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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Also das war für den Direktor die schwarze Wolke -- die Geldfrage!
Nun hatten wir unsrerseits wieder blauen Annel, denn wir kannten unser
Publikum besser und wußte", daß das Haus ans alle Fälle ausverkauft sein
würde. Die ganze Angelegenheit entwickelte sich denn anch sehr schnell, ohne
alle litterarischen, technischen und pekuniären Bedenken, als wir ihm bereitwillig
die verlangten Entschädigungen für Überlassung des Theaters und aller Bühnen¬
erford ernisse zugestanden.

Nun galt es, die dritte Aufgabe zu lösen. Mit großem Eifer hatten sich
die Kommilitonen zur Mitwirkung gedrängt. Da hieß es denn geschickt wählen
und sichten, damit die Rollen den geeigneten Leuten überwiesen wurden, und
besonders da richtig verfahren, wo der Ehrgeiz größer war als die Fähigkeit.
Es kam dabei zu ergötzlichen Szenen, besonders als man die alten Germanen
nach der Körpergröße ausgesucht hatte und schließlich fand, daß die meisten im
höchsten Tenor sprachen und unmöglich das notwendige tiefe Bardengebrüll
ausstoßen konnten. Es mußten also kleine beleibte Herren mit rollenden Bier¬
baß dazu ausgesucht werdeu und sich das Büffelfell mit den gewaltigen Hörnern
umhängen. Da galt es anch, manche Zaghaften herauszuholen, die ihre
Stimmmittel seit der glücklichen Sänglingszeit zu erproben keine Gelegenheit
gehabt hatten. Und manche, z. B. der feudale Dragoner, gaben bessere Figuren
ab, als sie wohl selbst erwartet hatten.

(Schluß folgt?




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Warum gehen die Geschäfte schlecht?

Ein Blatt, das zum Schaden
für einen großen Namen fortwährend mit diesem in Verbindung gebracht wird,
versicherte vorige Woche, die Geschäfte gingen darum so erbärmlich, weil das Ver¬
trauen auf die innere und äußere Politik der Regierung mehr und mehr schwinde.
Es ist schlimm, daß eine Zeitung, die ernst genommen werden will, ihren Lesern
so etwas zu bieten wagen darf. Wenn eine Kriegserklärung unmittelbar bevor¬
steht, dann baut man natürlich keine Fabrik für Seidendamastwebcrei, manches
Brautpaar verschiebt die Vermählung und damit die Anschaffung der Ausstattung,
und Musikfreunde, die eben einen Flügel kaufen wollten, verzichten vorläufig darauf.
Aber Mangel an Vertrauen zur Regierung hat noch niemals einen Musikfreund
abgehalten, sich ein Instrument anzuschaffen, noch die Hochzeit eines Brautpaares
verzögert, und hält auch keinen Kaufmann oder Fabrikanten von einem Unter¬
nehmen ab, wenn diese nnr sonst Gewinn ^verspricht. Augenblicklich versprechen
industrielle Unternehmungen keinen Gewinn, weil die Masse des Volks kein Geld
zum kaufen hat, und sie'hat kein Geld, weil ihr Einkommen auf Brot, Kartoffeln,


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Also das war für den Direktor die schwarze Wolke — die Geldfrage!
Nun hatten wir unsrerseits wieder blauen Annel, denn wir kannten unser
Publikum besser und wußte», daß das Haus ans alle Fälle ausverkauft sein
würde. Die ganze Angelegenheit entwickelte sich denn anch sehr schnell, ohne
alle litterarischen, technischen und pekuniären Bedenken, als wir ihm bereitwillig
die verlangten Entschädigungen für Überlassung des Theaters und aller Bühnen¬
erford ernisse zugestanden.

Nun galt es, die dritte Aufgabe zu lösen. Mit großem Eifer hatten sich
die Kommilitonen zur Mitwirkung gedrängt. Da hieß es denn geschickt wählen
und sichten, damit die Rollen den geeigneten Leuten überwiesen wurden, und
besonders da richtig verfahren, wo der Ehrgeiz größer war als die Fähigkeit.
Es kam dabei zu ergötzlichen Szenen, besonders als man die alten Germanen
nach der Körpergröße ausgesucht hatte und schließlich fand, daß die meisten im
höchsten Tenor sprachen und unmöglich das notwendige tiefe Bardengebrüll
ausstoßen konnten. Es mußten also kleine beleibte Herren mit rollenden Bier¬
baß dazu ausgesucht werdeu und sich das Büffelfell mit den gewaltigen Hörnern
umhängen. Da galt es anch, manche Zaghaften herauszuholen, die ihre
Stimmmittel seit der glücklichen Sänglingszeit zu erproben keine Gelegenheit
gehabt hatten. Und manche, z. B. der feudale Dragoner, gaben bessere Figuren
ab, als sie wohl selbst erwartet hatten.

(Schluß folgt?




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Warum gehen die Geschäfte schlecht?

Ein Blatt, das zum Schaden
für einen großen Namen fortwährend mit diesem in Verbindung gebracht wird,
versicherte vorige Woche, die Geschäfte gingen darum so erbärmlich, weil das Ver¬
trauen auf die innere und äußere Politik der Regierung mehr und mehr schwinde.
Es ist schlimm, daß eine Zeitung, die ernst genommen werden will, ihren Lesern
so etwas zu bieten wagen darf. Wenn eine Kriegserklärung unmittelbar bevor¬
steht, dann baut man natürlich keine Fabrik für Seidendamastwebcrei, manches
Brautpaar verschiebt die Vermählung und damit die Anschaffung der Ausstattung,
und Musikfreunde, die eben einen Flügel kaufen wollten, verzichten vorläufig darauf.
Aber Mangel an Vertrauen zur Regierung hat noch niemals einen Musikfreund
abgehalten, sich ein Instrument anzuschaffen, noch die Hochzeit eines Brautpaares
verzögert, und hält auch keinen Kaufmann oder Fabrikanten von einem Unter¬
nehmen ab, wenn diese nnr sonst Gewinn ^verspricht. Augenblicklich versprechen
industrielle Unternehmungen keinen Gewinn, weil die Masse des Volks kein Geld
zum kaufen hat, und sie'hat kein Geld, weil ihr Einkommen auf Brot, Kartoffeln,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/45>, abgerufen am 06.05.2024.