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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Aus dänischer Zeit

lakonische Fontane gefällt uns viel liesser, als der mitteilsame. Weil wir
wahren Respekt vor ihm haben, verschanzen wir den Ausdruck unsrer Meinung
nicht hinter zweideutigem Phrasenwerk, sondern sagen ganz aufrichtig: mein, da
gehen wir nicht mehr mit.


M. N.


Aus dänischer Zeit
8. Arambambuli

ommerwirtschafteu gab es nicht in unsrer kleinen Stadt; wollte man
in der schönen Jahreszeit einmal anderswo seinen Kaffee trinken,
so mußte man nach Feldkircher, einem in der Nähe liegenden
Dorfe. Dort gab es uicht bloß eine altertümliche Kirche,
sondern, was für uns das beste war, zwei Wirtschaften. Sie
lagen nur durch ein Haus von einander getrennt, hatten beide eine Kegelbahn
und sehr angenehme Stachelbeerhccken, die uus auf die erfreulichste Weise
beschäftigten. Wenn es also eines Sonntags hieß, Großvater wolle mit seinem
etwaigen Besuch und mit uns nach Feldkircher fahren, so freuten wir uns
immer außerordentlich. Wir wurden auf den Bock und in die Kutsche selbst
verteilt, und da wir meist bei dem ersten Hause des Dorfes, dem "Letzten
Heller," aussteigen durften, so war die Gefahr, seekrank zu werden, nicht so
groß, denn die Fahrt dauerte kaum eine halbe Stunde. Im Wagen wurde
die Frage, in welcher Wirtschaft wir einkehren sollten, lebhaft verhandelt.
Kaffee, Kegelbahn und Stachelbeeren waren bei beiden Wirten von gleicher
Beschaffenheit, aber Herr Hauschild besaß ein Gartenhaus mit wundervollen
chinesischen Tapeten, und Herr Meinhard hatte einen Bruder, der als Kutscher
des Kaisers von Rußland in Petersburg eine hohe Stelle einnahm. Da
wurde uns die Wahl oft recht schwer. Manchmal kannten wir nichts erheben¬
deres, als beim Bruder des kaiserlich russischen Rosselenkers Kaffee zutrinken;
manchmal aber hatten wir demokratische Anwandlungen, sagten, Herr Mein¬
hard sei uns gleichgiltig, und verlangten stürmisch nach den chinesischen Ta¬
peten des Hauschildschen Gartenhauses. Gewöhnlich entschied unser Großvater,
daß wir einmal zu Meinhard und einmal zu Hauschild führen, und da im
Grunde genommen beides ganz dasselbe war, so fanden wir uns zufrieden
in seine Bestimmung. Und nun wurde das Sonntagsnachmittagsvergnügen
"programmmäßig" abgesponnen. Wir tranken alle Kaffee und aßen soviel


Aus dänischer Zeit

lakonische Fontane gefällt uns viel liesser, als der mitteilsame. Weil wir
wahren Respekt vor ihm haben, verschanzen wir den Ausdruck unsrer Meinung
nicht hinter zweideutigem Phrasenwerk, sondern sagen ganz aufrichtig: mein, da
gehen wir nicht mehr mit.


