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Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr.

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Zeichnet Stammbäume!

er die seit der Mitte der siebziger Jahre von den deutschen
Standesämtern ausgefertigten Auszüge aus den neu eingerichteten
Geburth-, Heirath- und Sterberegistern mit den nach den
Kirchenbüchern ausgestellten Zeugnissen älterer Art, den Taus-,
Trau- und Totenscheinen, vergleicht, wird als Erfolg der neuern
Gesetzgebung über die Staudesbuchführung (preußisches Gesetz vom 9. März
1874, dann Reichsgesetz vom 6. Februar 1875) gegen früher eine größere
Genauigkeit der Aufzeichnungen gewahr werden. Ich meine damit nicht etwa
die Sorgfalt, deren man sich bei der Niederschrift der Beurkundung über die
drei wichtigsten Ereignisse des menschlichen Einzellebens befleißigt hat; in
dieser Hinsicht können es manche Standesbeamte, namentlich auf dem an ge¬
eigneten Kräften "veniger reichen Lande, mit unsern Geistlichen nicht immer
aufnehmen. Vielmehr deute ich dabei an die Gründlichkeit, die das neue Recht
durch Vorschriften bestimmter Art, die früher fehlten, ohne weiteres zur
Folge gehabt hat: an die viel eingehender" Angaben über den Familienstand
und an die Peinlichkeit, mit der die Aufsichtsbehörden auf Berichtigung falscher
Angaben zu halten haben. Solche falsche Angaben spielen namentlich bei
Erbschaftsregeluugen eine für die Beteiligten oft unliebsame Rolle. Derartige
Berichtigungen dürfen aber stets nur auf Grund gerichtlicher Prüfung und
Anordnung stattfinden, damit alle zur Gefährdung privater wie öffentlicher
Rechte geeigneten nachträglichen Verschiebungen des Personenstandes, sei es
auch nur des Geburtstags, möglichst verhindert werden. Das erstreckt sich in
manchen Bezirken in etwas weitgehender Weise auch auf unbedeutende Ab¬
weichungen in der bloßen Schreibung der Namen; bei der Kirchenbuchführung
wäre ein großer Teil der Zweifelfalle, die jetzt gerichtlich entschieden werden,
sicherlich niemals zur Sprache gekommen oder beachtet worden. Ein Fort¬
schritt ist es auch, daß jetzt alle Geburth-, Heirath- und Sterbeurkunden eine
vollständige beglaubigte Abschrift der ganzen betreffenden Registereintragung
bilden, wogegen z. B. kirchliche Totenscheine, die nicht einmal den Namen der
Eltern des Verstorbnen angeben, gar nichts seltnes sind; habe ich doch sogar
einmal einen wohl etwas hastig ausgefertigten Taufschein gesehen, der zwar
den Vater, aber nicht die Mutter des Gebornen nannte.




Zeichnet Stammbäume!

er die seit der Mitte der siebziger Jahre von den deutschen
Standesämtern ausgefertigten Auszüge aus den neu eingerichteten
Geburth-, Heirath- und Sterberegistern mit den nach den
Kirchenbüchern ausgestellten Zeugnissen älterer Art, den Taus-,
Trau- und Totenscheinen, vergleicht, wird als Erfolg der neuern
Gesetzgebung über die Staudesbuchführung (preußisches Gesetz vom 9. März
1874, dann Reichsgesetz vom 6. Februar 1875) gegen früher eine größere
Genauigkeit der Aufzeichnungen gewahr werden. Ich meine damit nicht etwa
die Sorgfalt, deren man sich bei der Niederschrift der Beurkundung über die
drei wichtigsten Ereignisse des menschlichen Einzellebens befleißigt hat; in
dieser Hinsicht können es manche Standesbeamte, namentlich auf dem an ge¬
eigneten Kräften »veniger reichen Lande, mit unsern Geistlichen nicht immer
aufnehmen. Vielmehr deute ich dabei an die Gründlichkeit, die das neue Recht
durch Vorschriften bestimmter Art, die früher fehlten, ohne weiteres zur
Folge gehabt hat: an die viel eingehender» Angaben über den Familienstand
und an die Peinlichkeit, mit der die Aufsichtsbehörden auf Berichtigung falscher
Angaben zu halten haben. Solche falsche Angaben spielen namentlich bei
Erbschaftsregeluugen eine für die Beteiligten oft unliebsame Rolle. Derartige
Berichtigungen dürfen aber stets nur auf Grund gerichtlicher Prüfung und
Anordnung stattfinden, damit alle zur Gefährdung privater wie öffentlicher
Rechte geeigneten nachträglichen Verschiebungen des Personenstandes, sei es
auch nur des Geburtstags, möglichst verhindert werden. Das erstreckt sich in
manchen Bezirken in etwas weitgehender Weise auch auf unbedeutende Ab¬
weichungen in der bloßen Schreibung der Namen; bei der Kirchenbuchführung
wäre ein großer Teil der Zweifelfalle, die jetzt gerichtlich entschieden werden,
sicherlich niemals zur Sprache gekommen oder beachtet worden. Ein Fort¬
schritt ist es auch, daß jetzt alle Geburth-, Heirath- und Sterbeurkunden eine
vollständige beglaubigte Abschrift der ganzen betreffenden Registereintragung
bilden, wogegen z. B. kirchliche Totenscheine, die nicht einmal den Namen der
Eltern des Verstorbnen angeben, gar nichts seltnes sind; habe ich doch sogar
einmal einen wohl etwas hastig ausgefertigten Taufschein gesehen, der zwar
den Vater, aber nicht die Mutter des Gebornen nannte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 51, 1892, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341855_211167/552>, abgerufen am 06.05.2024.