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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Bilder aus dem Universitäts leben
^. Line Ltndentenanfführung

as LoIlöAium 1oMouir> war zu Ende. Die dumpfen Schläge der
Universitätsuhr waren kaum vernehmbar nach dem entlegnen Hör¬
saal gedrungen, und erst die entstehende Unruhe uuter den Stu¬
denten, das auffällige Zusammenklappen der Hefte, das laute
Ausklopfe" der Federn, das Scharren und Räuspern machte unsern
schwerhöriger Philosophen Harms darauf aufmerksam, daß Raum und Zeit
unter uns Menschen doch irgendwo eine Grenze haben müsse.

Der Alte hatte wieder einmal alle Register seiner Beredsamkeit gezogen
und unsre Gemüter keinen Augenblick aus seinen tretenden Händen gelassen.
Wer den seligen Harms nicht gehört hat, kann sich schwer eine Vorstellung von
seiner originellen Vortragsweise machen. Er hatte nicht das stolz dahinflntende
Pathos eines Dubois-Reymond, nicht die kaltlächelnde Dialektik eines Gneist,
nicht den rollenden, stürmischen Vortrag eines Treitschke, aber ich habe nie
einen Redner kennen lernen, der über ein so unerschöpfliches mimisches Talent
verfügt hätte wie Harms, nie einen, der beim Vortrage so erstaunlich mit
allen möglichen Stimmmitteln gewirtschaftet, so verblüffend durch alle Tempe¬
ramente vom schläfrig-phlegmatischen bis zum aufregend-sanguinischen zu springen
gewußt hätte. Man vergaß über der Art feines Vortrages thatsächlich alle
dunkeln Rätsel der Psychologie und alle trocknen Gesetze der Logik und ließ
sich durch seine Mimik fesseln und mit fortreißen.

Daher fand sich deun auch in keinem Auditorium ein so buntscheckiger,
aus alleu Fakultäten zusammengewürfelter und fo oft wechselnder Hörerkreis
wie bei Harms. Man mußte von ihm den unscheinbaren Satz, eine seiner
Lieblingswendungen, hören: Meine Herren, der Elefant im zoologischen Garten
hat keine Logik -- um zu erfahren, was ein Redner aus einem solchen Satze
zu macheu imstande ist. Er fing langsam mit hochtönender näselnder Stimme
an, lehnte sich mit etwas spöttischem Gesichtsausdruck zurück und begleitete die
ersten Worte mit einer immer schneller werdenden Kreisbewegung feines Zeige¬
fingers. Hinter dem Worte Garten machte er eine Pause, holte tief Atem und
donnerte dann das: hat keine Logik -- mit solcher Heftigkeit uuter die Zuhörer,




Bilder aus dem Universitäts leben
^. Line Ltndentenanfführung

as LoIlöAium 1oMouir> war zu Ende. Die dumpfen Schläge der
Universitätsuhr waren kaum vernehmbar nach dem entlegnen Hör¬
saal gedrungen, und erst die entstehende Unruhe uuter den Stu¬
denten, das auffällige Zusammenklappen der Hefte, das laute
Ausklopfe« der Federn, das Scharren und Räuspern machte unsern
schwerhöriger Philosophen Harms darauf aufmerksam, daß Raum und Zeit
unter uns Menschen doch irgendwo eine Grenze haben müsse.

Der Alte hatte wieder einmal alle Register seiner Beredsamkeit gezogen
und unsre Gemüter keinen Augenblick aus seinen tretenden Händen gelassen.
Wer den seligen Harms nicht gehört hat, kann sich schwer eine Vorstellung von
seiner originellen Vortragsweise machen. Er hatte nicht das stolz dahinflntende
Pathos eines Dubois-Reymond, nicht die kaltlächelnde Dialektik eines Gneist,
nicht den rollenden, stürmischen Vortrag eines Treitschke, aber ich habe nie
einen Redner kennen lernen, der über ein so unerschöpfliches mimisches Talent
verfügt hätte wie Harms, nie einen, der beim Vortrage so erstaunlich mit
allen möglichen Stimmmitteln gewirtschaftet, so verblüffend durch alle Tempe¬
ramente vom schläfrig-phlegmatischen bis zum aufregend-sanguinischen zu springen
gewußt hätte. Man vergaß über der Art feines Vortrages thatsächlich alle
dunkeln Rätsel der Psychologie und alle trocknen Gesetze der Logik und ließ
sich durch seine Mimik fesseln und mit fortreißen.

