großer Heerführer Moltke so überzeugend gesprochen hat, ist unbe¬
stritten. Es ist eine Schule des Volkes, deren vortreffliche Wirkungen greifbar
zu Tage liegen. Diese Thatsache muß uus, abgesehen von der Notwendigkeit,
unsre Streitkraft inmitten der europäischen Staaten immer auf der Höhe zu
halten, trösten über die ungeheuer,? Summen, die alljährlich verwendet werden
ans Kosten andrer Aufgaben und Ziele der Kulturarbeit. Und doch soll der Mili¬
tarismus, unter dem Gesichtspunkte der Volkserziehung gefaßt, einen Gegensatz
zur Schulerziehung bedeuten? Erscheint er nicht vielmehr als ein Fortsetzer
und Vollender der Anfänge, die in der Schule gelegt worden sind? Die Liebe
zum Vaterlande, dort gehegt und gepflegt, wird hier gekräftigt zu der vollen
Überzeugung, daß man in Zeiten der Gefahr Gut und Blut einsetzen müsse
für Kaiser und Reich. Dazu die Stärkung des Pflichtgefühls, des Sinnes
für Ordnung und Pünktlichkeit, die Ausbildung des Körpers, daß er sich als
ein geschmeidiges und kräftiges Werkzeug erweise im Dienste höherer Zwecke.
Und das alles Ergebnisse einer humanen und doch schneidigen Behandlung!

Dies kann mau alles zugeben, und doch bleiben immer noch tiefgreifende
Unterschiede übrig, die zu verdeutlichen gewiß nicht unnütz ist, zumal da in
der Gegenwart die Gefahr nahe zu liegen scheint, daß diese Unterschiede ver¬
wischt werden und das Gepräge der militärischen Erziehung ohne weiteres auf


Grenzboten III 18VI 37


Militarismus und ^chulerziehung

ilitcirisnms und Schillerziehung stehen im Gegensatze zu einander.
Sie bezeichnen zwei Gebiete, von denen jedes seine eigentümlichen
Bedingungen, Einrichtungen und Gesetze hat, die nicht ungestraft
auf das andre übertragen werden können.

Von dem Werte des Militarismus sind alle Vaterlands-
freunde tief durchdrungen. Die erziehende Macht, die in ihm liegt, und von
der unser großer Heerführer Moltke so überzeugend gesprochen hat, ist unbe¬
stritten. Es ist eine Schule des Volkes, deren vortreffliche Wirkungen greifbar
zu Tage liegen. Diese Thatsache muß uus, abgesehen von der Notwendigkeit,
unsre Streitkraft inmitten der europäischen Staaten immer auf der Höhe zu
halten, trösten über die ungeheuer,? Summen, die alljährlich verwendet werden
ans Kosten andrer Aufgaben und Ziele der Kulturarbeit. Und doch soll der Mili¬
tarismus, unter dem Gesichtspunkte der Volkserziehung gefaßt, einen Gegensatz
zur Schulerziehung bedeuten? Erscheint er nicht vielmehr als ein Fortsetzer
und Vollender der Anfänge, die in der Schule gelegt worden sind? Die Liebe
zum Vaterlande, dort gehegt und gepflegt, wird hier gekräftigt zu der vollen
Überzeugung, daß man in Zeiten der Gefahr Gut und Blut einsetzen müsse
für Kaiser und Reich. Dazu die Stärkung des Pflichtgefühls, des Sinnes
für Ordnung und Pünktlichkeit, die Ausbildung des Körpers, daß er sich als
ein geschmeidiges und kräftiges Werkzeug erweise im Dienste höherer Zwecke.
Und das alles Ergebnisse einer humanen und doch schneidigen Behandlung!

Dies kann mau alles zugeben, und doch bleiben immer noch tiefgreifende
Unterschiede übrig, die zu verdeutlichen gewiß nicht unnütz ist, zumal da in
der Gegenwart die Gefahr nahe zu liegen scheint, daß diese Unterschiede ver¬
wischt werden und das Gepräge der militärischen Erziehung ohne weiteres auf


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[0297] [Abbildung] Militarismus und ^chulerziehung ilitcirisnms und Schillerziehung stehen im Gegensatze zu einander. Sie bezeichnen zwei Gebiete, von denen jedes seine eigentümlichen Bedingungen, Einrichtungen und Gesetze hat, die nicht ungestraft auf das andre übertragen werden können. Von dem Werte des Militarismus sind alle Vaterlands- freunde tief durchdrungen. Die erziehende Macht, die in ihm liegt, und von der unser großer Heerführer Moltke so überzeugend gesprochen hat, ist unbe¬ stritten. Es ist eine Schule des Volkes, deren vortreffliche Wirkungen greifbar zu Tage liegen. Diese Thatsache muß uus, abgesehen von der Notwendigkeit, unsre Streitkraft inmitten der europäischen Staaten immer auf der Höhe zu halten, trösten über die ungeheuer,? Summen, die alljährlich verwendet werden ans Kosten andrer Aufgaben und Ziele der Kulturarbeit. Und doch soll der Mili¬ tarismus, unter dem Gesichtspunkte der Volkserziehung gefaßt, einen Gegensatz zur Schulerziehung bedeuten? Erscheint er nicht vielmehr als ein Fortsetzer und Vollender der Anfänge, die in der Schule gelegt worden sind? Die Liebe zum Vaterlande, dort gehegt und gepflegt, wird hier gekräftigt zu der vollen Überzeugung, daß man in Zeiten der Gefahr Gut und Blut einsetzen müsse für Kaiser und Reich. Dazu die Stärkung des Pflichtgefühls, des Sinnes für Ordnung und Pünktlichkeit, die Ausbildung des Körpers, daß er sich als ein geschmeidiges und kräftiges Werkzeug erweise im Dienste höherer Zwecke. Und das alles Ergebnisse einer humanen und doch schneidigen Behandlung! Dies kann mau alles zugeben, und doch bleiben immer noch tiefgreifende Unterschiede übrig, die zu verdeutlichen gewiß nicht unnütz ist, zumal da in der Gegenwart die Gefahr nahe zu liegen scheint, daß diese Unterschiede ver¬ wischt werden und das Gepräge der militärischen Erziehung ohne weiteres auf Grenzboten III 18VI 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 50, 1891, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341853_289767/297>, abgerufen am 03.05.2024.