M. N.


Aus dänischer Zeit
8. Arambambuli

ommerwirtschafteu gab es nicht in unsrer kleinen Stadt; wollte man
in der schönen Jahreszeit einmal anderswo seinen Kaffee trinken,
so mußte man nach Feldkircher, einem in der Nähe liegenden
Dorfe. Dort gab es uicht bloß eine altertümliche Kirche,
sondern, was für uns das beste war, zwei Wirtschaften. Sie
lagen nur durch ein Haus von einander getrennt, hatten beide eine Kegelbahn
und sehr angenehme Stachelbeerhccken, die uus auf die erfreulichste Weise
beschäftigten. Wenn es also eines Sonntags hieß, Großvater wolle mit seinem
etwaigen Besuch und mit uns nach Feldkircher fahren, so freuten wir uns
immer außerordentlich. Wir wurden auf den Bock und in die Kutsche selbst
verteilt, und da wir meist bei dem ersten Hause des Dorfes, dem „Letzten
Heller," aussteigen durften, so war die Gefahr, seekrank zu werden, nicht so
groß, denn die Fahrt dauerte kaum eine halbe Stunde. Im Wagen wurde
die Frage, in welcher Wirtschaft wir einkehren sollten, lebhaft verhandelt.
Kaffee, Kegelbahn und Stachelbeeren waren bei beiden Wirten von gleicher
Beschaffenheit, aber Herr Hauschild besaß ein Gartenhaus mit wundervollen
chinesischen Tapeten, und Herr Meinhard hatte einen Bruder, der als Kutscher
des Kaisers von Rußland in Petersburg eine hohe Stelle einnahm. Da
wurde uns die Wahl oft recht schwer. Manchmal kannten wir nichts erheben¬
deres, als beim Bruder des kaiserlich russischen Rosselenkers Kaffee zutrinken;
manchmal aber hatten wir demokratische Anwandlungen, sagten, Herr Mein¬
hard sei uns gleichgiltig, und verlangten stürmisch nach den chinesischen Ta¬
peten des Hauschildschen Gartenhauses. Gewöhnlich entschied unser Großvater,
daß wir einmal zu Meinhard und einmal zu Hauschild führen, und da im
Grunde genommen beides ganz dasselbe war, so fanden wir uns zufrieden
in seine Bestimmung. Und nun wurde das Sonntagsnachmittagsvergnügen
„programmmäßig" abgesponnen. Wir tranken alle Kaffee und aßen soviel


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[0189] Aus dänischer Zeit lakonische Fontane gefällt uns viel liesser, als der mitteilsame. Weil wir wahren Respekt vor ihm haben, verschanzen wir den Ausdruck unsrer Meinung nicht hinter zweideutigem Phrasenwerk, sondern sagen ganz aufrichtig: mein, da gehen wir nicht mehr mit. M. N. Aus dänischer Zeit 8. Arambambuli ommerwirtschafteu gab es nicht in unsrer kleinen Stadt; wollte man in der schönen Jahreszeit einmal anderswo seinen Kaffee trinken, so mußte man nach Feldkircher, einem in der Nähe liegenden Dorfe. Dort gab es uicht bloß eine altertümliche Kirche, sondern, was für uns das beste war, zwei Wirtschaften. Sie lagen nur durch ein Haus von einander getrennt, hatten beide eine Kegelbahn und sehr angenehme Stachelbeerhccken, die uus auf die erfreulichste Weise beschäftigten. Wenn es also eines Sonntags hieß, Großvater wolle mit seinem etwaigen Besuch und mit uns nach Feldkircher fahren, so freuten wir uns immer außerordentlich. Wir wurden auf den Bock und in die Kutsche selbst verteilt, und da wir meist bei dem ersten Hause des Dorfes, dem „Letzten Heller," aussteigen durften, so war die Gefahr, seekrank zu werden, nicht so groß, denn die Fahrt dauerte kaum eine halbe Stunde. Im Wagen wurde die Frage, in welcher Wirtschaft wir einkehren sollten, lebhaft verhandelt. Kaffee, Kegelbahn und Stachelbeeren waren bei beiden Wirten von gleicher Beschaffenheit, aber Herr Hauschild besaß ein Gartenhaus mit wundervollen chinesischen Tapeten, und Herr Meinhard hatte einen Bruder, der als Kutscher des Kaisers von Rußland in Petersburg eine hohe Stelle einnahm. Da wurde uns die Wahl oft recht schwer. Manchmal kannten wir nichts erheben¬ deres, als beim Bruder des kaiserlich russischen Rosselenkers Kaffee zutrinken; manchmal aber hatten wir demokratische Anwandlungen, sagten, Herr Mein¬ hard sei uns gleichgiltig, und verlangten stürmisch nach den chinesischen Ta¬ peten des Hauschildschen Gartenhauses. Gewöhnlich entschied unser Großvater, daß wir einmal zu Meinhard und einmal zu Hauschild führen, und da im Grunde genommen beides ganz dasselbe war, so fanden wir uns zufrieden in seine Bestimmung. Und nun wurde das Sonntagsnachmittagsvergnügen „programmmäßig" abgesponnen. Wir tranken alle Kaffee und aßen soviel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/189>, abgerufen am 06.05.2024.