Daher fand sich deun auch in keinem Auditorium ein so buntscheckiger,
aus alleu Fakultäten zusammengewürfelter und fo oft wechselnder Hörerkreis
wie bei Harms. Man mußte von ihm den unscheinbaren Satz, eine seiner
Lieblingswendungen, hören: Meine Herren, der Elefant im zoologischen Garten
hat keine Logik — um zu erfahren, was ein Redner aus einem solchen Satze
zu macheu imstande ist. Er fing langsam mit hochtönender näselnder Stimme
an, lehnte sich mit etwas spöttischem Gesichtsausdruck zurück und begleitete die
ersten Worte mit einer immer schneller werdenden Kreisbewegung feines Zeige¬
fingers. Hinter dem Worte Garten machte er eine Pause, holte tief Atem und
donnerte dann das: hat keine Logik — mit solcher Heftigkeit uuter die Zuhörer,


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[0039] [Abbildung] Bilder aus dem Universitäts leben ^. Line Ltndentenanfführung as LoIlöAium 1oMouir> war zu Ende. Die dumpfen Schläge der Universitätsuhr waren kaum vernehmbar nach dem entlegnen Hör¬ saal gedrungen, und erst die entstehende Unruhe uuter den Stu¬ denten, das auffällige Zusammenklappen der Hefte, das laute Ausklopfe« der Federn, das Scharren und Räuspern machte unsern schwerhöriger Philosophen Harms darauf aufmerksam, daß Raum und Zeit unter uns Menschen doch irgendwo eine Grenze haben müsse. Der Alte hatte wieder einmal alle Register seiner Beredsamkeit gezogen und unsre Gemüter keinen Augenblick aus seinen tretenden Händen gelassen. Wer den seligen Harms nicht gehört hat, kann sich schwer eine Vorstellung von seiner originellen Vortragsweise machen. Er hatte nicht das stolz dahinflntende Pathos eines Dubois-Reymond, nicht die kaltlächelnde Dialektik eines Gneist, nicht den rollenden, stürmischen Vortrag eines Treitschke, aber ich habe nie einen Redner kennen lernen, der über ein so unerschöpfliches mimisches Talent verfügt hätte wie Harms, nie einen, der beim Vortrage so erstaunlich mit allen möglichen Stimmmitteln gewirtschaftet, so verblüffend durch alle Tempe¬ ramente vom schläfrig-phlegmatischen bis zum aufregend-sanguinischen zu springen gewußt hätte. Man vergaß über der Art feines Vortrages thatsächlich alle dunkeln Rätsel der Psychologie und alle trocknen Gesetze der Logik und ließ sich durch seine Mimik fesseln und mit fortreißen. Daher fand sich deun auch in keinem Auditorium ein so buntscheckiger, aus alleu Fakultäten zusammengewürfelter und fo oft wechselnder Hörerkreis wie bei Harms. Man mußte von ihm den unscheinbaren Satz, eine seiner Lieblingswendungen, hören: Meine Herren, der Elefant im zoologischen Garten hat keine Logik — um zu erfahren, was ein Redner aus einem solchen Satze zu macheu imstande ist. Er fing langsam mit hochtönender näselnder Stimme an, lehnte sich mit etwas spöttischem Gesichtsausdruck zurück und begleitete die ersten Worte mit einer immer schneller werdenden Kreisbewegung feines Zeige¬ fingers. Hinter dem Worte Garten machte er eine Pause, holte tief Atem und donnerte dann das: hat keine Logik — mit solcher Heftigkeit uuter die Zuhörer,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/39>, abgerufen am 06.05.2024.